Veröffentlicht am 05. November 2024

K-Pop zeigt sich gerade von seiner unschönen Seite

Bodyshaming und Lästern in internen Firmenunterlagen von HYBE, die Band New Jeans im Stand-by-Modus, sexuelle Übergriffe eines ehemaligen Mitglieds der Boyband NCT und toxische Fans, die ein Mitglied von Riize rausekeln – ein Blick auf aktuelle, eher unschöne Kapitel im K-Pop.

Journalist
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Als Musikjournalist, der sich für K-Pop begeistern kann, schreibt man Artikel wie diese eher ungern. Die Skandale und unschönen Kapitel prägen nämlich oft den Blick auf südkoreanische Popmusik. Viele Kolleg:innen, die maximal ein halbes Dutzend K-Pop-Songs kennen, reden lieber darüber, als zum Beispiel einzugestehen, dass einige Songs von Blackpink, BTS, Stray Kids, Le Sserafim, (G)I-dle oder New Jeans grosse Popmusik sind.

Trotzdem muss man dieser Tage feststellen, dass sich die K-Pop-Industrie in den letzten Monaten nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt hat. Deshalb gibt’s hier mal einen Überblick, was die Fans und die Industrie gerade beschäftigt.

Die Sache mit New Jeans

Die besondere Situation bei der Girlgroup New Jeans haben wir kürzlich schon einmal ausführlich rekapituliert. Die Kurzversion: New Jeans‘ Label Ador gehört zu grossen Teilen zur HYBE-Gruppe, die wiederum vom «BTS-Entdecker» Bang Si-hyuk geleitet wird. Vor einigen Monaten zerstritten sich die ehemalige Ador-CEO Min Hee-jin – die grossen Anteil an der Konzeption, am Casting und damit auch am Erfolg von New Jeans hat – mit HYBE.

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Die Parteien leakten interne Dokumente, hielten bizarr-emotionale Pressekonferenzen (Min Hee-Jin zumindest), warfen sich gegenseitig vor, feindliche Übernahmen geplant zu haben, schickten sich die Anwälte auf den Hals. Die Eltern der New-Jeans-Member und die Band selbst sprachen sich dabei für Min Hee-Jin aus. New Jeans starteten gar einen YoutTube-Live-Stream, bei dem sie forderten, dass alles wie früher werde.

Im Stream erzählte die Quasi-Bandleaderin Hanni auch, wie sie im HYBE-Gebäude vom Manager einer anderen Band geschnitten und herablassend behandelt wurde. Das Pikante dabei: Es war wohl jemand vom Team der Band Illit. Sie stehen auch im Mittelpunkt des Ador-Konflikts, weil Min Hee-Jin HYBE vorwirft, einfach ihre Konzepte für New Jeans geclont zu haben. Was, wenn man ihren Debüt-Song hört und das Video sieht, so abwegig nicht ist.

Wie wichtig die K-Pop-Industrie für Südkorea ist, sieht man auch an der Tatsache, dass die Regierung Hanni im Oktober einlud, um über ihre Erfahrung im Parlament zu sprechen, und zwar im Rahmen einer Anhörung des Komitees für Kultur, Sport und Tourismus.

Teilweise unter Tränen sagte die 20-jährige: «Ich hoffe, dass andere Trainees nicht unter Vorfällen leiden, wie wir sie erlebt haben, und deshalb habe ich mich entschlossen, heute hier zu sprechen.»

New Jeans: Eine Karriere im Stand-by-Modus?

Aber wie geht es nun weiter in der Karriere von New Jeans? Wer ihnen auf Instagram folgt, könnte den Eindruck bekommen, alles ginge seinen gewohnten Gang. Die fünf machen weiterhin Firmenkooperation und sind gerade auf dem Cover der Digital-Ausgabe der koreanischen Vogue. Auch das Jubiläum ihres offiziellen Fandoms – die «Bunnies» – wurde mit einem Live-Stream gefeiert.

Was nun aber musikalisch kommt, steht bisher in den Sternen: Angeblich wurde eine für das kommende Jahr geplante Welttournee ebenso wie ein Debütalbum erst einmal geschoben. Was, mit Verlaub, saudumm ist.

Denn New Jeans haben es wie kaum eine andere Band geschafft, auch über die K-Pop-Interessierten hinaus zu wirken und haben mit ihrem Y2K-Style und ihrem Sound sogar geschmäcklerische Indie-Fans auf ihre Seite geholt.

Das Momentum ist also da – gerade sogar noch stärker als sonst, seitdem der junge, reichweitenstarke Streamer «Jason The Ween» den New Jeans-Song «ETA» in einem Livestream spielte und kurz darauf nach Korea reiste, wo er dann gar die Band traf. Sogar Rap-Star Travis Scott griff den Song auf und feuerte ihn auf einigen Konzerten ab, wo seine Fans dann das taten, was sie immer taten: wild rumpogen.

Interner HYBE-Bericht mit fragwürdigen Kommentaren

Im Zuge der parlamentarischen Anhörung wurde auch ein interner Bericht der HYBE-Gruppe verlesen, der für weiter Empörung sorgte. Im sogenannten «Weekly Music Industry Report» teilen HBYE-Verantwortliche ihre Einschätzungen über die K-Pop-Branche. Dabei geht es um eigene Bands und Idols ebenso wie um die Konkurrenz.

Was ja völlig legitim ist: Aber es war der herablassende, manchmal gar Bodyshaming und Mobbing provozierende Tonfall, der viele Fans erzürnte. Teilweise wurde gar sexualisierte Kommentare über minderjährige weibliche Idols geteilt.

In dem Bericht stehen ausserdem Überlegungen, die Karriere von New Jeans zurückzustellen und die ebenfalls bei HYBE unter Vertrag stehenden Illit und Le Sserafim mehr zu pushen. Über die Konkurrenz wurden teilweise extrem gehässige Kommentare von HYBE-Mitarbeiter:innen gesammelt

Stray Kids: «klein». Blackpink: «untalentiert». Zerobaseone: «eine Synergie der Hässlichkeit»

Mitglieder von Riize wurden aufgrund ihres Aussehens verlacht, Mitglieder der Stray Kids und NCT Dream als «zu klein» bezeichnet. Blackpink seien nur «aufgrund ihrer Berühmtheit berühmt» und nicht wirklich künstlerisch interessant.

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Über die Girlgroup Babymonster und eine neue, noch namenlose Girlgroup von SM Entertainment wurde gesagt, dass «niemand von denen wirklich schön» aussehe. Die Boygroup Zerobaseone sei gar «eine Synergie der Hässlichkeit». Die gerade sehr erfolgreichen Girlgroups Ive und Aespa wiederum seien keine ernsthafte Konkurrenz, da ihre Performance Skills mies seihen.

HYBE entschuldigt sich offiziell

Wenig überraschend: HYBE entschuldigte sich wenige Tage später offiziell. Ob das was gebracht hat, sei mal so dahingestellt. Vor allem die Fans der erwähnten Bands sind weiterhin pissed. Von den anderen grossen K-Pop-Produktionsfirmen gab es jedoch keine Statements – was tief blicken lässt. Vermutlich gibt es dort ähnliche Berichte.

Einige Idols nutzten die Gelegenheit für eigene Statements. Während die Stray Kids die Sache mit Humor nahmen und bei einem Konzert über die Kommentare zu ihrer Körpergrösse witzelten, postete das Seventeen-Mitglied Seungkwan ein längeres Statement, das mehr Respekt von Seiten der Industrie gegenüber den Idols verlangt.

Seungkwan von Seventeen: «Wir sind nicht eure Objekte.»

Seungkwan schreibt: «Was ich vor allem zum Ausdruck bringen möchte: Wir sind keine Menschen, denen diese Karriere zugeflogen ist. Man kann uns also nicht leichtfertig verurteilen. Wir haben alle Schmerzen erfahren, waren manchmal völlig am Ende und haben das schliesslich überwunden, in dem wir uns mit aller Kraft darum bemüht haben, auf der Bühne für unsere Fans das Beste zu geben. Ich hoffe, die Leute nehmen das nicht auf die leichte Schulter.»

Über Kommentare wie jene von den HYBE-Mitarbeiter:innen im «Looks»-Report schreibt er: «Sie haben nicht das Recht, sich einfach in unsere Geschichte einzumischen. Nicht nur wir, sondern auch andere Künstler:innen, sind nicht eure Objekte.» Das interessante dabei: Auch Seventeens Produktionsfirma Pledis zählt inzwischen zur HYBE-Gruppe.

Vorwürfe und Klage gegen Taeil von NCT

Aber auch andere grosse Produktionsfirmen stehen gerade nicht unbedingt gut da: Zum Beispiel SM Entertainment, deren mannstärkstes Projekt die 25-köpfige Boyband NCT ist. Das Konzept dabei: Alle zusammen sind NCT, aber die Idols werden auf inzwischen sechs individuelle «Units» verteilt, die im Grunde wie eigenen Bands funktionieren.

Während NCT Dream gerade erfolgreich auf Welttournee sind, haben NCT U und NCT 127 ein Mitglied weniger: Das 30jährige Idol Taeil muss sich bald vor Gericht verantworten: Er und zwei andere Männer sollen im Juni dieses Jahres eine junge Frau erst sexuell belästigt und dann vergewaltigt haben.

Der offiziell verwendete, juristische Begriff lautet «quasi-rape», was bedeuten kann, dass die Frau entweder – z. B. mit einer Waffe – bedroht und zum Sex gezwungen wurde, oder sie aufgrund von z. B. Alkohol- oder Drogen-Einfluss unfähig war, sich zu wehren. Im Falle von Taeil und seinen zwei Mittätern war Letzteres der Fall.

Ende August musste Taeil zu einer ersten Anhörung, was die Berichterstattung über den Vorfall auslöste. Für Ärger sorgte auch die Tatsache, dass Taeil völlig unbehelligt am Tag drauf einen Livestream machte, wo er Musik hörte, mitsang und über seinen Haarschnitt redete.

Seine Produktionsfirma SM Entertainment feuerte ihn daraufhin und erklärte: «Wir haben vor kurzem erfahren, dass Taeil in einem Strafverfahren wegen eines Sexualdelikts angeklagt wurde. Bei der Bewertung der Fakten in dieser Angelegenheit haben wir den Ernst der Lage erkannt und beschlossen, dass Taeil seine Aktivitäten im Team nicht mehr fortsetzen kann.»

Riize und der unfaire Umgang mit Seunghan

Einen haben wir (leider noch): Die Boyband Riize, die auch bei SM Entertainment gesignt ist, steht im Mittelpunkt einer Geschichte, die man unter dem Stichwort «toxisches Fandom» zusammenfassen könnte.

Mitte Oktober schickten vermeintliche Fans der Band Riize Grabkränze mit dem Namen Seunghan an die Adresse von deren Produktionsfirma SM Entertainment. Ein geisterhaftes Bild, dass viele K-Pop-Fans wütend machte. Auf den Kränzen standen Sätze wie «RIIZE Is 6» (obwohl sie eigentlich mit Seunghan sieben sind) und «Seunghan Out».

Der Hintergrund dieses weirden Kapitels: Seunghans Mitgliedschaft wurde von Seiten der Produktionsfirma für einige Monate ausgesetzt, weil vermeintlich skandalöse Fotos aus seiner Vergangenheit aufgetaucht sind. Der «Skandal» darauf: Seunghan hatte als Jugendlicher, zu einer Zeit, als er noch nicht Trainee oder gar Idol war, eine Freundin. Und er hat geraucht.

SM Entertainment revidierte die Entscheidung später und erklärte, dass Seunghan ab November wieder aktiv dabei sei. Diese Meldung löste die Aktion mit den Grabkränzen aus, die initiiert wurde von einer Fangruppe, die sich zur «Riize is 6»-Bewegung zählt und es Seunghan anscheinend übel nimmt, dass er mal ein erfülltes Teenager-Leben hatte.

Die Konfliktlinien hier zeigen aber vor allem, wie gegensätzlich die K-Pop-Fangruppen sind: Vor allem Fans aus eher konservativ geprägten, asiatischen Ländern stehen auf der «Riize is 6»-Seite, während die europäischen und amerikanischen Fandoms empört sind und «Riize is 7» fordern.

Seunghan selbst beschloss am Ende, dass er keinen Bock mehr auf diesen Scheiss hat. Er formulierte es, wie es sich für einen Koreaner gehört, natürlich dezenter: Er sagte SM Entertainment, er wolle zum Wohle der übrigen Bandmitglieder und der Fans aus der Band aussteigen.

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