Sprengen New Jeans gerade den K-Pop?
Oder ist es eher umgekehrt? Um eine der sympathischsten, erfolgreichsten und besten Girlgroups Südkoreas tobt ein knallharter Business-Kampf. Das Besondere daran: Die fünf jungen Frauen von New Jeans legen sich dabei mit dem grössten Player an – ihrer eigenen Mutterfirma HYBE.
Am 11. September beschlossen die fünf Mitglieder der sehr jungen und sehr erfolgreichen K-Pop-Band New Jeans – Minji, Hanni, Danielle, Haerin und Hyein – auf einem eigens erstellten YouTube-Kanal live zu gehen, um ihren Frust loszuwerden. Weder ihre Label ADOR, noch die Firma, zu der ADOR gehört – HYBE Entertainment – wussten von diesem Move.
Das originale Video wurde schnell wieder gelöscht, aber da machten schon einzelne Szenen des Clips und die Aussagen der fünf munter die Runde im Internet. Inzwischen gibt es das halbstündige Video mit Untertiteln in voller Länge.
Worum geht’s hier eigentlich?
Die Member von New Jeans beziehen in diesem Video Position in einem Konflikt, der seit April schwelt und das K-Pop-Business an vielen Fronten nicht gut aussehen lässt. Die Grundzüge des Konflikts sind diese: New Jeans sind beim Label ADOR gesignt, ein Unterlabel des grössten Players im K-Pop: HYBE Entertainment, das dem BTS-Entdecker Bang Si-hyuk gehört, der nicht umsonst der erste und bisher einzige Milliardär im K-Pop-Business ist.
ADOR wurde von der CEO Min Hee-Jin gegründet, die zuvor bei der Konkurrenz von SM Entertainment arbeitete. Sie legte den Grundstein für die Karriere von New Jeans, stellte die finale Besetzung zusammen und sorgte für eine künstlerische Ausrichtung, die tatsächlich neue Akzente setzte. Der Musikjournalist und Podcaster Derrick Gee, der in Sachen K-Pop Ahnung und Meinung hat, legte das in diesem Podcast sehr gut dar:
HYBE vs. ADOR
Im April platzte dann die Bombe: HYBE ordnete eine Untersuchung an, weil es angeblich Bestrebungen bestimmter Personen gäbe, ADOR von HYBE abzuspalten. Der Name Min Hee-Jin fiel noch nicht explizit, aber Kenner:innen der Branche ahnten das richtige.
Min Hee-Jin preschte selbst voran und veröffentlichte ein Statement, in dem sie sagte, dass HYBE angeblich den Erfolg von New Jeans sabotieren wolle und für die neue HYBE-Band Illit Ideen und Konzepte geklaut hätte. HYBE habe «Make-up, Kostüme, Choreografie, Fotos, Videos und Auftritte bei Veranstaltungen» geradezu kopiert.
Der Konflikt lieferte schon da einen ersten bizarren Höhepunkt – die Pressekonferenz von Min Hee-Jin, die unter Tränen und mit einem Anwalt an der Seite, der ganz offensichtlich unter ihren Aussagen leidet, ihre Sicht der Dinge darlegt.
Die Rolle Min Hee-Jin
Seitdem tobte eine Art Schlammschlacht. Eltern der Member äusserten sich pro Min Hee-Jin, HYBE streute vermutlich Videomaterial an die Presse, das Min Hee-Jin nicht gut aussehen liess und deren Team wiederum zeigte Aufnahmen früher Rehearsals – also bevor, Min Hee-Jin aktiv wurde –, bei denen spätere New Jeans Member als Minderjährige stark sexualisierte Choreos tanzen mussten. Das passierte während ihrem Trainee-Programm bei Source Music – einem weiteren Unterlabel von HYBE.
Im Mai sah es dann kurz so aus, als könne Min Hee-Jin weitermachen. Das wurde auf einem Shareholder-Meeting beschlossen. Lediglich zwei ihre Assistent:innen mussten gehen. Noch am gleichen Tag gab Min Hee-Jin eine Pressekonferenz, in der sie sich kritisch zuversichtlich zeigte.
Der Frieden währte nicht lange: Source Music sah seinen Ruf geschädigt – wegen der geleakten Rehearsal Videos und anderer Aussagen – und verklagte Min Hee-Jin auf Schadensersatz. Im Zuge dessen wurde sie acht Stunden von der Polizei verhört.
Erzwungener Rücktritt und der Frust von New Jeans
Ende August wurde auf einem Board Meeting bekannt gegeben, dass Min Hee-Jin von ihrem Posten als CEO zurücktreten wird. Was nicht ihr Wunsch gewesen sei. Sie werde aber weiterhin New Jeans produzieren können. Darauf liess sie sich jedoch nicht ein und sprach von einem Trick von Seiten HYBEs, weil dieser Vertrag nur bis November gültig sein sollte.
Man merkt es schon: Von der Band selbst hörte man bis dahin im Konflikt wenig. Das änderte sich in diesem Monat, als die fünf beschlossen, ihre Sicht der Dinge zu teilen. Erst mit eher dezenten Postings, dann mit dem YouTube-Video. Und darin geht es zur Sache.
Hanni, die in Südkorea seit dem ersten Stadionkonzert von New Jeans fast wie eine junge Heldin verehrt wird, erzählt im Video von einer Begegnung im HYBE-Gebäude. Während sie auf die Maske gewartet habe, sei eine Band vorbeigegangen und deren Manager habe dieser Band gesagt: «Ignoriert sie». Später kam raus, dass diese Band Illit war – ein pikantes Detail, denn wir wissen ja an dieser Stelle bereits, wie es um Illit und New Jeans steht.
Danielle findet die härteste Worte für HYBE: «HYBE wirkt in all dem gerade wie eine unmenschliche Firma», sagt sie. Und weiter: «Was soll uns dieser Verhalten lehren?»
Ein Ultimatum und ein expliziter Wunsch
In dem Video äussern die Fünf auch klare Forderungen und verbinden sie mit einem Ultimatum, das in der kommenden Woche auslaufen wird. Minji, die älteste in der Band, sagt: «Wir hoffen, dass HYBE die weise Entscheidung trifft, Min Hee-Jin bis zum 25. September wieder als CEO von ADOR einzustellen.»
«Das ADOR, das wir wollen, ist ein ADOR, bei der die Musikproduktion und die Unternehmensführung von Min Hee-Jin als CEO übernommen werden. Wir stellen diesen Antrag, um ein friedliches Zusammenleben mit HYBE zu ermöglichen.»
Der Konflikt hat das Potential die Band oder das Business zu sprengen
Die Auseinandersetzung, die im Grunde ein knallhartes Ringen zwischen Machtpositionen ist, lässt das K-Pop-Geschäft mal wieder alles andere als gut aussehen. Die einzelnen Kapitel, Livestreams und Pressekonferenzen haben eine desaströse Aussenwirkung – was den K-Pop-Bossen, die gerade in den letzten Jahren auf internationale Kooperationen und Gelder setzten, nicht gefallen dürfte.
Gleichzeitig haben die so vermeintlich süssen New Jeans Member einen ziemlich mutigen Power Move gemacht. In all dem Streit sollten nämlich bitte alle mal nicht vergessen, dass sie zwar von HYBE und ADOR ausgebildet wurden, der Erfolg aber auf den Stimmen, dem Charisma und dem Talent der fünf beruht, mit dem sie auf der ganzen Welt viele Herzen erobern konnte.
Diese Erkenntnis sollte auch für Min Hee-Jin gelten, die zwar bei New Jeans und auch den Eltern der Member eine Vertrauensposition hat, augenscheinlich aber auch eine undurchsichtige und sehr auf den eigenen Erfolg bedachte Strategie fährt.
Und damit sind wir dann bei der vorerst letzten Volte des ADOR-HBYE-Battles: Der BTS-Star Jungkook gab über seine Kanäle diverse Statements ab und stellte sich auf die Seite der Fünf: «Artists are not guilty» postete er – mit fünf farbigen Herzen, die für die einzelnen Member stehen. Aber er hatte auch eine Botschaft an Min Hee-Jin, die nach eigener Aussage nichts mit dem New Jeans Video zu tun hatte: «Don’t use them.» Das klingt wie eine Warnung.