Spencer Elden vs. Nirvana: Nächste Runde vor Gericht?
Eigentlich galt der Gerichtsstreit zwischen dem «Nevermind»-Cover-Baby Spencer Elden gegen Nirvana seit 2022 als geklärt. Elden habe mit seiner Klage zu lange gewartet, hiess es. Nun entschied jedoch ein amerikanisches Berufungsgericht: Eine Klage Eldens ist rechtens – wenn es sich bei dem Bild um Kinderpornografie handele.
Noch zum 25. Jubiläum des Nirvana-Albums «Nevermind» im Jahr 2016 posierte Spencer Elden für die konservative Boulevard-Zeitung «New York Post» mit dem Cover, das Rockgeschichte schrieb, am Pool in Los Angeles, in dem es entstand. Man sieht auf «Nevermind» den vier Monate alten Spencer. Nackt. Wie er anscheinend einem Geldschein an einem Angelhaken hinterherschwimmt. Fotografiert wurde Elden 1992 von Kirk Weddle, einem Spezialisten für Unterwasser-Aufnahmen. Angeblich soll er damals gerufen haben: «OK, throw the baby in the pool now.» Was viele Fans als Statement der Band gegen die geldgierige Musikindustrie interpretierten, war laut des damaligen Art Directors Robert Fisher von Geffen Records allerdings eher von einer Dokumentation über Wassergeburten inspiriert, die Kurt Cobain gesehen hatte. «Er dachte, das Foto einer Wassergeburt sei ein gutes Cover. Da dieses Motiv aber zu explizit gewesen wäre, hat man sich für ein schwimmendes Baby entschieden.»
Der Preis des Fotos: 250 Dollar und eine Platin-Schallplatte
Spencer Elden war jedoch nicht das einzige Coverbaby. Nach einem Casting entschied sich Fotograf Kirk Weddle schliesslich für vier potentielle Kandidaten. Dem Magazin «Entertainment Weekly» sagt Weddle später: «Du brauchst für so was eine Menge Kids, weil du dich nie drauf verlassen kannst, dass sie tun, was du von ihnen willst.» Während die Fotos entstanden, warteten die Eltern am Rand des Pools. Spencer wurde von seinem Vater Rick Elden gebracht. Der Angelhaken mit dem Geldschein wurde später auf Wunsch von Cobain in das Motiv eingefügt. Für das Foto bekamen die Eldens 250 Dollar – und später eine Platin-Schallplatte, als «Nevermind»-Triple-Platin-Status erreicht hatte. Spencer Elden stellte auch beim 10. Jubiläum 2001, beim 17. in 2008 und beim 20. in 2011 ein ERinnerungs-Foto – mal sprang er, diesmal mit Badehose, in den Pool, mal posierte er mit Cover davor. 2003 sagte er dem amerikanischen Rolling Stone: «Alle fünf Jahre oder so ruft jemand an und fragt nach ‘Nevermind’ – und ich kann vielleicht ein bisschen Geld damit verdienen.» Auch in diversen Talkshows trat er auf und erzählte, lange Zeit nicht ohne Stolz, dass er das Nirvana-Baby sei.
Klage im Jahr des 30. Jubiläums
2021, im Jahr des 30. Jubiläums, sah die Sache dann ganz anders aus. In diesem Jahr reichte Spencer Elden Klage gegen Nirvana ein – bzw. gegen insgesamt zehn Personen aus der Band und dem Umfeld, darunter der Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl und Bassist Krist Novoselic, ausserdem die Witwe des Sängers Kurt Cobain, und auch der Fotograf, Kirk Weddle. Elden verlangte mindestens 150.000 Dollar Schadensersatz pro Beklagtem. Das Bild auf dem Cover sei Kinderpornografie. Es verstosse aufgrund sexueller Ausbeutung gegen US-Gesetze. Die millionenfache Vervielfältigung des Bildes, auf dem sein Penis zu erkennen sei, habe ihm «dauerhaften Schaden» zugefügt und jede weitere Wiederveröffentlichung – wie die 2021 veröffentlichte, üppige Jubiläums-Edition zum 30. – sei eine «neue persönliche Verletzung».
Das Bezirksgericht in Los Angeles schmetterte die Klage nach einigem Gezerre schliesslich ab. Die Erklärung lautete: Spencer Elden haben zu lange mit der Klage gewartet. Er habe schliesslich schon viele Jahre von diesem vermeintlichen Verstoss gewusst, ohne juristische Schritte einzuleiten. Ausserdem habe er immer wieder damit Geld verdient.
Eine Klage wäre rechtmäßig, wenn ...
Elden ging daraufhin in Berufung – und bekam kurz vor Weihnachten überraschend recht. Die Richter des zuständigen Berufungsgerichts befanden, die Klage sei rechtmässig und tatsächlich jede neue Veröffentlichung – also auch das Cover zum 30. Jubiläum – eine neue persönliche Verletzung. Damit geht die Klage wieder zurück zur vorherigen Instanz, wo sie neu verhandelt bzw. eingereicht werden kann. Allerdings stellte das Berufungsgericht klar: «Die Frage, ob das ‘Nevermind’-Album-Cover, die Definitionskriterien von Kinderpornografie erfüllt, war nicht Teil der eingereichten Berufung.» Was bedeutet: Um von den Nirvana-Mitgliedern Geld zu bekommen, müssen Elden und seine Anwälte belegen, dass das Cover Kinderpornografie sei.
Wie es nun weitergeht, steht bisher noch nicht fest. Spencer Elden und seine Anwälte haben sich noch nicht zu weiteren Schritten geäussert. Bert H. Deixler, einer der Nirvana-Anwälte, sprach von einem «verfahrungstechnischen Rückschritt» und sagte weiter: «Wir werden diesen völlig unbegründeten Fall mit Nachdruck verteidigen und gehen davon aus, dass wir ihn gewinnen werden.»