Veröffentlicht am 29. Dezember 2023

Die besten Musikbücher 2023: Von #freebritney bis Black Metal

In diesen Romanen und Sachbüchern war 2023 Musik drin – und ausserdem: Black-Metal-Hexen, eine endlich freie Britney, Fussball-Hymnen, K-Pop-Fabelwesen, David Bowie in Warschau, Zen-Produzenten und surreal-abgründige K-Pop-Romane.

Journalist
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«Gott Hassen» von Jenny Hval

Die norwegische Sängerin und Songwriterin Jenny Hval veröffentlicht nicht nur abgründig-schöne Alben wie «Blood Bitch» (2016) und «Classic Objects» (2022), sie ist auch eine faszinierende Autorin. In «Gott Hassen» geht es um eine Gruppe junger Frauen, die im spiessigen Norwegen ständig anecken und ihr Heil im Black-Metal finden. Dabei mischt Hval sehr informative Parts über die Geschichte des Black Metal, mit surrealistischen Horror-Elementen, Female-Rage-Monologen und Coming-of-Age-Elementen.

«The Woman In Me» von Britney Spears

Die Autobiografie von Britney Spears wurde natürlich ein Bestseller – und lieferte den Klatschblättern und Musikmagazin spannendes Lesefutter. Obwohl sich viele auf die neuen Erkenntnisse über Justin Timberlake stürzten, wird es eigentlich spannender und emotionaler, wenn man liest, wie Britney merkt, dass sie ausgenutzt wird, die Möglichkeiten sich zu wehren, ihr aber genommen wurden. «Die Frau in mir wurde lange unterdrückt», schreibt Britney zum Beispiel über die 13 Jahre, in denen sie völlig entmündigt lebte, während ihr Vater als Vormund die Regeln vorgab. «Sie verlangten von mir, mich auf der Bühne möglichst wild zu geben und mich den Rest der Zeit wie ein Roboter zu verhalten.» Als #freebritney 2021 endlich Realität wurde, heisst es: «Jetzt, endlich, erwache ich mit aller Macht wieder zum Leben.»

«Die Frau mit dem Arm» von Andreas Dorau und Sven Regener

Sven Regener kennt man natürlich als Sänger, Texter und Trompeter der Band Element of Crime. Und man kennt ihn als Bestseller-Autor. Romane wie «Herr Lehmann» und zuletzt «Glitterschnitter» haben bei vielen fast schon Kultstatus. Andreas Dorau wiederum ist eine der spannendsten Figuren der deutschen Pop-Historie. Seinen ersten Hit «Fred vom Jupiter» landete er bereits 1981 – da war er 15 Jahre alt. Die beiden sind seit Jahrzehnten befreundet und Regener fand schon immer, dass Andreas Dorau Geschichten erlebt hat, die man sich nicht besser ausdenken kann – also schreibt er sie für ihn auf. 2015 erschien bereits das gemeinsame Buch «Ärger mit der Unsterblichkeit», wo Andreas aus seinem Leben bis zum Jahr 2000 erzählt. Nun geht es weiter in «Die Frau mit dem Arm» und Andreas Dorau nimmt uns mit auf seinem sehr speziellen Weg durch die deutsche Musiklandschaft.

«Bowie in Warschau» von Dorota Masłowska

Dorota Masłowska neuer, von Olaf Kühl ins Deutsche übersetzter Roman hält erstmal was der Titel verspricht: «Bowie in Warschau» beginnt im Zug von Moskau nach Berlin, der auch in Warschau stoppt. Wo er aus technischen Gründen für 40 Minuten halten muss. Es ist 1973. Frühling. David Bowie machte diese Reise tatsächlich – und er stieg wirklich in Warschau aus, obwohl er bis dahin nur wenig über Polen wusste. Das düstere, überwiegend instrumentale Stück «Warszwawa» von seinem 1977 veröffentlichten Album «Low» wurde von dieser Reise inspiriert. Dorota Maslowska wiederum wurde ebenfalls von diesem Stopp inspiriert: Sie erzählt um Bowies spontanen Warschau-Besuch herum mit pechschwarzem Humor von gescheiterten und sehr lustigen Existenzen im damals noch sozialistischen Polen.

«kreativ. Die Kunst zu sein» von Rick Rubin

Anfang des Jahres machte ein Interview mit dem Starproduzent Rick Rubin (Johnny Cash, Adele, Run-DMC, Jay-Z, U2 u. a. ) die Runde, in dem er zum Journalisten Ian Cooper sagte: «Nein. Ich habe keine technischen Fähigkeiten. Ich weiss nichts über Musik.» Cooper entgegnet darauf: «Na ja, irgendwas müssen Sie doch wissen.» «Ich weiss, was ich mag und was ich nicht mag. Und ich bin da in dieser Frage sehr deutlich.» «Und wofür werden Sie dann bezahlt?» «Für das Selbstbewusstsein, das ich mit Blick auf meinen Geschmack habe und für meine Fähigkeit, Künstler:innen Dinge zu sagen, die ihnen augenscheinlich geholfen haben.» Dieser Dialog zeigt recht deutlich, wie Rubin denkt und arbeitet und es ist diese Attitüde, bzw. diese verinnerlichte, Zen-artige Weisheit, die er auch in seinem Buch vermitteln will. Man lernt also eher, wie man die eigene Kreativität kitzeln kann, anstatt, dass man erfährt, wie Rubin es schaffte, all diese grossen Alben zu produzieren – aber vermutlich ist genau das der Grund, warum dieses Buch ein Bestseller wurde.

«You’ll Never Sing Alone: Wie Musik in den Fussball kam» von Gunnar Leue

Der deutsche Ventil Verlag ist immer eine gute Adresse für originelle Bücher über Musik und Popkultur. In diesem Buch spürt der Sport- und Kulturjournalist Gunnar Leue der Verbindung von Musik und Fussball nach, erzählt wie aus Schreien, Jubel und Pfiffen Fangesänge wurden, wie Vereinslieder entstanden und wie es Popsongs schafften, zu Stadiongesängen zu werden. Für das amüsante Vorwort ist übrigens Thees Uhlmann zuständig, was sehr gut passt, da der deutsche Indie-Musiker, Sänger und Bestseller-Autor immer schon die Liebe zum Fussball in seine Lieder fliessen liess.

«Y/N» von Esther Yi

In diesem Jahr erreichten gleich zwei Romane über koreanischen und japanischen Pop die Bestseller-Listen. «Idol in Flammen» von Rin Usami wurde fast in allen Feuilletons besprochen, ist aber im Vergleich zu Esther Yis «Y/N» das bedeutend schwächere Buch. Der Titel spricht sich dabei übrigens «Your Name», da die Abkürzung «Y/N» aus der Welt der Fan-Fiction stammt und da benutzt wird, wenn die Lesenden ihren eigenen Namen in den Satz und die Story denken sollen. Die Ich-Erzählerin von Yis Roman geht eines Abens eher widerwillig mit einer Freundin zum Konzert einer K-Pop-Band und verliebt sich schlagartig in ein Bandmitglied namens Moon.Wenn ihr jetzt aber denkt, Esther Yi hat bloss einen Roman über das Fantum im K-Pop geschrieben, der irrt gewaltig. Das Setting mag vertraut klingen und an Fans von BTS, Blackpink oder Stray Kids erinnern, aber sie dreht die Story von Anfang an ins Abgründige, Surreale und manchmal sehr komische. Esther Yi macht das jedoch nicht auf Kosten der K-Pop-Fans, sondern nutzt diese intensive Verbindung zwischen Fan und Idol als Spielwiese für ihre Fantasie. Denn auch das ist es, was K-Pop oder K-Pop-Fan-Fiction ausmacht: Sie wird von der Fantasie der Fans belebt, die bunt, queer, lustig, fanatisch, abgründig und manchmal ziemlich raunchy werden kann.

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