Das sind (für uns) die zehn besten Songs des Jahres 2023!
Nach den Alben des Jahres kommen nun die Redaktions-Favoriten in Sachen Songs. Auch hier ist alles dabei: knalliger K-Pop, schweizerdeutsche Balladen, Riot-Grrl-Punk, Pop-Queens und Indie-Held:innen.
Billie Eilish – «What Was I Made For»
Ein Hinweis vorweg: Wir haben in dieser Liste auf Songs verzichtet, die auf unseren Alben des Jahres zu finden sind (hier geht’s zur Liste), damit wir ein wenig mehr Platz für tolle andere Acts haben. Los geht’s mit Billie Eilish und Barbie – denn natürlich stand das Popjahr 2023 im Schatten der Plastikpuppe, die dank Billie und Regisseurin Greta Gerwig auf einmal sogar feministische Inspiration liefern kann. Diese wundervolle Ballade ist zwar ziemlich mellow, aber sie sprach Millionen jungen und alten Menschen aus der Seele. «Takin' a drive, I was an ideal / Looked so alive, turns out I'm not real / Just something you paid for / What was I made for?» Diese darken Zeilen in einem quietsch-pinken Film unterzubringen – geht’s noch subversiver?
Jung Kook – «Standing Next To You»
K-Pop zum ersten: 2023 war auch das Jahr, in dem die BTS-Mitglieder flügge werden mussten, um ihre Solokarrieren anzugehen. Oder aber ihren Dienst bei der koreanischen Armee antreten – was der Grund ist, warum die Band gerade pausiert. Der nach Meinung vieler Fans schönste der BTS-Boys Jung Kook hatte dabei den kommerziell erfolgreichsten Aufschlag. Kein Wunder: Er setzte vor allem auf international produzierte, englischsprachige Pop-Banger, die seinen Charme und seine Dance-Skills in den Mittelpunk stellten. «Standing Next To You» ist so einer.
CARR – «Spiral City»
Pop-Punk und lärmig-melodischer Indie sind wieder zurück: Das ist auch Musikerinnen wie CARR zu verdanken, die einmal sagte, sie sei musikalisch von Avril Lavigne und The All-American Rejects grossgezogen worden. Das trifft ihren Sound tatsächlich ganz gut. CARR ist ausserdem beim Label DCD2 Records unter Vertrag, das Fall-Out-Boy-Sänger Pete Wentz und und Spencer Smith von Panic! At The Disco gehört. Auch irgendwie passend. «Spiral City» war der Song, der uns am meisten überzeugte: Knurrig, melodisch, rotzig, sweet, punkig und einfach höllisch catchy.
Kevin Morby – «Kingdom Of Broken Hearts»
Der amerikanische Songwriter Kevin Morby veröffentlicht seit Jahren eindringliche Alben und Songs, die ganz in der Tradition der grossen amerikanischen Singer und Songwriter stehen. Im Mai erschien «More Photographs (A Continuum)», eine Art Nachtrag zu seinem 2022er-Album «This Is A Photograph». Das letzte Stück zog uns schon beim ersten Hören die Schuhe aus: Es beginnt ganz klassisch, mit Morbys sehr behutsamem Gitarrenspiel und viel Melancholie, wird dann plötzlich lässig-groovend, holt Chor und üppige Streicher dazu und wird am Ende noch einmal zur Pianoballade.
New Jeans – «Super Shy»
K-Pop zum Zweiten: Seit zwei Jahren mischen fünf sehr junge Frauen zwischen 14 und Anfang 20 die K-Pop-Welt auf. Wobei man eigentlich sagen muss: New Jeans haben die zwar sehr grosse, aber oft unter sich bleibende K-Pop-Bubble längst hinter sich gelassen und begeistern Pop-Fans ebenso wie Indie-Nasen. Was daran liegen könnte, dass sie visuell und musikalisch auf Kreativ-Partner:innen setzen, die aus diesen Genres stammen. Die charmantesten Hits von ihnen in diesem Jahr wurden zum Beispiel massgeblich von der Sängerin und Songwriterin Erika de Casier geschrieben, die sonst eher ein sehr geschmackvoller Geheimtipp war. So auch «Super Shy»: ein nervös trippelnder, wie Drum’n’Bass auf Zuckerwatte klingender Charmeur von einem Song, den man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt.
Puple Disco Machine & Kungs – «Substitution»
Wir bleiben im tanzbaren Teil dieser Liste: Dass der deutsche Produzent Tino Piontek alias Purple Disco Machine die Leute zum Tanzen bringen kann, weiss man ja inzwischen. Für «Substitution» hat er sich mit dem französischen Kollegen Kungs verbündet und einen Hit rausgehauen, der zugleich die Adern der Electro- und Disco-Historie anzapft und einen eigenen, modernen Twist hat.
The National – «New Order T-Shirt»
Matt Berninger und seine Band voller Zwillinge (von denen einer inzwischen hin und wieder mal Taylor Swift produziert) hatten ein extrem produktives Jahr: Vier Jahre nach «I Am Easy To Find», diversen Soloprojekten und Aaron Dessners Arbeit an «Folklore» und «Evermore» von Taylor Swift veröffentlichten The National mit «First Two Pages of Frankenstein» und «Laugh Track» gleich zwei starke Alben und spielten einige der besten Konzerte ihrer Karriere. Mit «New Order T-Shirt» ist ihnen eines der schönsten Liebeslieder des Jahres gelungen. Matt Berninger erinnert sich an die Liebe seines Lebens und ruft die Bilder und Erinnerungen auf, die sich in sein Herz einbrannten. Diese hier zum Beispiel: «I keep what I can of you / Split-second glimpses and snapshots and sounds / You in my New Order t-shirt / Holdin' a cat and a glass of beer / I flicker through / I carry them with me like drugs in a pocket / You in a Kentucky aquarium / Talkin' to a shark in a corner.»
Dua Lipa – «Houdini»
Wir werden noch einmal tanzbar: Dua Lipa war auch in diesem Jahr effektiv wie nie. Eigentlich veröffentlichte sie nur zwei Lieder – und trotzdem redeten alle über sie. Mit «Dance The Night» eröffnete sie den Hype um «Barbie» und den grandiosen Soundtrack, mit «Houdini» befeuerte sie die Vorfreude auf ihr neues Album, das im kommenden Jahr erscheinen wird. «Houdini» ist ein fantastischer Dance-Popsong über ihre Angewohnheit, Verehrer ruckzuck zu ghosten, wenn sie sich nicht für sie ins Zeug legen. An der treibenden, schillernden Produktion war unter anderem Tame-Impala-Mastermind Kevin Parker beteiligt.
Mannequin Pussy – «I Got Heaven»
Werden wir kurz vor Schluss noch mal ein wenig härter: Die amerikanische Band Mannequin Pussy wird nicht zu Unrecht gerade heiss gehandelt – fast ein wenig spät, wenn man bedenkt, dass ihr Debüt schon 2014 kam und sie seit 2010 Musik machen. Live sind sie eine Erscheinung, ihre wilde Energie zügeln sie nur so halb in Songs wie «I Got Heaven», die zwischen Punk, Grunge und Indie-Pop changieren. Auch bei den schrei-freudigen Parts lohnt sich aber das genaue Hinhören, denn Marisa Dabice haut dann schon mal Zeilen wie diese raus: «And what if Jesus himself ate my fucking snatch? / And what if I'm an angel? / Oh, what if I'm a bore? / And what if I was confident / Would you just hate me more?»
Steiner & Madlaina – «Ich blibe und du gahsch»
Es hat inzwischen Tradition, dass Steiner & Madlaina auf ihren Alben stets einen schweizerdeutschen Song unterbringen. Auf «Risiko» war das die wundervolle Trauer-Bewältigungs-Ballade «Ich blibe und du gahsch», die uns fast zum Heulen brachte, vor allem, in dem Moment, wenn der ruhige Americana-inspirierte Part auf einmal laut wird. Madlaina erzählte einem unseren Autoren über den Song: «Madlaina erklärt: «Es geht ums Abschiednehmen. Aber nicht von der Liebe. Vom Leben, also von einer Person, die gestorben ist. Da sind wir wieder bei der Religion: Wenn man nicht religiös ist, ist es viel schwieriger, damit umzugehen. Man hat keine einfachen Antworten auf seine Fragen. Man ist erstmal aufgeschmissen. Mir haben dann alle gesagt: ‚Such dir was, das für dich stimmt.‘ Erst fand ich das nicht wirklich hilfreich, aber dann kam ich doch auf ein Bild, das mir Halt gegeben hat. Man sagt ja immer, dass die verstorbene Person ‚von uns gegangen’ ist und so. Ich habe das für mich umgedreht. Denn die Person, die stirbt, die bleibt ja für immer so, wie sie war am Ende. Wir sind also die, die weitergehen. Ich weiss nicht wieso, aber dieser Gedanke hat mir den Trost gegeben, den ich brauchte.»