Veröffentlicht am 16. Dezember 2023

Top 5: Die seltsamen Paarungen des Popjahres 2023

Ein Komiker-Urgestein mit einem Skibrillen-Rapper und einem ESC-Teilnehmer? Eine Rap-Legende und eine Maya-Flöte? Ein Deutschrock-Dinosaurier und der meistgestreamte Rapper Deutschlands? Eine Schlager-Queen und eine Barbie-Rapperin? Barbie und die beliebteste Indie-Regisseurin der USA? Diese weirden und sehr erfolgreichen Paarungen im Jahr 2023 haben wir ehrlich gesagt nicht kommen sehen …

Journalist
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1. Joost, Ski Aggu & Otto Waalkes – «Friesenjung»

Selbst K-Pop-Idols tanzten am Ende auf TikTok und in den Strassen Seouls zum überdrehten Gabba-Groove von «Friesenjung»: ein Lied, von dem wohl niemand geglaubt hätte, dass man es brauchte. Und trotzdem: Es macht eine Heidenspass zu sehen, wie der schon recht betagte deutsche Komiker Otto hier von zwei jungen Wilden zu neuem Leben erweckt wird. Die Idee dazu stammt übrigens von Joost Klein – einem niederländischen Rapper und Musiker, der tatsächlich aus dem holländischen Friesenland stammt. Er ist mit dem Berliner Shooting-Star Ski Aggu befreundet und nahm mit ihm den Song auf. Bei der Live-Premiere vor einer riesigen Crowd filmten sich die beiden und riefen «Bitte Otto, bitte!» mit ihrem Publikum, damit dieser die Rechte für das hochgepitchte Sample freigeben würde. Das übrigens aus Ottos Verarsche von Stings «Englishman in New York» stammt. Vermutlich gab es da schon offizielle Kontakte zu Otto und seinem Management, denn der nutzte den Hype gleich mal, um sehr elegant seinen eigenen TikTok-Kanal zu launchen. Joost konnte den Wirbel übrigens auch sehr gut nutzen: Er machte Stimmung dafür, dass die Niederlande ihn doch bitte zum nächsten ESC schicken sollten – und genau das wird 2024 nun passieren.

2. Helene Fischer und Shirin David – «Atemlos durch die Nacht»

Diese Paarung wiederum macht auf den ersten Blick total Sinn: Helene Fischer ist der grösste Musikstar Deutschlands, Shirin David wird das vermutlich in fünf Jahren sein, falls Helene mal etwas kürzer treten will. Helene holte Shirin an Bord für eine Jubiläums-Neuauflage ihres Hits «Atemlos». Nach einem kurzen Sprint auf Platz 1 der Charts stürzte der Song in der Folgewoche aber recht schnell wieder ab – was vermutlich daran liegt, dass Helene-Fans wohl nicht so schnell zu Shirin-Fans werden und umgekehrt. Ihre ikonischsten Momente hatten Helene und Shirin dann übrigens weder im Studio, noch auf der Bühne bei «Wetten, dass…?», wo sie den Song performten, sondern auf dem berüchtigten Sofa der grossen deutschen TV-Show, die noch ein letztes Mal mit Thomas Gottschalk stattfand. Der bekam von den beiden mal eben eine Lehrstunde in Sachen Feminismus und sah neben diesen beiden Über-Frauen noch älter aus, als er eh schon ist.

3. André 3000 und seine Flöte – «New Blue Sun»

Er gilt als einer der spannendsten Rapper der letzten Jahrzehnte, er war Teil des Duos Outkast und er bescherte uns Klassiker wie «Ms. Jackson». Deshalb war die Freude gross, als es hiess, dass André 3000 zum ersten Mal seit 17 (!) Jahren ein Album veröffentlichen werde. Der Haken, oder das Faszinierende, an der Sache: Es ist ein Instrumental-Album, auf dem überwiegend André und seine Maya-Doppelflöte zu hören sind. Obwohl man den acht Songs anhört, dass er die Sache todernst meint, erlaubte er sich zumindest bei den Titeln einen Spass und liess seine einst so brillante Wortkunst kurz aufblitzen. So heisst der Opener zum Beispiel: «I swear, I Really Wanted To Make A ‘Rap’ Album But This Is Literally The Way The Wind Blew Me This Time». Der Weg zur Flöte führte André übrigens über den Jazz: Er liebt John Coltrane, versuchte sich deshalb am Saxofon, lernte dann, dass Coltrane zuerst Bass-Klarinette gespielt hatte, versuchte sich daran – und landete schliesslich bei einer Doppelflöte, die der Maya-Kultur entstammt. «Der Klang dieses Holzblasinstruments hatte etwas Weicheres und Geschmeidigeres», sagte er der britischen Zeitung «The Guardian»: «Es fühlte sich für mich einfach richtig an.»

4. Udo Lindenberg & Apache 207 – «Komet»

«Komet» ist einer der kommerziell erfolgreichsten Songs im deutschsprachigen Raum in diesem Jahr. Und auch hier haben wir eine Kombination, die wir uns Ende letzten Jahres beim besten Willen nicht hätten ausdenken können. Udo Lindenberg croon-näselt hier mit niemand geringerem als Apache 207 – einem der meistgestreamten Rapper aus Deutschland. Schon diese Kombi ist erstaunlich: Noch erstaunlicher ist allerdings, dass die Chose tatsächlich künstlerisch aufgeht und auch Apache 207 auf einmal zum ganz soliden Sänger wird. Zustande kam das alles, nachdem Udo Lindenberg Apache nach seinem Konzert in Mannheim kennengelernt hatte und gleich begeistert war. Trotzdem hatte wohl niemand mit diesem immensen Erfolg gerechnet, der hier zwei Generationen von Musikern und Fans verbindet. Allein in Deutschland war «Komet» seit dem Erscheinen ohne Unterbrechung 30 Wochen auf einem der ersten beiden Plätze der deutschen Single-Charts. In der Chartwoche vom 21. Juli 2023 überholte «Komet» mit 18 Wochen «Rivers of Babylon» (Boney M.) und «Despacito» (Luis Fonsi feat. Daddy Yankee) als am häufigsten auf Rang 1 platzierte Lieder seit Einführung der wöchentlichen Singlecharts 1971. «Komet» war ausserdem das meistgespielte deutschsprachige Video bei YouTube und hielt sich insgesamt 42 Wochen in den Top 10.

5. Greta Gerwig und «Barbie»

Das Pop-Ereignis des Jahres hatte zwar auch viel mit Musik zu tun, begann aber nicht auf der Bühne sondern im Kino. Als schon im letzten Jahr bekannt wurde, dass die vor allem bei Indie-Film-Fans verehrte Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Greta Gerwig die ikonische, aber für junge Feminist:innen problematische Barbie-Puppe auf die Leinwand bringen sollte, klang das eher nach der Pointe eines Gags als nach einer guten Idee. Später kam raus: Diese Idee war goldrichtig. Mit Margot Robbie als Haupt-Barbie, Ryan Gosling als Beach-Ken und ihrem Mann Noah Baumbach als Co-Autor lieferte Greta Gerwig einen provozierenden, erhellenden, subversiven, wahnsinnig lustigen Take – mit einem perfekten Soundtrack.

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Freedom Call + Axxis
06/09/2024 - 06/09/2024
1 Event

Freedom Call + Axxis

HAPPY METAL PARTY

Freedom Call feiern mit uns ein Vierteljahrhundert Happy Metal. Die Gute-Laune-Rocker präsentieren dabei mit „Silver Romance“ (Release: 10. Mai 24) ein Album mit dreizehn brandneuen Tracks. Als Special Guest sind die legendären Hardrocker Axxis am Start, die auf dieser Tour – ebenfalls mit neuen Songs im Gepäck – ihr 35-Jahr-Jubiläum zelebrieren.

Wenn es eine Band geschafft hat, mit guter Laune in Verbindung gebracht zu werden, dann die 1998 in Nürnberg aus der Taufe gehobene Formation Freedom Call. Die Musiker bezeichnen ihr Schaffen selbst als „Happy Metal“ und wer die Band auf der Bühne sieht, muss sich einfach von ihrem Frohsinn anstecken lassen. Freedom Call haben elf Studioalben, drei eindringliche Live-Scheiben und ein Compilations-Album veröffentlicht und sind seit jeher auf den Bühnen der Welt allgegenwärtig. Sie waren nicht nur als Anheizer für Saxon, Edguy, Dragonforce, Blind Guardian und Hammerfall, sondern auch auf unzähligen Headliner-Touren unterwegs. Freedom Call spielten auf allen grossen Festivals von Wacken über Sweden Rock, Masters Of Rock, Barcelona Rock Fest, Hellfest, Graspop und Summer Breeze bis zur prestigeträchtigen „70’000 Tons Of Metal“-Cruise. Und nun zieht die „Happiest Metal Band In The World" in die nächste glorreiche Schlacht. „Silver Romance“ heisst das im Mai 2024 erscheinende neue Album. Ein Titel, der perfekt zum 25-Jahr-Jubiläum der Band passt. Von Sänger/Gitarrist und Bandgründer Chris Bay scherzhaft als „unser Silberhochzeitstag“ bezeichnet, passt der Name auch perfekt zum Inhalt des jüngsten Werks: „Dem Edelmetall Silber werden Eigenschaften wie Klarheit, Freiheit und Leichtigkeit zugeschrieben“, sagt Bay und fährt fort: „Silber soll auch das Selbstbewusstsein und die Vorstellungskraft stärken. Das sind alles Features, die zu Freedom Call passen und die wir sowohl musikalisch als auch textlich in unser neues Material integriert haben.“ Chris Bay und seine Bandkollegen Lars Rettkowitz (Gitarre), Francesco Ferraro (Bass) und Rückkehrer Ramy Ali (Schlagzeug) haben dreizehn neue Tracks eingespielt und präsentieren mit „Silver Romance“ das abwechslungsreichste und farbenfrohste Album in der bisherigen Bandgeschichte.
FABER
06/09/2024 - 15/09/2024
4 Veranstaltungen

FABER

Faber – «Addio Live 2024»

Pünktlich zum Release seines nächsten Albums «Addio» am 07. Juni 2024 spielt Faber ab Sommer nächsten Jahres Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für das Frühjahr 2024 hat der Schweizer bereits eine Releasetour zum Album angekündigt, die ihn in für seine Verhältnisse kleinere Clubs und intimere Settings führt – die Sommer-Konzerte sind die erste Möglichkeit, die neuen Songs live zu erleben.

Seit seiner ersten EP «Alles Gute» geht der Schweizer Songwriter Faber in seiner Karriere durch Wände, als wären sie Türen. Er schreibt pointierte Texte, die gleichzeitig zum klügsten und polarisierendsten gehören, was es aktuell zu hören gibt. Das führt Faber zu ausverkauften Tourneen und Headlinerslots auf geschmackssicheren Festivals – der Künstler wird von Kritik und Fans gleichermassen gefeiert. Nach der Debut-EP erscheinen zwei herausragende Alben, «Sei ein Faber im Wind» (2017), «I fucking love my life» (2019) und mit «Orpheum» ein Livealbum im Spätsommer 2022. Auf letzterem ist deutlich zu hören: Faber-Konzerte sind mitreissend, elegant und unverkopft anspruchsvoll und mithin das Beste, was man in deutscher Sprache (und nicht nur das, Faber singt bisweilen auch italienisch, französisch oder schweizerdeutsch) live sehen kann.
Auf «Addio» wird Faber sich lossagen von messbar gemachter Kunst, von Musik, die nicht mehr nur für sich selbst stehen darf, sondern unmittelbar spiegelt, wie massenkompatibel sie ist. Er hat Songs geschrieben, die nicht funktionieren müssen, aber es trotzdem tun. Songs, die gereift sind, die sich nun aufmachen, um auch im Konzert zu zeigen, was in ihnen steckt. Kurzum: Faber hat seine Gedanken frei gemacht.

Die Addio Live 2024 Konzerte des nächsten Jahres sind nach der Addio-Releasetour im Frühjahr 2024 die erste Möglichkeit, um die Songs des neuen Albums live zu erleben. Begleitet wird er von einer erstmals erweiterten Band, bestehend aus Tillmann Ostendarp (Schlagzeug, Posaune), Janos Mijnssen (Bass, Cello), Goran Koč (Keys), Max Kämmerling (Gitarre, Perkussion), Gina Été (Gesang, Viola), Hannah Adriana Müller (Gesang, Violine), Dino Brandao (Gesang, Gitarre, Perkussion) und Mel D (Gesang, Gitarre).

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