Veröffentlicht am 04. Juli 2024

Warum kann ich immer noch «Bed Of Roses» von Bon Jovi mitsingen?

Wenn man ein verhasstes oder geliebtes Lied aus der Vergangenheit nach Jahren zum ersten Mal wieder hört, kann man es oft noch komplett mitsingen. Woran das liegt, erklärte die britische Professorin Kelly Jakubowski kürzlich der Zeitung «The Independent».

Journalist
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Ich hasse Bon Jovi. Sorry, jetzt ist es raus. Hass ist natürlich ein zu grosses und böses Wort. Aber in den Neunzigern, als alle Radiosender Europas und mein als musikverirrt empfundener grosser Bruder ständig die Schmonzette «Bed Of Roses» spielten, hasste ich Lied und Künstler wirklich ein bisschen.

Zu hart für Bon Jovi

Ich war ja schliesslich ein Metaller, der versuchte mit Shirts und Songs von Fear Factory, Pantera, Napalm Death und Sepultura von seinem weichen Babyface abzulenken. Trotzdem brauchte ich nur diese breitbeinig jaulende Gitarre zu Beginn hören und mein Gehirn sang mit: «Sitting here wasted and wounded / With this old piano / Trying hard to capture /The moment this morning I don't know.»

Beim Chorus war dann alles vorbei: «I wanna lay you down in a bed of roses / For tonight I sleep on a bed of nails / Oh, I wanna be just as close as the Holy Ghost is / And lay you down on a bed of roses.» Puh, was ein Pathos!

Die Songs aus der Vergangenheit lassen uns selten los

Die Journalistin Ellie Harrison vom britischen «Indepent» fragte sich kürzlich ebenfalls, warum man einige alte Songs noch immer abrufen kann, obwohl man sie teilweise jahrelang nicht mehr gehört hatte.

Bei ihr war es kein ungeliebter Ohrwurm, sondern die Feststellung, dass man beim diesjährigen Glastonbury auf einige Acts setzte, die gerade einen zweiten Frühling erleben – mit Songs aus der Vergangenheit.

Avril Lavigne zum Beispiel mit ihrem «Sk8ter Boi», die Sugababes mit «Overload», oder auch Shania Twain mit «That Don’t Impress Me Much». Aus eigener Erfahrung liessen sich noch «Unwritten» von Natasha Bedingfield, «Teenage Dirtbag» von Wheatus oder – etwas cooler – «In Bloom» von Nirvana hinzufügen.

Vertrautheit und starke Emotionen brennen sich ein

Um der Frage nachzugehen, sprach Harrison mit der britischen Musik-Psychologie-Professorin Kelly Jakubowski. Ein Grund sei schlichtweg, dass uns so ein Lied sehr vertraut ist, weil wir es eben sehr oft gehört haben. «Wir hören die gleiche Musik immer wieder, viel öfter als wir das gleiche Buch lesen oder den gleichen Film sehen. Diese extreme Überbeanspruchung durch ein und dasselbe Lied kann die Gedächtnisspur verstärken.» Dann sei es auch egal, wenn das 20 Jahre lang zurück liegt.

Wer kennt diesen mysteriösen Song? |ZUM ARTIKEL

Ein weiterer Grund sei, dass wir uns Dinge, die uns stark emotionalisieren besser merken als andere Dinge. In meinem Fall haben also vermutlich der Hass und die Verachtung (und das ironische Mitjaulen) dazu geführt, dass ich den Text noch kann.

Damit seien nicht nur die Emotionen gemeint, die die Musik selbst zum Ausdruck bringt, sondern auch die tiefen Gefühle, die wir als Reaktion auf die Musik oder die sie umgebenden Situationen haben. «Eine tiefere emotionale Verarbeitung eines Reizes erleichtert auch eine tiefere Kodierung im Gehirn».

Bühne frei für den «reminiscence bump»

Der letzte von Professorin Kelly Jakubowski genannte Grunt ist die Existenz eines sogenannten «reminiscence bump». Mit diesem in der Psychologie genutzten Begriff ist gemeint, dass wir einige der stärksten Erinnerungen unseres Lebens mit mit einer bestimmten Zeitspanne verbinden.

«Je nach der zitierten Studie reicht die Spanne von etwa 10 bis 30 Jahren», sagt Jakubowski. «Wenn man einen älteren Erwachsenen fragt: 'Was sind Ihre wichtigsten Erinnerungen aus Ihrem Leben?', oder wenn man ihm zufällige Stichworte gibt, wie 'Apfel', 'Arzt', 'Tisch', und ihn bittet, an eine Erinnerung zu denken, wird er sich überproportional häufig an Erinnerungen aus dieser Erinnerungsphase erinnern.»

Der «bump» der Generationen

In der Musikpsychologie habe man ausserdem noch einen «intergenerational reminiscence bump» beobachtet, weil «viele Menschen auch eine kleinere, sekundäre Vorliebe für Musik aus der Jugendzeit ihrer Eltern haben, was darauf hindeutet, dass ihre Eltern ihnen die Bedeutung einer bestimmten Art von Musik eingeprägt haben.»

Man sähe also «diese sekundäre Tendenz, dass Menschen Musik mögen, die im Wesentlichen vor ihrer Geburt veröffentlicht wurde, mit der sie aber Erinnerungen verbinden.» Was dann wohl erklärt, warum ich so gerne «Yesterday» von den Beatles höre und warum vor einigen Wochen auf einem Festival voller Mittzwanziger bei einer Band voller Mittzwanziger das hier passierte:

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