Veröffentlicht am 16. April 2024

War das Coachella 2024 wirklich so schlimm?

Grimes hat ihr DJ-Set verkackt, Damon Albarn disste das Publikum, das Line-up sei so schlecht wie lange nicht und die K-Pop-Band Le Sserafim kann angeblich nicht singen. Wir schauen auf die Hiobsbotschaften vom ersten Coachella-Wochenende und fragen uns: War es wirklich so schlimm?

Journalist
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1. Die Sache mit dem Line-up

Das Coachella ist wohl eines der beliebtesten und verhasstesten Festivals der Welt. Mit Sicherheit ist es das most-talked-about Festival der internationalen Saison. An mittlerweile zwei Wochenenden findet im sonnigen Coachella Valley, das rund 200 km von Los Angeles entfernt liegt, ein Festival statt, das nicht nur in Sachen Line-up neue Standards gesetzt hat, sondern auch in Sachen Influencer:innen-Auflauf und Preise für Essen und Getränke.

Der nicht unberechtigte Vorwurf: Coachella sei das Festival für reiche Kids, die keine Ahnung von Musik haben und nur Material für Instagram und TikTok shooten wollen. Die diesjährige Ausgabe, deren erste Runde am vergangenen Wochenende stattfand, bekam schon am Tag der Line-up-Bekanntgabe ordentlich Feuer. Die Headliner:innen seien die schlechtesten seit Jahren las man überall bei Instagram, oder man hörte es bei TikTok.

Wer genauer in die Kommentare schaute, merkte aber schon: Da waren vor allem wieder die Indie-Boomer am Start, die entweder misogyn argumentieren (weil, hey – ist Lana nicht eine spektakuläre Headlinerin? Und Doja Cat erst recht?), oder aber einfach nicht geschnallt haben, dass Rap-Artists wie Tyler, The Creator die neuen Rock’n’Roll-Stars sind. Wer Tyler auch nur einmal als Headliner gesehen hat (wie der Autor dieser Zeilen auf dem Roskilde), kann nicht ruhigen Gewissens bringen, er sei kein geeigneter Headliner.

Fazit: Das Line-up war schon ziemlich OK und beizeiten spektakulär – sogar für die Indie-Boomer:innen gab es mit No Doubt und Sublime und Blur alte Helden, die man gerne sieht.

2. Das Grimes-Disaster

Der Titel «the worst gig in Coachella history» wurde munter auf Grimes abgefeuert – die ein DJ-Set gab und kein Konzert spielte. Was viele anscheinend nicht wussten. Ihr Set musste sie dann insgesamt sieben Mal abbrechen, weil sie entweder technische Probleme hatte oder heillos überfordert war. Vermutlich eine Mischung aus beidem. Am nächsten Morgen postete sie, dass sie die technische Vorbereitung outgesourcet hätte, und das zu den Fuck-ups führte. Sie hätte allerdings wichtige Lessons gelernt.

Fazit: Hier muss man wirklich sagen: Wer auf dem Level performt, sollte seinen Shit together haben. Andererseits ist auch hier der Hate ein wenig übertrieben, voller Schadenfreude, misogyn aufgeladen und von Elon-Musik-Fanboys (er ist ihr Ex-Partner) verstärkt. Gebt ihr noch eine Chance.

Von Punk bis Pop bis zum Coachella Festival: Die besten Musik-Dokus | ZUM ARTIKEL

3. Die Sache mit dem lustlosen Publikum

Es ist wohl Fluch und Segen zugleich, dass man das Coachella fast komplett als Live-Stream im Netz sehen kann. So gibt es am Tag drauf gut gefilmte Clips zu jedem negativen Vorfall. In einem spielten Blur eine Hauptrolle: Erzählten sie noch im Vorfeld, dass sie von der Euphorie überrascht waren, die man im Netz lesen konnte als der Gig announced wurde, fand Damon Albarn das Publikum beim tatsächlichen Konzert ziemlich lame. Er gab sich redlich Mühe, dass die Leute bei «Song 2» oder «Girls & Boys» mitsingen – und zurückkam: So gut wie nix. Albarn rief dann: «You can do it better than that!» Und als immer noch nix kam, rief er: «You’re never seeing us again, so you might as well fucking sing it. Know what I’m saying?» Die Blur-Fans an den Rechnern daheim waren sich schnell einig: «This crowd doesn’t deserve Blur».

Fazit: Im Livestream hörte man tatsächlich wenig von der Crowd. Andererseits passiert es ausserhalb Englands bei grösseren Crowds nun mal gar nicht so selten, dass Blur nicht als der Stadion-Act gefeiert werden, der sie in UK sind. In Berlin sah es vor einigen Jahren zum Beispiel man ähnlich kläglich aus.

4. Le Sserafim rücken K-Pop in ein schlechtes Licht

Das Coachella war eines der ersten Festivals, das K-Pop auf eine grosse Bühne ausserhalb der K-Pop-Bubble holte. Blackpink gaben dort zum Beispiel ihr US-Live-Debüt und kehrten später als Headlinerinnen zurück. In diesem Jahr waren Le Sserafim die koreanischen Girlgroup der Stunde – oder sie hätten es sein sollen. Mit Songs wie «Antifragile» oder aktuell «Easy» haben sie massive Hits und auch ausserhalb Koreas grossen Erfolg.

Ihr Auftritt wurde allerdings im Netz zerrissen: Allerdings, wenn man in die Kommentare schaut, fast ausschliesslich von Leuten, die nicht vor Ort waren, sondern den Live-Stream schauten. Und da fiel auf: Wer so aufwendige Performances macht, kann halt nicht immer so glockenklar singen, wie man es aus den Studioaufnahmen kennt.

Fazit: Le Sserafim haben sich entschieden, das Playback runterzufahren und ihrem Auftritt mehr Live-Flair zu geben. Dafür hätten sie vielleicht noch mal die Choreografien ein wenig entschärfen sollen, wie es zum Beispiel Blackpink machen, um Luft für ein 90-Minuten-Set zu haben. Andererseits: Wen man sich dieses Video so anschaut, muss man eigentlich eher aufatmen, weil man merkt, dass Idols auch nur Menschen sind, die mal Luft holen müssen. Und manche Parts klingen geshoutet fast spannender als glatt abgemischt.

5. Viele sehr schöne Momente gab es auch

Je länger man sucht und je mehr Videos man findet, desto eher kommt man zum Schluss: Das Coachella war wie Mainstream-Festivals nun mal so sind. Es gab geilen Scheiss, überbewertete Acts, sympathisches Publikum, dulles Reiche-Leute-Publikum, cringy Szenen und schöne Szenen. Über letztere könnte man ruhig ein wenig mehr reden. Irgendwie kommt es einem nämlich so vor, dass die meisten vor allem einen Riesenspass daran haben, auf das Coachella abzuhaten. So ging zum Beispiel fast unter, dass zwei der absoluten Pop-Queens gemeinsam sangen: Lana del Rey und Billie Eilish. Wie gerne wir das gesehen hätten!

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