Veröffentlicht am 07. Oktober 2024

Kris Kristofferson: Ein Mann, sechs Leben

Eines der interessantesten Leben in der jüngeren US-Geschichte hat ein Ende gefunden.

Journalist
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Ende September ist Kris Kristofferson im Alter von 88 Jahren gestorben. Der Mann mit der kratzigen Stimme hatte viele Gesichter – und alle sahen hervorragend aus. Wir werfen einen Blick auf ein Leben, das genug Stoff für eine Buchreihe mit 99 Bänden abwirft.

Singer…

Mit Kris Kristofferson verliert die Welt eine der prägnantesten und einflussreichsten Stimmen des Country- und Folk-Genres. Dabei war es ausgerechnet sein Gesang, der beim Release des Debüts «Kristofferson» von der Kritik belächelt wurde. Nichtsdestotrotz gehört das Album in jede anständige Plattensammlung oder Playlist. Rund 17 weitere Solo-Longplayer veröffentlichte Kris, landete mit «Why Me» seine einzige Nummer-1-Chartsposition und gründete Mitte der 1980er Jahre The Highwaymen mit Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson – die Country-Supergroup to end all Country-Supergroups.

…Songwriter

Sein vielleicht bekanntester Song wurde aus der Kehle von jemand anderem zum Welthit: «Me and Bobby McGee» stammt aus der Feder von Kristofferson und ist auch auf seinem Debütalbum zu hören, doch erst seine Ex-Freundin Janis Joplin perfektionierte die Komposition. Die Sängerin starb jedoch, bevor sie den Erfolg der Single erleben konnte. Auch «Sunday Mornin’ Comin’ Down» schrieb Kristofferson, und der damalige Nashville-Newcomer war so versessen darauf, dass Johnny Cash den Song einspielen müsse, dass er einen Helikopter im Garten der Country-Legende landete und ein Demotape zurückliess.

Schauspieler…

Kaum kam die Showbusiness-Karriere von Kristofferson zu Beginn der 1970er Jahre ins Rollen, bog er auch schon nach Hollywood ab. In «Pat Garrett & Billy the Kid» ist er unter der Regie vom legendären Sam Peckinpah in einer Titelrolle zu sehen. Weitere Highlights aus dieser Zeit sind «Convoy» sowie «Alice Doesn’t Live Here Anymore» von Martin Scorsese. Ausserdem spielte Kristofferson die Rolle von Nicht-Bradley-Cooper im ersten Remake von «A Star Is Born». Jüngere Fans dürften «Ahhh, der Typ!» sagen aufgrund seiner Rolle als Whistler in der «Blade»-Comicverfilmung-Trilogie mit Wesley Snipes.

…Athlet

Für seine Rolle in «A Star Is Born» erhielt Kristofferson einen Golden Globe. Doch wie viele Golden Globe Gewinner sind auch Golden Gloves Boxer? Während seiner Schul- und Universitätszeit war der Amerikaner ein glänzender Allround-Athlet im American Football, Rugby und Amateurboxen. Und während andere in den Sommerferien Zigaretten am Strand rauchten, schuftete Kristofferson als Feuerwehrmann in Alaska und Bauarbeiter auf Inseln im Pazifik. Dabei kamen seine schulischen Leistungen dennoch nicht zu kurz und als preisgekrönter Kurzgeschichtenautor erhielt er ein Stipendium für die Universität im englischen Oxford.

Soldat…

Nach dem Studium schrieb sich Kristofferson auf Druck seiner Familie ins US-Militär ein. Dort arbeitete er sich bis zum Rang des Captains hoch und wurde zum Army Ranger. Das sind jene Kerle, von denen durchgekokste Regisseure in den 1980er Jahren Actionfilme mit Namen wie «Blood Commando: Final Raid» drehten. Kristofferson wurde schliesslich zum Helikopterpiloten ausgebildet – ein Skill, der ihm später bei der Musikkarriere überraschend hilfreich wurde.

…Aktivist

Trotz seiner Armee-Vergangenheit war Kris Kristofferson stets ein lautstarker Kritiker von militärischen Interventionen der USA, beispielsweise im Iran und im Irak. Auch solidarisierte er sich prominent mit den Opfern des südafrikanischen Apartheid-Regimes und den Menschen in Palästina. Bis heute unvergessen ist auch seine Geste 1992 auf der Bühne vom Madison Square Garden: Bei einem Konzert zu Ehren Bob Dylans wurde Sängerin Sinéad O’Connor, die wenige Tage zuvor während einer TV-Livesendung das Bild des Papstes zerriss, lautstark vom Publikum ausgebuht. Kristofferson trat zur jungen Sängerin und flüsterte ihr ins Ohr, was er später auch zu einem Songtitel machte: «Don’t Let the Bastards Get You Down».

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