Veröffentlicht am 16. Juli 2024

Helmet: Noise-Core für Zürich

Seit den frühen 90ern liefert Page Hamilton mit seiner Band stilprägenden Krach mit stabiler politischer Haltung – zuletzt 2023 auf dem Album «Left». Im Winter sind Helmet wieder auf Tour und stoppen im Dezember in Zürich. Im Fokus der Tour steht das 30. Jubiläum des Albums «Betty».

Journalist
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Ein bisschen spürt man sie immer noch, wenn man den Opener des zweiten Helmet-Albums «Meantime» aus dem Jahr 1992 hört: Diese Wucht, die es zu schaffen vermag, die Rockmusik auf Jahre zu prägen und ein neues Genre hervorzubringen.

Grosse Worte, aber «In The Meantime» und die neun weiteren Songs der Platte, sind tatsächlich Teil des Urknalls eines Genres namens Nu-Metal. Was heute ein wenig abwertend klingt, wenn man vor allem daran denkt, was Limp Bizkit später draus gemacht haben. Aber es gab eben auch Korn und die Deftones, die sich ausdrücklich auf die aus Portland, Oregon stammenden Helmet als Haupteinfluss berufen.

«Meantime» als Brücke zwischen den Genres

Als Helmet loslegten, hiess Nu-Metal noch etwas anderes: Bandleader (und bis heute einziges beständiges Helmet-Mitglied) Page Hamilton war kein weisser Dude, der sich für einen Rapper hielt, sondern ein gelernter Jazz-Gitarrist, der Noise-Rock, politischen Hardcore, Metal-Härte, Grunge-Schwere, Jazz-Rhythmen und Punk-Attitude vermischte.

Die Riffs in Liedern wie «In The Meantime» und dem fast hymnischen «Unsung» wecken noch immer den Wunsch, wütend auf der Stelle zu springen und sich die Seele aus dem Leib zu brüllen. War «Meantime» schon weitaus melodischer als das Helmet-Debüt «Strap It On» aus dem Jahr 1990, ging «Betty» 1994 noch einen Schritt weiter.

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«Betty» klingt wie die Hardcore-Antwort auf den Grunge-Hype

Songs wie «Wilma’s Rainbow», «Milquetoast» und «Speechless» passen lyrisch wie musikalisch gut in diese von Bands wie Alice In Chains, Soundgarden und Nirvana geprägte Zeit. Nur, dass Helmet sich ihre Roughness und ihren basslastigen Groove dabei bewahrten.

Aber es ist ein wenig unfair, Helmet nur an ihrer stilprägenden und kommerziell erfolgreichsten Phase in den 90ern zu messen. 1998 für einige Jahre offiziell aufgelöst, machte Hamilton ab 2004 wieder unter dem Namen Helmet Musik. Das Comeback-Album «Sitze Matters» klang alles andere als angestaubt und hatte mit «Crash Foreign Cars» gar einen amtlichen Hit – was auch daran lag, dass er in einem Videogame zum Einsatz kam, in dem viele Cars gecrasht werden.

«Left» ist eine Abrechnung mit MAGA-Amerika

Das aktuelle Studioalbum «Left» erschien 2023 und zeigt Page Hamilton grantiger und bissiger denn je. Schon «Dead To The World» war düster, aber hier kotzt sich Hamilton noch direkter und zynischer über das von Donald Trump und seiner MAGA-Bewegung geprägte Amerika aus.

Dem Magazin «Gitarre & Bass» sagte Page Hamilton im Januar: «Es ist wirklich erschreckend, wie viel Rassismus, Hass und Homophobie mit Trump ans Tageslicht gekommen sind. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es in diesem Land 75 Millionen Menschen geben könnte, die so fühlen. Die überhaupt kein Interesse an einem friedlichen Miteinander haben.»

Ein paar neue Songs werden es wohl auch in die Setlist der kommenden Tour schaffen, aber im Fokus steht laut Helmet das bereits weiter oben gewürdigte Kultalbum «Betty», das bald sein 30. Jubiläum feiert. Page Hamilton sagte dazu: «Nach den 20-jährigen Jubiläen von „Meantime“ und „Betty“ habe ich mir geschworen, keine Jubiläumstouren mehr zu machen. Allerdings haben wir wieder mit unserem ehemaligen Label zusammengearbeitet, um Betty in den USA neu zu veröffentlichen und uns entschieden, es doch nochmal zu tun.»

Hamilton kündigt an: «Wir freuen uns sehr nach Europa zurückzukehren und das gesamte „Betty“ Album ein letztes Mal aufzuführen. Es sind 30 Jahre vergangen, seit wir es veröffentlicht haben; wir haben gerade eine limitierte US-Version gemacht, die Songs enthält, die nicht auf der Originalveröffentlichung waren. Bis bald.»

Im Winter kommen Helmet wieder auf Europatournee und werden am 1. Dezember 2024 im Grossen Saal des Dynamo in Zürich spielen. Tickets und Infos gibt’s hier.

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FABER
15/09/2024 - 15/09/2024
1 Event

FABER

Faber – «Addio Live 2024»

Pünktlich zum Release seines nächsten Albums «Addio» am 07. Juni 2024 spielt Faber ab Sommer nächsten Jahres Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für das Frühjahr 2024 hat der Schweizer bereits eine Releasetour zum Album angekündigt, die ihn in für seine Verhältnisse kleinere Clubs und intimere Settings führt – die Sommer-Konzerte sind die erste Möglichkeit, die neuen Songs live zu erleben.

Seit seiner ersten EP «Alles Gute» geht der Schweizer Songwriter Faber in seiner Karriere durch Wände, als wären sie Türen. Er schreibt pointierte Texte, die gleichzeitig zum klügsten und polarisierendsten gehören, was es aktuell zu hören gibt. Das führt Faber zu ausverkauften Tourneen und Headlinerslots auf geschmackssicheren Festivals – der Künstler wird von Kritik und Fans gleichermassen gefeiert. Nach der Debut-EP erscheinen zwei herausragende Alben, «Sei ein Faber im Wind» (2017), «I fucking love my life» (2019) und mit «Orpheum» ein Livealbum im Spätsommer 2022. Auf letzterem ist deutlich zu hören: Faber-Konzerte sind mitreissend, elegant und unverkopft anspruchsvoll und mithin das Beste, was man in deutscher Sprache (und nicht nur das, Faber singt bisweilen auch italienisch, französisch oder schweizerdeutsch) live sehen kann.
Auf «Addio» wird Faber sich lossagen von messbar gemachter Kunst, von Musik, die nicht mehr nur für sich selbst stehen darf, sondern unmittelbar spiegelt, wie massenkompatibel sie ist. Er hat Songs geschrieben, die nicht funktionieren müssen, aber es trotzdem tun. Songs, die gereift sind, die sich nun aufmachen, um auch im Konzert zu zeigen, was in ihnen steckt. Kurzum: Faber hat seine Gedanken frei gemacht.

Die Addio Live 2024 Konzerte des nächsten Jahres sind nach der Addio-Releasetour im Frühjahr 2024 die erste Möglichkeit, um die Songs des neuen Albums live zu erleben. Begleitet wird er von einer erstmals erweiterten Band, bestehend aus Tillmann Ostendarp (Schlagzeug, Posaune), Janos Mijnssen (Bass, Cello), Goran Koč (Keys), Max Kämmerling (Gitarre, Perkussion), Gina Été (Gesang, Viola), Hannah Adriana Müller (Gesang, Violine), Dino Brandao (Gesang, Gitarre, Perkussion) und Mel D (Gesang, Gitarre).

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