Veröffentlicht am 16. Februar 2023

Schrei mich an! Über die Freude an harter Musik

Harte Gitarrenmusik zu hören, hat auf viele Menschen einen heilsamen Effekt. So auch bei unserem Autor. Im Angesicht der Tatsache, dass bald harte Acts wie Gojira, Kreator oder – etwas softer – Turnstile in der Schweiz spielen, kommt hier eine zärtliche Hymne auf brutale Musik.

Journalist

Nehmen Sie sich fünfeinhalb Minuten Zeit für Ihre mentale Gesundheit. Setzen Sie ihre Kopfhörer auf. Im Idealfall ein Model mit Noise Cancelling Funktion. Atmen Sie ruhig und ebenmässig. Versuchen Sie Ihren Kopf zu leeren. Denken Sie NICHT an Arbeit. NICHT an Beziehungsdinge. NICHT an etwaige Haushaltspflichten. Führen sie den Curser ihrer Maus oder bei einem Touchscreen ihren Finger auf die Playtaste des YouTube-Fensters unter dieser Zeile. Schliessen Sie die Augen. Drücken Sie Play.

Sie dürfen die Augen nun wieder öffnen. Ich hoffe, Sie fühlen sich jetzt ebenso befreit wie ich, wenn ich Songs wie diesen sehr konzentriert höre.

Eine Liebe zu harter Musik, die sich länger hält als manch anderes Fantum

Ich muss zugeben: Ich wollte diesen Text schon eine ganze Weile schreiben. Seitdem ich die Band DUMA auf dem Roskilde Festival live gesehen habe. Das Duo stammt aus Kenia und verbindet in seinem Sound Grindcore mit elektronischen Industrial. Das Konzert von ihnen war eine meiner intensivsten Erfahrungen im letzten Festivalsommer. Obwohl es nur eine halbe Stunde dauerte, fühlte ich mich danach: entspannt, gereinigt, voller Energie. Fast schon, als hätte ich eine halbe Stunde lang meditiert. Seit diesem Abend habe ich angefangen, mal wieder die extremen Platten in meiner Sammlung oder Songs in meinen Playlisten zu hören. Und habe festgestellt, dass ich schon seit meiner Teenagerzeit immer wieder diese Art von passiven Aggressionsabbau brauchte. Diese Feststellung ging einher mit meiner wiederbelebten Liebe zu Napalm Death. Diese Band hat einen wichtigen Platz in meiner Konzertsozialisation: Sie spielte auf dem allerersten Konzert, das ich in meinem Leben besuchte. Damals hatten sie gerade diese Cover-Version veröffentlicht, die mir sozusagen aus dem Herzen schrie:

Wenn Melodie und Wut aufeinandertreffen

Besonders intensiv wirkt aggressive Musik auf mich, wenn sie mit grossen Melodien einhergeht. Wenn eine Band sozusagen zeigt, dass sie auch ganz anders könnte. Mich ein paar Sekundgen lang einlullt, hypnotisiert – um dann mit brachialer Wucht zuzuschlagen. Bands, die das besonders gut können, sind oder waren für mich Aereogramme, Mogwai, Godspeed You! Black Emperor und Gojira. Und mit letztgenannten sind wir auch bei dem Grund, warum ich endlich diesen Text mal platzieren konnte: Die französische Metal-Band, die übrigens sehr politische Lyrics zum Thema Umweltschutz schreibt, kommt im Sommer nach Genf und ich kann es schon jetzt kaum erwarten, bei ihnen langsam moschend vor der Bühne zu stehen, um mich gepflegt und intellektuell belebend anschreien zu lassen.

«Hate über alles!»

Bereits im März wird einer meiner liebsten Metal-Acts in Zürich spielen. Eine Band, die mich ebenfalls schon seit meiner Jugend begleitet, als ich ihre monströs-schönen, fantasy-lastigen T-Shirts trug: Kreator. Deren Sänger, Gitarrist und Songschreiber Miland „Mille“ Petrozza ist einer der angenehmsten Menschen in der deutschen Musikszene. Sympathisch, nachdenklich, immens belesen, bekannt mit vielen Indie-Musikern. Seine Musik macht das zum Glück nicht milder. Ihr letztes Album «Hate Über alles» war eines der Metal-Highlights des letzten Jahres. Der fast punkige Titelsong ist der perfekte Mittelfinger gegen unsere Fake-News-verseuchte Welt. Dass der brennende Polizeiwagen im Video die rechtskonservative Kampfpresse in Deutschland triggerte, war dann noch das Sahnehäubchen. Ich empfehle Ihnen, diesen Song nach der eingangs beschriebenen Methode direkt nach den Abendnachrichten zu hören.

Turnstile machen Härte wieder chartstauglich

Dass aggressive Musik auch in Form von Punk und Hardcore funktioniert ist ja eh klar. Für mich war es vor allem die Band Sick Of It All, die mir diese Welt erschloss. Gerade in den letzten Jahren gab es einige spannende Grenzgänger, die diese Musik sogar in die höheren Sphären der Albencharts brachte. Das beste Beispiel aus den letzten Jahren dürfte mit Sicherheit Turnstile und ihr melodischer, aber nicht minder aggressiver Hardcore sein. Die Amerikaner spielten sogar in den grössten Late-Night-Shows des Landes und brachten im letzten Festivalsommer die Menschen zu tausenden zum Springen und Schubsen. In der Schweiz, wo sie später im Jahr spielen werden, landeten sie immerhin auf Platz 30 der Albumcharts.

Eine Playlist, die Ihnen ins Gesicht schreit

Zum Abschluss möchte ich es mir nicht verkneifen, Ihnen noch eine kleine Playlist ans Herz zu legen, in der ich für Starzone die hier erwähnten Acts und noch einige andere geniale Lärmgenoss:innen versammelt habe. Viel Spass damit! Und niemals vergessen: Diese Art des Aggressionsabbaus ist auch gesellschaftlich betrachtet besser, als in unentspannten Lebensphasen dem Erstbesten einem in die Schnauze zu hauen.

Alle Informationen zu den hier erwähnten Konzerten, finden Sie wenn sie auf die jeweiligen Bandnamen klicken. Was in Sachen harter Musik ausser den erwähnten Konzerten noch so läuft, erfahren Sie hier in der «Heavy Metal»-Abteilung von Ticketcorner.

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