Veröffentlicht am 09. Juli 2024

Charli XCX hat endlich «Brat Summer», den sie verdient

Die britische Sängerin und Songwriterin Charlotte Emma Aitchison alias Charli XCX schrieb den Überhit «I Love It» für Icona Pop, ist eine Pionierin des Hyperpop, hat gerade ihr sechstes Album «Brat» veröffentlicht – und ist nun endlich der Star, der sie immer werden musste.

Journalist
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Am vergangenen Freitag zeigte Charli XCX mal wieder, in welchem Tempo sie gerade unterwegs ist. Sie spielt auf dem Roskilde, auf der zweitgrössten Bühne, parallel zu den langsam ergrauenden Herren der Foo Fighters. Schon eine Stunde vor Beginn strömte ein grosser Teil des Publikums – sagen wir: der jüngere (#noshaming) – zu der riesigen Zelt-Stage.

Triumph auf dem Roskilde

Charli XCX kam dann zehn Minuten zu spät auf die Bühne. Pass vergessen, Stress an der Grenze, kurz vorher erst auf dem Gelände angekommen. Aber dann: Einmal mit der Hand durch die Haare fahren. Scheinwerfer auf Anschlag und PLAY! Tatsächlich kommt bei ihr die komplette Musik vom Band – und sicher auch der ein oder andere Vocal Part. So ganz auseinanderhalten kann man das nicht, da sie Auto-Tune als Trademark einsetzt.

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Aber was für eine Party das wurde! 40 Minuten auf’s Maul, von «365» zu «360» zu «Everything Is Romantic», «Sympathy Is A Knife» zu «Von Dutch» waren es vor allem diese Songs von ihrem aktuellen Album «Brat» die besonders knallten. Den Abschluss besorgten dann allerdings ihre frühen Hits «Vroom» und das mit Icona Pop geschriebene «I Love It».

Eine Königin des Hyperpop

An der Reaktion des stattlichen Publikums merkte man: Charli XCX ist endlich da, wo sie schon immer hingehörte. Sie ist ein gottverdammter Star. Das mag auch daran liegen, dass sie in den letzten Jahren über ihre legendären Hauspartys zur Celebrity wurde und mit ihrem Boyfriend George Bedford Daniel von The 1975 oft in Promikreisen verkehrt.

Aber sie wird vor allem von jenen Künstler:innen geschätzt, die wissen, dass Charli schon vor Jahren jenen spacigen, aufgedrehten, glitchy Sound etablierte, der bis heute die Charts entert: Die 1992 geborene prägte mit Artists wie Sophie und A.G. Cook Hyperpop und ihr Mixtape «Pop 2» aus dem Jahr 2017 gilt zu Recht als Meilenstein.

«Diese Musik wird nicht bei Starbucks laufen.»

Wer auf das simple Cover schaut und drei Absätze später auf jenes von «Brat», ihrem aktuellen sechsten Studioalbum, merkt gleich, wie die Häsin läuft. Charli XCX besinnt sich ihrer Stärken und ihres Einflusses und versammelt unter dem giftgrünen Cover einige der besten Songs ihres schon jetzt eindrucksvollen Oeuvres.

Im Interview mit dem Magazin «GQ» sagte Charli: «Diese neue Musik wird nicht bei Starbucks gespielt werden. Sie wird nicht auf der Zen Morning Playlist gespielt werden. Es ist Popmusik und ich bleibe mir selbst treu. Aber ich weiss auch, dass ich als Songwriterin die Fähigkeiten habe, grosse Top-40-Pop-Hits zu schreiben, wenn ich einen etwas anderen, vielleicht angenehmeren Weg einschlage.»

Wobei sie damit vielleicht falsch liegen könnte: Trotz des eigenen Sounds und den persönlichen, angriffslustigen Lyrics entwickelt diese Songs ein Hit-Potential, das in den entspannteren Momenten (zum Beispiel bei «I might say something stupid») auch bei Starbucks funktionieren wird. Auch die Charts-Platzierungen sind amtlich: 3 in den US-Charts, 2 in den UK-Charts, 10 in der Schweiz, 8 in Deutschland, 3 in Australien.

«Ich lasse die ‘bitch’ öfter raushängen.»

Mit «Brat» einher geht eine spürbare «Fuck You!»-Attitüde, die Charli XCX auch zu ihrem Titel inspirierte. Aber warum auch nicht: Sie ist lange genug im Pop-Game, weiss was sie kann, hat genug Scheisse gesehen und muss nix mehr beweisen. «Ich lasse die 'bitch' durchaus öfter raushängen... Die Diva-artigen Wutanfälle sind ein wenig mehr geworden», sagte sie der «GQ» mit einem cocky Grinsen.

Früher im Jahr meinte Charli XCX, sie werde 2024 «everywhere» sein – und genau so sieht es gerade aus. «Brat» wird im Internet gehypt, die geschätzte Konkurrenz feiert sie als Ikone. Zum Beispiel Lorde, zu der Charli ein von Zweifeln durchsetztes Verhältnis hatte, was auch daran lag, dass die Musikbranche die beiden immer miteinander vergleichen wollte.

Versöhnung in Hit-Form

Davon handelt der Song «Girl, so confusing», wie kurz nach Release rauskam. Während das Internet noch diskutierte, wie sich das für Lorde anfühle, lud Charli diese einfach für einen Remix des Songs ein, in dem Lorde in einer Strophe ihre Sicht darstellt.

Der gemeinsame Pre-Chorus ist dann eine self-fulfilling prophecy und hat die vielleicht ikonischsten Lines in diesem Pop-Sommer: «People say we're alike / They say we've got the same hair / It's you and me on the coin / The industry loves to spend / And when we put this to bed / The internet will go crazy / I'm glad I know how you feel / 'Cause I ride for you, Charli (Charli, Charli).»

Agent Cooper gefällt das – mindestens so gut wie eine Tasse Kaffee

Well – das Internet geht tatsächlich crazy und ist ein steter Quell der Freude, wenn man Content über Charli XCX und ihren «Brat Summer», wie einige Fans ihn nennen, sucht.

Mit einem der schönsten Fundstücke möchten wir diesen Artikel auch beenden: Kein geringerer als Agent Cooper aus «Twin Peaks», also Schauspieler Kyle MacLachlan, spürt den «Brat Summer» auch, hat ein T-Shirt in «brat-green» und feiert den Lorde-Remix beim Joggen – das Ding funktioniert also generations-übergreifend.

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