DAS soll K-Pop sein?!
2023 wurden im Genre K-Pop 42 Prozent mehr Streams abgerufen als im Vorjahr. Trotzdem haben noch viele eher vom anglo-amerikanischen Pop geprägte Musikfans Berührungsängste mit Musik made in Korea. Für genau diese Menschen haben wir hier ein paar Songs zusammengestellt, deren Sound es auch K-Pop-Einsteiger:innen oder -Skeptiker:innen leicht macht.
Wer als Musikjournalist K-Pop hört, wird von den Rock- und Pop-Kollegen gerne mal belächelt. Was meistens so lange hält, bis man die richtige Playlist für sie zusammenstellt. Dann runzeln viele die Stirn und sagen Dinge wie: «DAS soll K-Pop sein?» Wir stellen hier einige Songs vor, die diese Reaktion hervorrufen.
Für die Oldschool-Rap-Fans…
Tatsächlich sind die musikalischen Parallelen zwischen K-Pop und jener Musik, die unsere europäischen Pop-Charts regiert seit jeher grösser als die Unterschiede. K-Pop-Songs hatten schon immer catchy englischsprachige Hooks, und vor allem die Anfänge von K-Pop waren stark inspiriert vom amerikanischen HipHop, R’n’B und Pop der Zeit. Es gibt eine schöne Anekdote, die genau das belegt: der Urknall des K-Pop war sozusagen die Band Seo Taiji And Boys. Am 11. April 1992 gaben sie ihr TV-Debüt beim koreanischer Sender MBC – und zeigten zum ersten Mal diese Mischung aus Rap, Pop und Performance, die später zur DNS von K-Pop werden sollte. Ihre 1995 veröffentlichte Single «Come Back Home» klang dermassen nach «Insane In The Brain», dass Cypress Hill sogar direkt darauf angesprochen wurden. Rapper B-Real fand die Nummer aber geil und sagte man sei «cool about that shit».
Für die Swifties…
In den letzten drei Jahren waren vor allem Blackpink vorne mit dabei, wenn es darum ging, K-Pop auf der ganzen Welt anschlussfähig zu machen. Zwar hatten die Lead-Singles ihres letzten Albums «Born Pink» viele koreanische Vibes und Rap-Parts, aber Blackpink zeigten mit anderen Stücken, dass sie vor allem den amerikanischen Markt auf dem Schirm haben – und sich da ganz wohl fühlen. Einer der besten Songs des Albums ist komplett auf Englisch gesungen und hätte auch auf einem Taylor-Swift-Album zur «Red»-Ära sein können. Auch textlich sind die vier Blackpink-Member bei «Tally» ziemlich forsch: So explizit und reich an F-Words wird im koreanischen Pop sehr selten gesungen.
Für Coldplay-Fans…
Wer den Stadionpop von Coldplay liebt und bei der letzten Tour war, weiss natürlich, dass Chris Martin und Co. eine enge Verbindung zu BTS haben. Die BTS-Boys sind seit Teenager-Zeiten Coldplay-Fans und Martin hatte schon immer gut im Blick, mit welchem Act man noch grösser werden kann. Als nahm man die gemeinsame Single «My Universe» auf, die aber leider ein eher missglücktes Beispiel für eine Zusammenarbeit ist. Die bessere kam von BTS-Mitglied Jin, der mit der Band «The Astronaut» schrieb – und die Live-Premiere bei einer Coldplay-Show gab.
Wie sehr BTS Coldplay verehren, merkte man jedoch schon früher. Auf dem 2020er-BTS-Album «Map of the Soul: 7» findet sich die atmosphärische Ballade «We Are Bulletproof: the Eternal», die fast besser klingt, als die Coldplay-Produktionen dieser Zeit.
Für die Crossover-Fraktion…
Wie anschlussfähig K-Pop ist, konnte man im vergangenen Jahr auch an den Line-ups der Lollapalooza-Festivals sehen. Die auf der ganzen Welt stattfindenden Events setzten zum ersten Mal auch auf koreanische Headliner-Acts – und hatten dabei ein gutes Händchen. Die Stray Kids, die wohl gerade beste und spannendste Boygroup Koreas, war Headliner in Paris und überraschte auch den weitaus kleineren Teil des Publikums, der nicht wegen ihnen angereist war. Stray Kids spielen ihren kraftvollen Rap-Pop-Rock-EBM-Soundbastard live nämlich oft mit kompletter Band im Rücken und liefern ihre Songs in «Rock Versions». Das klingt dann eher wie ein spannendes Update jenes Genres, das man in den 90ern Crossover nannte.
Auch BTS-Rapper J-Hope (der übrigens auf dem Artikelfoto zu sehen ist) zeigte sich auf seinem letzten Solo-Album «Jack In The Box» von seiner härteren, düsteren Seite und klang in vielen Songs, als hätte er den «Judgement Night»-Soundtrack inhaliert, der bis heute zu Recht als eines der besten Beispiele der Vermählung von Rock und Rap gilt.
Für Fans von Cardi B und Megan Thee Stallion...
Wär sassy Rap-Queens wie Cardi B und Megan Thee Stallion liebt, findet auch unter den koreanischen Produktionen Tracks, die in eine sehr ähnliche Richtung gehen. Ein gutes und höllisch erfolgreiches Beispiel kam von der Blackpink-Rapperin Lisa, die mit «Money» einen Flex-Track rausgehauen hat, der jeden Kapitalistin selig macht…
Die Rapperin Jessi ist ein weiteres gutes Beispiel für toughe Rapperinnen. Sie stammt aus Korea, wuchs aber bis zum Teenageralter in Amerika auf. Was erklärt, warum sie schon immer direkter, unverschämter und sexuell expliziter unterwegs war als viele koreanische Kolleginnen. Manch einer nennt sie gar die «koreanische Cardi B», was eigentlich ganz gut passt …
Für Emo Boys and Girls…
Emo ist seit einigen Jahren wieder obenauf – und hat auch im K-Pop Spuren hinterlassen. Viele männliche Idols stylen sich wie Emo-Boys und Bands wie TXT klingen manchmal so, als wären sie mit My Chemical Romance & Co. aufgewachsen.
Einige Acts übertreiben es dabei aber auch ein bisschen. Wie zum Beispiel die Xdinary Heroes, die sogar echte Instrumente spielen – oder zumindest so tun. Andererseits ist diese Nummer gar nicht mal so schlecht.
Für die Indie Darlings…
Auch die sehr junge und sehr erfolgreiche Girlgroup New Jeans spielte 2023 auf dem Lollapalooza – und zwar beim Heimspiel der Festivalreihe in Chicago. Die Produktionsfirma ADOR – die zur Hybe Corporation gehört, bei der auch BTS unter Vertrag sind – hat es mit New Jeans von Anfang an geschafft, auch bei der Indie Bubble anzudocken. Das liegt zum einen am dort gerade sehr angesagten visuellen Y2K-Style, den New Jeans in Perfektion fahren, zum anderen aber auch an ihrem frischen Sound, der selten an K-Pop und oft eher an Acts wie PinkPantheress denken lässt. Oder aber an Drum’n’Bass, den jemand kunstvoll in Watte gepackt hat. Das kommt nicht von ungefähr: Wer in die Credits der New-Jeans-Produktionen schaut, findet sehr spannende Namen wie zum Beispiel Erika de Casier, die diesen Sound schon 2019 auf ihrem Album «Essentials» und 2021 auf «Sensational» etablierte.