Veröffentlicht am 04. Juni 2024

Darum war «Perfekte Welle» von Juli kurzzeitig verboten

Am 17. September spielen Juli im Kaufleuten in Zürich. Obwohl die deutsche Band um Sängerin Eva Briegel viele gute Radiopop-Songs im Oeuvre hat, wird sie immer noch vom Erfolg und vom kurzzeitigen Verbot des Hits «Die perfekte Welle» aus dem Jahr 2004 umspült. Wir erzählen die Hintergründe des Songs.

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Kann man sich eigentlich nicht besser ausdenken, dass eine deutschsprachige Band ihre Karriere mit einem Song namens «Perfekte Welle» startet. Aber genauso war es im Falle von Juli. Wobei man dazu sagen muss: Vorher machten Simon Triebel (Gitarre, Gesang), Jonas Pfetzing (Gitarre), Andreas „Dedi“ Herde (Bass) schon als Teil der Band Sunnyglade zusammen Musik.

2000 stiessen Marcel Römer (Drums) und Eva Briegel (Sängerin) zu Sunnyglade und man beschloss kurz darauf, fortan deutsche Texte zu singen. Deshalb nannte man sich Juli. Bei einem Showcase-Unplugged-Konzert auf dem Dach des damaligen Universal-Büros in Berlin überzeugte Eva mit Gitarrist Simon die anwesenden A&Rs und die beiden fuhren mit einem Major-Label-Vertrag nach Hause.

Der A&R verstand den Text nicht

«Perfekte Welle» ist tatsächlich die Debütsingle unter dem Namen Juli. Ironischerweise wurde sie tatsächlich im Sommer – allerdings im Anfang Juni – 2004 veröffentlicht. Dass es dieser Song wurde, war allerdings erst einmal nur der Band klar. Der zuständige A&R weigerte sich standhaft – weil er den Text nicht verstand.

Na, dann schauen wir da doch mal drauf: «Mit jeder Welle kam ein Traum, / Doch Träume gehen vorüber, / dein Brett ist verstaubt, / deine Zweifel schäumen über, / du hast dein Leben lang gewartet, / hast gehofft, dass es sie gibt, / hast den Glauben fast verloren, / hast dich nicht vom Fleck bewegt.» Das ist doch eigentlich eine recht lehrbuchmässige Surf-Metapher.

Geile Zeit: Juli spielen in Zürich | ZUM ARTIKEL

Die Band erzählt auf ihrer Website darüber: «Unser damaliger A&R nahm die heissesten Anwärter mit ins Single-Meeting. Allerdings wollte er ‘Perfekte Welle’ nicht mitnehmen, weil er den Text nicht verstehen würde.»

Weiter heisst es: «Unsere Managerin war auf 180 und Simon hat ihm binnen weniger Stunden wie in der Schule eine 1A-Textanalyse zukommen lassen. Simons Deutschlehrerin wäre stolz gewesen. Er liess sich dann doch noch dazu überreden es mit ins Meeting zu nehmen, was sich als gute Entscheidung herausstellen sollte.»

Die neue deutsche perfekte Welle?

Tatsächlich entwickelte sich «Perfekte Welle» zum Spätsommer-Hit und surfte bei ruhigem Seegang der Charts-Spitze entgegen. In Deutschland und in Österreich landete man schliesslich auf Platz 2, die Schweizer:innen waren ein wenig skeptischer und es reichte nur für Platz 18.

«Perfekte Welle» stand zugleich für einen Schwung deutschsprachiger Gitarrenbands, die damals überall grosse Konzert-Locations füllten und gerne im Radio gespielt wurden. Wir sind Helden hatten da im Vorjahr allerdings schon das Feld geebnet mit ihrem starken Debüt «Die Reklamation» und auch Silbermond waren schon erfolgreich.

Trotzdem gab es damals in der «Süddeutschen Zeitung» einen Artikel mit der Überschrift «Neue deutsche perfekte Welle» über diese Bands und das Juli-Label Universal machte eine Sampler-Reihe, die «Perfekte Welle – Musik von hier» hiess. Veröffentlichungen dieser Art und der Hurra-Patriotismus der Fussball-EM in Deutschland im Jahr 2006 sorgten allerdings auch für eine Gegenreaktion und Initiativen wie «I Can’t Relax In Deutschland», bei der Acts wie Tocotronic, Kettcar, Egotronic, Bernadette La Hengst, Stelle und Die Sterne das alles zum Kotzen fanden.

Die «Perfekte Welle» zerschellt am Weltgeschehen

Die «Perfekte Welle» in den Radios nahm Ende des Jahres 2004 kurz ein abruptes Ende: Als ein Erdbeben am 26. Dezember in Indischen Ozean eine Reihe von Tsunamis auslöste, bei denen hunderttausende Menschen ums Leben kamen, nahmen viele Radio- und TV-Sender den Song aus der Rotation. Ein Schritt, den die Band Juli ausdrücklich begrüsste.

Trotzdem hat sich «Perfekte Welle» in den Jahren danach wieder in die Herzen der Fans gespült. Und auch Eva Briegel sagte vergangenen Jahr in einem Interview mit der «Berliner Morgenpost»: «’Perfekte Welle’ liebe ich nach wie vor sehr. Der Song hat ein krasses Eigenleben entwickelt, und wir haben ihm sehr, sehr viel zu verdanken. Mit dem Gefühl, dass das Lied ausdrückt, nämlich auf die Welle zu springen und mich ganz weit tragen zu lassen, wohin auch immer, kann ich mich bis heute sehr gut identifizieren.»

Gerade ist Eva Briegel übrigens in der deutschen Version von «Sing mein Song» zu hören und durfte / musste letztens Hören, wie Johannes Oerding «Perfekte Welle» in einen Auto-Tune-verhallten Pop-Song verwandelte.

Juli spielen am 17. September im Kaufleuten in Zürich. Tickets und weitere Infos gibt es hier.

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