«All I Want For Christmas Is You» und 20 Mio. von Mariah Carey
Der wahlweise nervigste oder schönste, aber auf jeden Fall berühmteste Christmas Song von Mariah Carey läuft bereits in diversen Streaming-Charts heiss. Was die festliche Stimmung für die Sängerin trübt: Sie wird von Country-Sänger Andy Stone und dessen Songschreiber Troy Powers verklagt, weil sie glauben, Careys Hit verletze das Urheberrecht ihres Songs gleichen Namens aus dem Jahr 1989.
Mariah Careys «All I Want For Christmas Is You» erschien im Jahr 1994, brauchte aber eine Weile, bis er seine volle kommerzielle, pardon: besinnliche Macht entfaltete. Der Song, der Mariah Carey alle Jahre wieder hohe Tantiemen einbringen dürfte, landete erst im Jahr 2019 zum ersten Mal auf Platz 1 der US-Charts. Laut dem Guinness Buch der Rekorde ist er inzwischen die meistverkaufte Weihnachtssingle eines Solo-Acts in den USA. Das Streaming-Zeitalter scheint den Erfolg noch befeuert zu haben: 2021 stellte Carey einen Spotify-Rekord auf, nachdem das Stück am 24. Dezember ganze 17,4 Millionen Mal gestreamt wurde.
Weihnachten beginnt im September
Mittlerweile scheint es schon fast eine kultige Tradition geworden zu sein, «All I Want For Christmas Is You» ab dem Moment zu hören, in dem man sich zum ersten Mal die Frage stellt: Wie feiere ich eigentlich in diesem Jahr Weihnachten? Das geht bei vielen Menschen anscheinend schon im September los: Als in diesem Jahr gemeldet wurde, dass der Song zu der Zeit schon 300.000 Streams pro Tag sammelte, liess Mariah Carey amüsiert verlauten, man solle doch noch ein wenig Geduld haben. Letzten Sonntag fand sich «All I Want For Christmas Is You» dann in den Spotify-Charts auf Platz 54 wieder. Tendenz steigend, um nicht zu sagen: eskalierend.
Bereits zum zweiten Mal verklagt
In diesem Jahr dürfte Mariah Carey aber vielleicht gar nicht so sehr zum Feiern zumute sein. Bereits zum zweiten Mal wird sie von Country-Sänger Andy Stone verklagt. Der veröffentlichte 1989 unter dem Namen Vince Vance & The Valiants ein Lied gleichen Namens. Im Juni 2022 verklagte er Carey zum ersten Mal bei einem Gericht in Louisiana, zog die Klage aber fünf Monate später seltsamerweise zurück. Nun versucht er es, mit seinem Songwriter Troy Powers als Mitkläger, noch einmal beim Bundesgericht in Los Angeles und verlangt wieder einen Betrag von rund 20 Millionen Dollar. Laut Stone soll der Weihnachtshit die «kompositorische Struktur eines ausgedehnten Vergleichs zwischen einem geliebten Menschen und den Vorzügen des saisonalen Luxus» sowie andere musikalische und auch lyrische Elemente kopiert haben.
50 Prozent der Wörter sind gleich
Der Anwalt Douglas M. Schmidt, der bei der ersten Klage an Bord war, äusserte sich gegenüber dem amerikanischen Magazin Rolling Stone zu dem Streit. Er sagt: «Wenn man sich beide Songs anschaut, kann man sehen, dass etwa 50 Prozent der Wörter gleich sind, in fast derselben Reihenfolge. Ich denke, das ist ein ziemlich starker Anspruch», so der Jurist. Zwar wurde der Versuch unternommen den Fall aussergerichtlich zu lösen, allerdings ohne zufriedenstellende Lösung. «Jetzt streben wir einen finanziellen Abschluss entweder durch einen Vergleich oder einen Prozess an», sagt derweil Stones Manager Jay Ceravolo in einer Erklärung. «Es handelt sich hier schlichtweg um einen Fall von Urheberrechtsverletzung.»
Die Redewenung «All I Want For Christmas Is You» sei Ende der 80er noch «einzigartig» gewesen
Beim neuen Prozess werden Andy Stone und Troy Powers nun von Gerard P. Fox vertreten. Er ist sozusagen Experte auf diesem Feld und vertrat zum Beispiel 2017 die Songwriter Sean Hall und Nathan Butler, die Taylor Swift verklagten. Sie habe für «Shake It Off» einige Formulierungen aus deren Song «Playas Gon' Play» verwendet. Die Klage wurde jedoch abgewiesen. Im aktuellen Fall schätzt Fox naturgemäss seine Chancen bessern ein. Er sagt, selbst wenn die Formulierung «All I Want For Christmas Is You» zwar «heute wie eine gängige Redewendung erscheinen mag, war sie 1988 im Kontext jedoch einzigartig.» Die These der Ankläger: Der Song sei nach ihren Angaben vor allem im Jahr 1993 ausgiebig im amerikanischen Radio gespielt worden. Carey hätte ihn also gehört – und ein Jahr später abgerippt.
Mariah Carey streitet auch seit Jahren mit ihrem Co-Writer
Die Klage verweist auch auf Unstimmigkeiten zwischen Mariah Carey und ihrem langjährigen Co-Songwriter Walter Afanasieff, der mit ihr u. a. «All I Want For Christmas Is You» schrieb. Er und Carey hatten sich schon vor über zwanzig Jahren zerstritten. Afanasieff war bei Careys Ehemann Tommy Mottola unter Vertrag, der damals Chef von Sony Music Entertainment war. Nachdem sich Carey von Mottola hat scheiden lassen, habe sie weiter mit Afanasieff arbeiten wollen, der aber habe das aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht gedurft. Das hätte Carey persönlich genommen, so Afanasieff. Im letzten Jahr sprach Walter Afanasieff dann in einem Podcast darüber, dass Carey angeblich irgendwann begonnen habe, eine «alternative Entstehungsgeschichte» über «All I Want For Christmas Is You» zu erzählen, in der sie behauptete, sie habe sich das Lied in Teilen schon als Kind ausgedacht und damals auf ihrem Keyboard gespielt. Dazu äusserte sich Carey dann mal in einem offiziellen Statement – was sie bei Stones Klagen bisher nicht tat. Ein Sprecher der Sängerin sagte: «Mariah hat nie behauptet, dass sie 'All I Want for Christmas' selbst oder als Kind geschrieben hat. Sie hat Walter immer die Credits gegeben, da er auch als Autor des Liedes gelistet ist. Der Vorwurf ist lächerlich.» Ausserdem sagte der Sprecher: «Keine Ahnung, wo das Gerücht herkommt, aber Mariah hat grossen Respekt vor Songwriter:innen und ihrem Handwerk – sie ist ja selbst eine.»
Man darf gespannt sein, wie diese Klage nun ausgehen wird. Und sollte Mariah Carey siegreich aus dieser Auseinandersetzung hervorgehen, bleiben Andy Stone nach Zählung des Rolling Stone noch 177 weitere Acts, die auch einen Song namens «All I Want For Christmas Is You» haben. Darunter übrigens auch einige Lieder, die vor der Version von Vince Vance & The Valiants veröffentlicht wurden …