Veröffentlicht am 15. April 2024

Wir müssen leider über Jojo Siwa reden

Mit überschaubarem Talent und maximaler Aufdringlichkeit hat sich Jojo Siwa ins Rampenlicht katapultiert. Bisher war ihre Präsenz weitgehend auf Nordamerika beschränkt, diese Zeiten sind nun leider vorbei.

Journalist
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«Jojo Siwa hat extrem teure Zähne», «Jojo Siwa hat einen Samenspender gefunden», «Jojo Siwa rockt den roten Teppich» - auch wer Gossip- und Promi-News lieber aus dem Weg geht, dürfte in den vergangen Wochen wohl über eine dieser oder eine ähnliche Schlagzeilen gestolpert sein und sich daraufhin (zurecht) gefragt haben: «Who the f*ck ist Jojo Siwa?»

Wer ist Jojo Siwa?

Jojo Siwas stand 2013 zum ersten Mal vor der Kamera, so richtig begann ihre Karriere jedoch erst zwei Jahre später, mit der US-Reality Show «Dance Moms». In der Show werden Kinder von ihren viel zu ehrgeizigen Müttern so lange für das Show-Business gedrillt, bis eine davon heult. Schützenhilfe gibt’s dabei von der Moderatorin Abby Lee Miller, die neunjährigen Mädchen gerne mal vorwirft, dass sie zu fett oder zu blöde seien. «Dance Moms» wurde 2020, nach einem rassistischen Kommentar von Miller, abgesetzt.

Drama und traumatisierte Kinder: «Dance Moms» in Action.

Mit absurd bunten Outfits und ihrer ebenso überdrehten Persona etablierte sich Jojo Siwa im Anschluss daran als Sängerin und Influencerin, was ihr sogar einen Eintrag bei den «100 most influential people in world»-Liste des Time Magazine einbrachte.

Soweit so normal - zumindest gemessen am Standard des wirren amerikanischen Personenkults.

Warum ist Joja Siwa plötzlich überall?

Am 19. Mai wird Jojo Siwa 21 Jahre alt und damit, nach dem Gesetz in ihrer Heimat, volljährig. Aufgrund dessen geht die Künstlerin gerade durch ein Rebranding und versucht sich als erwachsener Popstar zu etablieren. Der Schritt von Nickelodeon zu MTV, quasi. Der erste musikalische Vorstoss dafür ist der Song «Karma», der mit den Worten «I was a bad girl, I did some bad things» eröffnet und ja, das ist genauso cringey, wie ihr euch das gerade vorstellt. Tendenziell eher noch mehr.

Die «Bad Girl»-Attitüde zieht sich wie ein roter Faden durch Siwas Rebranding. Sie gibt sich rebellisch und unangepasst und sie tut dies mit der Authentizität von einem Dolce & Gabbana-Gürtel, den man für vier Franken an einem Strand in Bali gekauft hat.

Miley Cyrus als Vorbild

Das «Good girl gone bad»-Storytelling ist an sich nichts Neues im Pop. In den frühen 2000er emanzipierten sich Britney Spears und Christina Aguilera von Teenie-Stars zu Pop-Sternchen. Miley Cyrus hat dieses Rebranding rund zehn Jahre später perfektioniert und genau das probiert Jojo Siwa derzeit. Unbestätigten Gerüchten zufolge war «Karma» sogar ursprünglich für Mileys Album «Can’t Be Tamed» gedacht.

Die subtilen Geheimcodes hinter Mileys «Flowers» | ZUM ARTIKEL

Keine Glaubwürdigkeit, kein Plan …

«Karma» hat auf Youtube nach zehn Tagen über eine Millionen Dislikes angesammelt. Dies wahrscheinlich auch, weil das Video absolut furchtbar ist. Siwa reibt sich darin für unangenehme 15 Sekunden an einer überforderten Tänzerin und das auf einem Set, das ein bisschen wie die Insel aus dem Spongebob-Intro aussieht.

Trockenübungen am Strand.
Trockenübungen am Strand.

… und keine Ahnung

In den letzten Monaten hat Siwa zudem immer wieder fragwürdige Statements abgegeben. Komplett in die Nesseln setzte sie sich Anfang April während eines Interviews mit dem Billboard Magazine. Dort verkündete die 20-jährige, dass sie ein neues Musikgenres starten möchte und zwar Gay-Pop, worauf die LGBTQIA+-Szene mit einem kollektiven «Oh, Honey» reagierte.

Tegan & Sara, zwei sehr erfolgreiche, sehr lesbische Pop-Musikerinnen nehmen Stellung zu Siwas Aussage.

Auch wenn Gay-Pop kein «offizielles» Musikgenre ist, so existiert anderssexuelle Musik doch bereits seit Jahrzehnten. Acts wie die Village People, Bronski Beat und die Pet Shop Boys eroberten mit queeren Hymen die Charts der 80er.

«Smalltown Boy» von Bronski Beat. Eine Gay-Hymne aus dem Jahr 1984, die es in der Schweiz bis auf den zweiten Platz der Hitparade schaffte.

Hinzu kommt der Erfolg von Sapphic Pop, einem ebenfalls queeren Subgenre der Indie-Musik, mit dem Phoebe Bridgers, Clairo und vor allem Girl in Red derzeit die Stadien füllen und Milliarden von Streams verbuchen.

Siwa relativierte ihre Aussage wenige Tage später. Der Schaden war da aber schon angerichtet.

Fazit

Seit es Popmusik gibt, gibt es label- und marketing-gesteuerte Musikerinnen und Musiker und bis zu einem gewissen Punkt ist das auch ok, Musik ist schliesslich ein Milliardengeschäft. Selten war der Versuch von einem orchestrierten Imagewechsel aber so plump wie im Falle von Jojo Siwa.

Die Irrfahrt hatte zu Beginn noch einen gewissen Unterhaltungswert, unterdessen bewegt sich Siwa aber in einem ähnlichen Kosmos wie andere Celebs, bei denen zehn Jahre später niemand mehr weiss, warum sie überhaupt berühmt geworden sind.

Wahrscheinlich kratzt sie das aber nicht besonders. Auf TikTok folgen der Entertainerin über 45 Millionen Fans. Wer braucht da schon gute Presse?

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