Veröffentlicht am 08. August 2024

Was wird aus dem K in K-Pop?

Die britische Boyband Dear Alice und KATSEYE (Foto) werden nach K-Pop-Methoden ausgebildet, während viele K-Pop-Bands vermehrt rein englisch-sprachige Songs veröffentlichen. Was auf der einen Seite ein globaler Siegeszug ist, führt bei einigen zu der Frage: Verliert K-Pop so langsam seine koreanische Identität?

Journalist
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Über den globalen Siegeszug von K-Pop haben wir schon oft geschrieben. Seitdem BTS, Twice und Blackpink in die Regionen vorgedrungen sind, die man mal Mainstream nannte, wissen pop-interessierte Menschen um die sagenhafte Power dieses gar nicht mal so grossen Landes.

Aber schon die Geburtsstunde des jüngsten und intensivsten K-Pop-Hypes warf Fragen auf, die heute aktueller denn je sind. Los ging es, als BTS 2020 den komplett englischsprachigen Song «Dynamite» veröffentlichten. Geschrieben wurde er von David Stewart und Jessica Agombar, produziert von Stewart. BTS selbst, die einige Produzenten und Songwriter in ihren Reihen haben, waren nur als Performer am Start.

Das Formatradio mag keine Sprachbarriere

Zu der Zeit wusste man natürlich schon, wer BTS sind. Immerhin verkauften sie da schon seit Jahren innerhalb von Minuten Stadien und Arenen aus und hatten beeindruckende Streamingzahlen.

Aber nun hörte man «Dynamite» plötzlich auch in Bäckereinen und in Cafés, es lief auf den gängigen Formatradiostationen und wurde in Reality-TV-Shows als Hintergrund-Musik genutzt. Die Nachfolge-Single «Butter», ebenfalls auf Englisch vorgetragen, war dann gar noch erfolgreicher.

Pop oder K-Pop?

Die beiden Videos zeigen deutlich, was hier los ist: Der Vortrag, die Optik, der bunte Style und vor allem die beeindruckenden Tanz-Performances sind durch und durch K-Pop. Aber die Songs selbst?

Eigentlich sind es recht generische, wenn auch ziemlich gute Popsongs angloamerikanischer Prägung, überwiegend entstanden in der klassischen Popmusikschmiede, die von britischen, amerikanischen und schwedischen Songwriter:innen und Produzent:innen dominiert wird.

K-Pop-Streams haben sich (fast) verdoppelt | ZUM ARTIKEL

Was die internationalen K-Pop-Fans lieben: Das Zusammenspiel von koreanischen und englischen Lyrics, die Referenzen zur koreanischen Kultur, wurde bei «Butter» und «Dynamite» schlichtweg eliminiert. Zum «Preis» eines noch grösseren Publikums.

Andere Acts wie zum Beispiel Twice folgten diesem Beispiel. Die Girlgroup, einer der erfolgreichsten Südkoreas, veröffentlichte Songs wie «The Feels» und promotete diese massiv in den US-Medien – auch, wenn nur wenige Bandmitglieder English sprechen.

«Die zehn Milliarden schwere K-Pop-Industrie steht vor einer Identitätskrise.»

Vor einigen Tagen schrieb die die südkoreanische Journalistin Sohee Kim einen Artikel für Bloomberg mit dem Titel: «Die zehn Milliarden schwere K-Pop-Industrie steht vor einer Identitätskrise.»

Kim erwähnt zunächst die «Hallyu» – die «koreanische Welle», die durch koreanische Filme, Serien, Restaurants und eben K-Pop-Stars die Welt eroberte. Dann schreibt sie: «Südkorea übt auf der ganzen Welt eine ähnliche Faszination aus wie Japan schon seit einer Generation oder länger. Korea ist weit weg, anders, faszinierend.»

Dann erzählt sie: «Aber ich habe auf meinen Reisen auch etwas Neues entdeckt. Jetzt tauchen dort ‘lokalisierte’ Idol-Gruppen auf, eine Art Pop-Version der Fusionsküche.» Damit meint Sohee Kim Gruppen wie XG, KATSEYE oder neuerdings Dear Alice.

Die Fusionsküche der Popmusik

XG ist eigentlich eine japanische Rap- und Pop-Gruppe, die allerdings in Südkorea lebt und dort von einer Produktionsfirma in Seoul ausgebildet wurde. KATSEYE wiederum kennt man inzwischen – sie sind die global gecastete Girlgroup, die massgeblich von der BTS-Produktionsfirma HYBE konzipiert und trainiert wurde und mit Manon Bannerman auch eine Schweizerin an Bord haben.

KATSEYE sind wohl eine der diverseste Girlgroups der Welt, aber man sieht ihnen die Ausbildung im koreanischen Trainee-System eindeutig an. Wie es dort zugeht, kann man Ende August in einer neuen Netflix-Doku sehen. Schon im Trailer hört man das Zitat: «Wir hatten die Vision, das K aus dem K-Pop zu nehmen, und das Phänomen global zu machen.» Als wäre K-Pop das nicht schon längst …

Dear Alice: Made in UK? Oder doch in Korea?

Skeptisch und interessiert schaut die K-Pop-Bubble auch auf die kürzlich vorgestellte Band Dear Alice. Fünf junge Engländer, die von der südkoreanischen Firma SM Entertainment in Seoul ausgebildet und von einer britischen Produktionsfirma gecastet wurden – unter anderem von Leuten, die auch One Direction zu Stars machten.

Die Show, die den Weg von Dear Alice zeigt, trägt den Titel: «Made In Korea: The K-Pop Experience». Mehr Korea passt nicht in einen Titel. Wüsste man nicht, dass die Show auf BBC laufen wird, käme man nie drauf, dass hier rothaarige, blonde, braunhaarige, blasse, aber auch sweete Britboys singen und tanzen.

All diese Kooperationen entsprechen der Logik der K-Pop-Industrie, die sich schon immer sehr gezielt auf grosse Märkte ausrichtete und zum Beispiel schon früh begann, K-Pop-Hits noch einmal auf Japanisch zu veröffentlichen.

Aber es bleibt für viele Fans, die mit der Liebe zu K-Pop auch die Liebe zur koreanischen Sprache und Kultur verbinden, die Frage, was am Ende noch übrig bleibt von Korea im K-Pop.

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