Veröffentlicht am 25. März 2024

So schreibt man (angeblich) einen Ohrwurm

«Ohrwurm» ist ein seltsames Wort: irgendwie süss, irgendwie eklig. Was wiederum gut die Wirkung dieser Lieder beschreibt, gegen die man sich nicht wehren kann – wobei manchmal egal ist, ob man sie mag oder nicht. Aber was macht eigentlich einen Ohrwurm aus? Antworten liefert eine Studie aus England.

Journalist
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Dienstagmorgen, zehn Minuten vor der Redaktionskonferenz. Kurz noch die Themenvorschläge zusammenstellen. Ein Thema fehlt noch. Recherche. Konzentration. Und plötzlich wird es wieder laut. Das, was schon den ganzen Morgen im Kopf des Redakteurs lief, drängt wieder in den Vordergrund, überönt alle anderen Gedanken: «I come and I go / Tell me all the ways you need me / I'm not here for long / Catch me or I go Houdini / I come and I go / Prove you got the right to please me / Everybody knows / Catch me or I go Houdini.» Arrrggggggghhh…

«Dissecting an Earworm»

Es gibt natürlich viel schlimmere Ohrwürmer als diesen verdammt guten Popsong von Dua Lipa. Und «Houdini» war es schliesslich auch, was den Redakteur auf das fehlende Thema brachte – die Frage nämlich: Was macht eigentlich einen guten Ohrwurm aus? Wer Antworten sucht, landet bei einer Studie aus dem Jahr 2017.

Kelly Jakubowski und ihre Kolleg:innen forschten damals an der britischen Durham University zu dem Thema und veröffentlichten ihre Erkenntnisse unter dem Titel «Dissecting an Earworm: Melodic Features and Song Popularity Predict Involuntary Musical Imagery».

Laut Studie sind BTS und Billie Eilish zum Einschlafen | ZUM ARTIKEL

Als Forschungsgrundlage wurde 3000 Menschen gefragt, an welche Lieder sie sich spontan erinnern würden. Diese wurden dann wiederum intensiv auf Gemeinsamkeiten untersucht. Am meisten genannt wurden dabei Lady Gagas «Bad Romance» und Kylie Minogues «Can’t Get You Out Of My Head».

Die Psychologin Kelly Jakubowski stellt in der Studie fest: «Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich ungefähr vorhersagen lässt, ob sich eine Melodie in den Köpfen der Menschen verfängt. Das könnte Songwriter:innen oder Werber:innen helfen, Jingles zu schreiben, an die man sich tage- und monatelang erinnern wird.» War vielleicht nett gemeint, liest sich aber irgendwie wie eine Drohung.

Regel 1: Keep it simple!

Jakubowski arbeitet in der Studie fünf Kernmerkmale raus, die als Regeln formuliert durchaus beim Songwriting helfen können. Die erste klingt relativ schlüssig: Keep it simple! Ohrwürmer sind oft sehr eingängige Melodien mit wechselnden Tonhöhen – was sie zu Artverwandten erfolgreicher Kinderlieder macht.

Vor allem wenn die Töne erst steigen und dann fallen, bleiben diese Songs auf lange Zeit hängen. Was zum Beispiel erklärt, warum diese Kackband uns immer wieder ihre Lieder wie einen hartnäckigen Virus anhängt:

Regel Nummer 2: Alles auf die Hook!

Die Hook in einem guten Popsong heisst ja nicht von ungefähr so: Auch dieses Wort ist – ähnlich wie das zugleich süsse und eklige «Ohrwurm» – im Grunde mit Vorsicht zu geniessen. Ein Song hat uns vor allem dann am Haken, wenn ein besonders einprägsamer Part darin sehr oft wiederholt wird.

Das in Verbindung mit einer hohen Radiopräsenz ist und bleibt ein guter Nährboden für hartnäckige Ohrwürmer. Die Hook muss dabei allerdings nicht unbedingt gesungen sein. Als eines der besten Beispiele gilt «Seven Nation Army» von den White Stripes, bei dem die Hook ein Gitarrenriff ist, das wie ein Bass klingt.

Regel 3: Es braucht Überraschungen!

Das gewisse Etwas darf aber ebenso wenig fehlen: Sonst hätte ja sicher schon jemand mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz DIE Formel gefunden und uns allen die Hirne frittiert. Gerät ein Song nämlich zu simpel, bleibt er weniger gut hängen als Lieder mit ungewöhnlichen Intervallen und überraschenden Tonsprüngen oder Rhythmuswechseln. Ein gutes Beispiel dafür ist «My Sherona» von The Knack.

Regel 4: Text ist wichtig!

Ein guter Ohrwurm erlangt seine Zugänglichkeit auch mit dem richtigen Einsatz von Sprache. Dabei kommt es natürlich nicht drauf an, wie deep oder emotional ein Text ist – sonst gäbe es kaum rationale Erklärungen für den immensen Erfolg des Blackpink-Songs «DDU-DU DDU-DU». Oft sind es eher Wortkombinationen, die besonders gut über die Zunge und ins Ohr gehen. Oder auch Catchphrases, die sehr pointiert Emotionen und Assoziationen auslösen können.

Ein gutes und gerade wieder aktuelles Beispiel für einen sogar gut getexteten Ohrwurm ist «Murder On The Dancefloor» von Sophie Ellis-Bextor, das gerade dank einer Szene im Film «Saltburn» den verdienten zweiten Frühling feiert. Ein höllisch catchy geratener Song mit grandiosen, abgründigen Zeilen, die auf einer auf perfekten Hook serviert werden, an der noch Blut klebt: «It's murder on the dancefloor. But you better not kill the groove. DJ, gonna burn this goddamn house right down».

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