Placebos erster Hit war ein kleiner Skandal
Im Jahr 1997 mischten Brian Molko und seine Band Placebo mit ihrem Hit «Nancy Boy» die Rockwelt auf. Themen wie Geschlechtsidentität und ein bisexueller Lifestyle wirkten in den 90ern wie ein Fremdkörper in dem Genre und sorgten damals für einen kleinen Skandal. Vor ihrem Auftritt am Stars in Town werfen wir einen Blick zurück auf den alternativen Hit.
Rewind ins Jahr 1994: Während der Grunge-Hype langsam abflacht, laufen Gitarren-Fans zum Alternative Rock über. Mit dabei sind Brian Molko, Stefan Olsdal und Robert Schultzberg. Das pulsierende London ist ihr Spielplatz, wo sich die drei Musiker als Placebo einen Namen in der lokalen Szene machen. Am 17. Juni 1996 erscheint das selbstbetitelte Debüt «Placebo» und erobert dank der Single «Come Home» schnell die Herzen der Indie-Fans.
Der Durchbruch sollte aber erst im nächsten Jahr mit folgen. «Nancy Boy» ist sowas wie das private Tagebuch von Bandleader Molko und behandelt Themen, die 1997 noch ziemlich avantgardistisch sind. Der Titel, eine abwertende englische Bezeichnung für feminine Männer, erzählt von einer Figur, die in einem Strudel aus Sex und Drogen versinkt und dabei klassische Männlichkeitsideale hinterfragt.
Inmitten des Britpop-Wirbels der späten 90er, angeführt von den Gallagher-Brüdern und Blur, brach Brian Molko mit Konventionen. Mit seinem androgynen Look und provokanten Texten setzte er sich bewusst von den damals vorherrschenden, oft als toxisch empfundenen Verhaltensmustern ab.
Musikalisch verkündete Molko 1997 bereits deutlich: «Wir wollten soundtechnisch eine Art drogengetränkte, sexuell aufgeladene Atmosphäre schaffen. Ein Autogeräusch im Hintergrund simuliert die ersten Wellen von Ekstase. Es ist unüberhörbar, dass die Figur im Song in diesem Moment unter Drogeneinfluss steht. Manchmal ist man so high, dass nur noch der Gedanke an Sex bleibt.»
Doch diese Erfolgsgeschichte hatte auch ihre Schattenseiten. David Fox, der Junge auf dem Albumcover, fühlte sich hintergangen. 2012 drohte er der Band mit rechtlichen Schritten, da sie sein Leben «ruiniert» hätten. Er beschuldigte sie, die Fotos, ohne Erlaubnis verwendet zu haben. Nach dem Durchbruch des Albums wurde er in der Schule so heftig gemobbt, dass er diese frühzeitig verlassen musste und schliesslich arbeitslos wurde.
Auch der Sänger Brian Molko betrachtet das Lied heute ähnlich distanziert wie Radiohead ihren Hit «Creep».
«Ich hätte mir gewünscht, dass der Song, der uns ins Rampenlicht katapultierte, besseres Songwriting gehabt hätte. Besonders die Texte fühlen sich fremd an. Das war ich, auf der Suche nach meiner Identität.»
Brian Molko - Kerrang
Trotzdem bleibt «Nancy Boy» ein Klassiker im Repertoire von Placebo. Mit dieser Single rüttelte Placebo nicht nur die Rockwelt auf, sondern ebnete auch den Weg für eine weitreichende Auseinandersetzung mit Identität und Meinungsfreiheit. Ein Meilenstein in der Rockgeschichte, der seine Relevanz bis heute hält.
Placebo wird am 9. August 2024 beim Stars in Town Festival in Schaffhausen auf der Bühne stehen. Tickets und weitere Informationen gibt es HIER.