Veröffentlicht am 30. September 2024

LEIDER GEIL – Deichkind spielen bald in Zürich

Sattelt eure Einhörner und spitzt die Partyhüte: Die «KIDS IN MEINEM ALTER»-Tour von Deichkind macht Mitte Dezember im Zürcher Hallenstadion Halt. Wir freuen uns!

Journalist
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Deichkind sind und bleiben ein Gesamtkunstwerk. Ihre grellen, ironischen, unterhaltsamen Liveshows werden nur überboten von ihrer Fähigkeit unser seltsames Leben in knackige Slogans zu packen. Die fünf besten davon stellen wir hier kurz vor:

1. LEIDER GEIL

Die Idee dieses Songs geht auf den Autoren, Texter und Journalist Gereon Klug zurück, der gerade erst das sehr unterhaltsame Buch «Die Nachteile von Menschen» veröffentlicht hat. Klug hat einige Jahre als Werbetexter gearbeitet und steuert immer wieder Texte und Ideen zum Deichkind-Werk bei. Vielleicht liegt es an Leuten wie ihm, dass Deichkind immer wieder den Nagel auf den Kopf treffen und Slogans zimmern, für die so manche Werbe-Nase vieles geben würde. Seit «Leider geil» ist die Welt eine andere: Man braucht kein «Guilty Pleasure» mehr, weil diese beiden Worten auf die Dinge zielen, für die man sich tief im Inneren wirklich schämt: Und das ist nicht das Faible für frühe Britney-Spears-Single, sondern der fette McDonalds-Burger, den man sich dann doch mal besoffen gönnt, obwohl man gerade seinen Freund:innen erzählt, dass man nur noch vegetarisch unterwegs ist …

2. IMPULSIVE MENSCHEN KENNEN KEINE GRENZEN

Die Slogan-Dichte wurde zum ersten Mal auffällig, als Deichkind in neuer Besetzung ihre «Hamburch»-Rap-Roots zurückliessen. Das passierte auf dem dritten Album, das mit «Aufstand im Schlaraffenland» schon einen Titel hat, der sich auch gut auf Protestplakaten machte. Darauf war auch ihr Hit «Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)», aus dem die Zeile stammt: «Impulsive Menschen keinen keine Grenzen». Klar, der Chorus ist auch catchy as fuck und ein guter Slogan, aber der Kern des Songs steckt in diesen Worten. In Zeiten, in denen freidrehender Hedonismus das Mass aller Dinge war, erinnern Deichkind mit süffisantem Biss daran, das hinter dem Exzess von Wohlstandskindern oft vor allem Rücksichtlosigkeit und verklärtes, übergriffiges Verhalten steckt.

3. NIVEAU WESHALB WARUM

Die «Sesamstrasse» kennt man im deutschsprachigen Raum natürlich – und damit auch die Liedzeilen «Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.» Deichkind gaben dem Ganzen ihren eigenen Spin für den Titeltrack ihres 2015ern-Albums. Sie sangen «Niveau? Weshalb? Warum?» Und ergänzten: «Wer uns fragt, bleibt dumm.» Damit greifen sie hoch-ironisch und genial-stumpf die alte Frage auf, ob Deichkind denn nun wirklich intellektuelle Unterhaltung sind, oder die Konzerte doch nur auf Saufi-Saufi und Remmidemmi abzielen. Selbst, wenn die Antwort irgendwo in der Mitte liegt, lassen Deichkind diese Diskussion lässig abperlen. Dass die T-Shirts mit den Worten «Niveau Weshalb Warum» Bestseller im Merch-Shop sind und im öffentlichen Raum sehr häufig für Entzückung sorgen, wundert dann auch nicht mehr. Hat der Autor dieser Zeilen übrigens selbst getestet: Gibt kaum ein Shirt, auf dass er häufiger angesprochen wird (ausser das rosafarbene von Napalm Death und das Shirt von Team Scheisse vielleicht).

4. ARBEIT NERVT

Ein weiterer Slogan aus der Reihe: Endlich sagt’s mal eine:r! Der Song «Arbeit nervt» ist gefühlt Jahr für Jahr relevanter geworden. Erst laberten uns die Banker und Manager voll, dass es cool sei, sich totzuarbeiten. Dann kamen die Tech-Bros und Start-up-Kasper, die meinten, man müsse 20 Stunden seines Tages in der «Wir sind ein Familie»-Bürobutze mit Kickertisch verbringen. Und jetzt haben wir die Busines-Podcast-Vollpfosten auf der «For You»-Page von TikTok, die uns erzählen wollen, dass man, wenn man mit zwanzig keine Rolex hätte, ein Loser sei. Vor allem die Pandemie schien dann aber bei der jüngeren Generation zu einem Umdenken geführt zu haben: Heutzutage fragen sich viele zurecht, ob weniger und dafür besser arbeiten nicht eigentlich effektiver sei und ob man mit einer gesunden Work-Life-Balance nicht am Ende glücklicher und älter wird.

5. BÜCK DICH HOCH

Dieser Song vom 2012er-Album «Befehl von ganz unten» zielt auch wieder auf das neoliberale Mindset und die weit verbreitete Arschleckerei, die man vor allem in autoritär geführten Firmen finden. Im Pre-Chorus und im Songtitel steckt eigentlich das ganze Elend einer toxischen Arbeitswelt. «Klick dich, fax dich, mail dich hoch / Grapsch dich, quetsch dich, schleim dich hoch / Kick dich, box dich, schlaf dich hoch / Bück dich hoch, ja». Deichkind klingen in diesem Song dann auch gar nicht so ironisch-lässig, über allem schwebend wie sonst. Im Gegenteil: Sie spucken diese Zeilen eher giftig und verächtlich aus.

Am 13.12.2024 spielen Deichkind im Hallenstadion in Zürich. Tickets und Infos gibt es hier.

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