Veröffentlicht am 20. September 2023

Kunst & Cover: Die blaue Phase von Chris Rea

Chris Reas spätere Albumcover sind auffällig oft blau. Mag der Sänger einfach die Farbe so gern oder steckt mehr dahinter? Wir haben nachgeforscht.

Journalist
1582

Lebensmittelladen-Verkäufer:innen hassen Chris Rea wahrscheinlich genauso sehr wie Mariah Carey und Wham, denn mit «Driving Home For Christmas» hat der Brite seinen Teil zur unzerstörbaren Dreifaltigkeit der nervigen Weihnachtssongs beigetragen. Die restlichen Werke Reas sind ein wenig in Vergessenheit geraten, auch wenn Hits wie «The Road to Hell», «And You My Love» und «On the Beach» natürlich immer noch gern gehörte Klassiker sind, die – im Vergleich zu anderen Songs aus dieser Zeit – nicht komplett zu Tode gespielt wurden.

2019 erschien das letzte Album des Blues Rock-Sängers und da dieser seit einer Krebserkrankung und einem Schlaganfall gesundheitlich angeschlagen ist, stehen weitere Releases stark in Frage.

«I'm blue, da ba dee da ba di...»

Uns bleibt also für den Moment nur sein Backkatalog und wer diesen anschaut, wird auffallen, wie dominant die Farbe Blau zum Einsatz kommt. Das beste Beispiel dafür ist The Blue Jukebox (2004), auf dem man Ähnlichkeiten mit dem Gemälde «Night Hawks» (1942) des amerikanischen Künstlers Edward Hopper erkennt. In Chris Version wird ebenfalls eine Szene mitten in der Nacht gezeigt, in der durch die Scheibe eines Diners man Menschen sieht, jeder scheinbar für sich allein am Tresen sitzend und mit gesenktem Blick vor sich hin starrend; die Stadt scheint genauso leer und still wie das Diner selbst.

Quelle: Edward Hopper, Public domain, via Wikimedia Commons
Quelle: Edward Hopper, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Isolation zwischen den Menschen, wie auch zwischen ihnen und ihrer Umgebung, bleibt sowohl in Hoppers als auch in Chris Reas Bild erhalten. Doch auf Reas Albumcover erhellt das blaue Neonlicht einer Jukebox das Innere des Diners und die Strasse, auf der es sich befindet; die Intensität der blauen Farbe ist absichtlich gewählt. Farben werden Bedeutungen zugeteilt und je nach (kunst-) geschichtlichem oder theologischem Kontext variieren deren Interpretierungen. Im Grossen und Ganzen überschneiden sich die Kontexte in einem Punkt: Blau ist die Farbe der Wahrheit. Denn wenn die Wolken vom Himmel verschwinden, offenbaren sie dessen «wahre» Farbe - und Wahrheit spielt für Chris Rea eine grosse Rolle.

  - Quelle: Wikimedia
- Quelle: Wikimedia

Es gibt vor allem zwei Wahrheit, auf die Rea mit dem Blaulicht der Jukebox anspielen will. Die erste ist, dass selbst in trostlosen Zeiten, in denen es nichts zu lachen gibt, man wenigstens noch die Musik hat, die einem Freude bereitet. Die zweite ist, dass Rea 2002 sein eigenes Label Jazzee Blue gründete, weil er den Druck der Musik-Industrie nicht mehr aushielt. Er begann, die Musik zu spielen, die er mochte und konnte sich endlich so entfalten, wie er wollte, um seine eigene «wahre» Musik zu spielen.

Das Album selbst handelt davon, wie schwierig es ist, als Künstler zu überleben - vor allem, wenn man im höheren Alter nicht mehr allzu radiotaugliche oder -relevante Musik macht. Es sei ein steiniger Weg gewesen, voller persönlichen Versagens und verpasster Chancen. Doch schlussendlich fand er den Weg zu sich selbst, und zwar dank Jazz und Blues (Wieder etwas Blaues, der Kreis schliesst sich).

Empfohlene Artikel

Sgt Pepper

Pop Art trifft auf Verschwörungstheorie: Das mysteriöseste Plattenc...

Wusstet ihr, dass Paul McCartney eigentlich schon längst verstorben ist und die Hinweise darauf auf Sgt. Pepper’s Lonely Heart Club Band Plattencover zu finden sind? Das besagt zumindest eine der hartnäckigsten Verschwörungstheorien der Popkultur.
Blurthinktank

Graffiti-König oder Sell-Out: Gab Banksy für Blur seine Prinzipien ...

Banksy machte aus illegaler Randgruppen-Kunst kommerzielle Popkultur. Dies nicht zuletzt durch clever illustrierte Gesellschaftskritik, die zum Nachdenken einlädt. Doch ist seine Streetart zweckentfremdet, wenn sie nicht nur für den öffentlichen Raum, sondern auch für Albumcover weltberühmter Bands gemacht wird?
whitestripes

Aussenseiter-Kunst trifft Indie-Rock: Die Bildsprache von The White...

Bereits 12 Jahre ist es her, seit sich The White Stripes aufgelöst haben. Das Duo aus Michigan bleibt jedoch unvergessen und das nicht nur aufgrund von ihren zahlreichen Hits. Konsequent, wie kaum ein anderer Act zogen The White Stripes eine ästhetische Linie durch, deren Geschichte in der Niederlande beginnt.

Gefällt dir der Artikel?