Kunst & Cover: Die blaue Phase von Chris Rea
Chris Reas spätere Albumcover sind auffällig oft blau. Mag der Sänger einfach die Farbe so gern oder steckt mehr dahinter? Wir haben nachgeforscht.
Lebensmittelladen-Verkäufer:innen hassen Chris Rea wahrscheinlich genauso sehr wie Mariah Carey und Wham, denn mit «Driving Home For Christmas» hat der Brite seinen Teil zur unzerstörbaren Dreifaltigkeit der nervigen Weihnachtssongs beigetragen. Die restlichen Werke Reas sind ein wenig in Vergessenheit geraten, auch wenn Hits wie «The Road to Hell», «And You My Love» und «On the Beach» natürlich immer noch gern gehörte Klassiker sind, die – im Vergleich zu anderen Songs aus dieser Zeit – nicht komplett zu Tode gespielt wurden.
2019 erschien das letzte Album des Blues Rock-Sängers und da dieser seit einer Krebserkrankung und einem Schlaganfall gesundheitlich angeschlagen ist, stehen weitere Releases stark in Frage.
«I'm blue, da ba dee da ba di...»
Uns bleibt also für den Moment nur sein Backkatalog und wer diesen anschaut, wird auffallen, wie dominant die Farbe Blau zum Einsatz kommt. Das beste Beispiel dafür ist The Blue Jukebox (2004), auf dem man Ähnlichkeiten mit dem Gemälde «Night Hawks» (1942) des amerikanischen Künstlers Edward Hopper erkennt. In Chris Version wird ebenfalls eine Szene mitten in der Nacht gezeigt, in der durch die Scheibe eines Diners man Menschen sieht, jeder scheinbar für sich allein am Tresen sitzend und mit gesenktem Blick vor sich hin starrend; die Stadt scheint genauso leer und still wie das Diner selbst.
Die Isolation zwischen den Menschen, wie auch zwischen ihnen und ihrer Umgebung, bleibt sowohl in Hoppers als auch in Chris Reas Bild erhalten. Doch auf Reas Albumcover erhellt das blaue Neonlicht einer Jukebox das Innere des Diners und die Strasse, auf der es sich befindet; die Intensität der blauen Farbe ist absichtlich gewählt. Farben werden Bedeutungen zugeteilt und je nach (kunst-) geschichtlichem oder theologischem Kontext variieren deren Interpretierungen. Im Grossen und Ganzen überschneiden sich die Kontexte in einem Punkt: Blau ist die Farbe der Wahrheit. Denn wenn die Wolken vom Himmel verschwinden, offenbaren sie dessen «wahre» Farbe - und Wahrheit spielt für Chris Rea eine grosse Rolle.
Es gibt vor allem zwei Wahrheit, auf die Rea mit dem Blaulicht der Jukebox anspielen will. Die erste ist, dass selbst in trostlosen Zeiten, in denen es nichts zu lachen gibt, man wenigstens noch die Musik hat, die einem Freude bereitet. Die zweite ist, dass Rea 2002 sein eigenes Label Jazzee Blue gründete, weil er den Druck der Musik-Industrie nicht mehr aushielt. Er begann, die Musik zu spielen, die er mochte und konnte sich endlich so entfalten, wie er wollte, um seine eigene «wahre» Musik zu spielen.
Das Album selbst handelt davon, wie schwierig es ist, als Künstler zu überleben - vor allem, wenn man im höheren Alter nicht mehr allzu radiotaugliche oder -relevante Musik macht. Es sei ein steiniger Weg gewesen, voller persönlichen Versagens und verpasster Chancen. Doch schlussendlich fand er den Weg zu sich selbst, und zwar dank Jazz und Blues (Wieder etwas Blaues, der Kreis schliesst sich).