Graffiti-König oder Sell-Out: Gab Banksy für Blur seine Prinzipien auf?
Banksy machte aus illegaler Randgruppen-Kunst kommerzielle Popkultur. Dies nicht zuletzt durch clever illustrierte Gesellschaftskritik, die zum Nachdenken einlädt. Doch ist seine Streetart zweckentfremdet, wenn sie nicht nur für den öffentlichen Raum, sondern auch für Albumcover weltberühmter Bands gemacht wird?
Seit den 00er-Jahren packt das «Banksy-Fieber» Menschen aus aller Welt. Eines seiner berühmtesten Motive, in dem ein roter, herzförmiger Ballon einem Mädchen wegfliegt, wurde vor über zehn Jahren auf sozialen Medien massenweise geteilt und hing ebenso oft in WG-Wohnzimmer wie das Filmplakat von «Pulp Fiction». Dabei ist es durchaus erstaunlich, dass bis zum heutigen Tag niemand weiss, wer sich hinter dem Pseudonym und den politischen Botschaften versteckt. Die einzigen (glaubwürdigen) Informationen zu seiner Person sind, dass er wohl aus der Nähe von Bristol stammt und in den 70ern auf die Welt kam. Alles andere über ihn hält ein kleiner Kreis von Verbündeten geheim.
Es ist wahrscheinlich, dass zu diesem Kreis auch Damon Albarns Band Blur gehört. Zumindest kann man das daraus schliessen, dass sie den Künstler engagierten, das Albumcover für ihr siebtes Studioalbum Think Thank (2003) zu entwerfen und ihm dafür eine Gage von über 70’000£ zahlten. Doch bricht man mit so einer Arbeit nicht die zentralen Regeln der Streetart, nämlich dass diese Kunstform gratis gemacht wird und von der Öffentlichkeit auch gratis genossen werden muss?
Schablonengraffti (auf Englisch «stencil graffiti») waren bereits unter den Punks der 70er und 80er Jahre eine weit verbreitete Methode, antikapitalistische und antifaschistische Graffiti an Häuserwände zu sprühen. Doch erst als der Künstler Blek Le Rat mit seinen Rattenmotiven die Strassen von Paris zupflasterte, etablierte sich die Schablone als Utensil für Strassenkunst. Dies kam Banksy zugute, denn dank dieser Schablonentechnik konnten er und andere Graffiti-Zeitgenossen in Nacht-und-Nebel-Aktionen die Städte Englands erobern.
Während Banksys Popularität und Ruhm anstiegen, merkte er bald, dass er in seiner eigenen Realität eher einem Dasein als Überlebenskünstler (mit Betonung auf “Überlebens-”) zum Opfer fallen könnte. Also tauschte er manchmal die Hauswand mit der Leinwand und verkaufte seine Kunst. Ob man ihn nun noch als Streetartist bezeichnen oder seine politischen und manchmal antikapitalistischen Botschaft noch ernst nehmen kann, darf hinterfragt werden. Doch im Falle von Blurs Albumcover sollte man wissen, dass das Konzeptalbum als politische Botschaft gedacht war: Es sprach sich klar gegen den Krieg und die Invasion von Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 aus.
Die moralischen Ansprüche von Banksy dürften also erfüllt sein. Vielleicht darf man sogar noch eine eine umfassendere Erlaubnis für dessen Monetarisierung erteilen, die sich auf eine verbrauchte Floskel herunter brechen lässt: Der Zweck heiligt die Mittel. Somit sei Banksy in diesem Falle begnadigt; über alle anderen Fälle, in denen er seine Kunst verhökerte steht das Urteil der Jury noch aus.