Iron & Wine im Interview über Musik & Nonsens
Kürzlich erschien «Light Verse», das neue Album des amerikanischen Songwriters Sam Beam alias Iron & Wine. Wir sprachen mit ihm über die neuen Lieder, seinen prominenten Fan Kristen Stewart, seine Notizbücher, die Arbeit mit Fiona Apple und seine Technik, über gesungenen Nonsens zu seinen sehr poetischen Texten zu gelangen.
Das stimmt. Ich will aber nicht, dass meine Covid-Erfahrung überbewertet wird. Ich hatte es relativ leicht im Vergleich zu vielen anderen Menschen. Für mich war diese Zeit kreativ verheerend. Ich kann einfach nicht kreativ sein, wenn ich so angespannt, chaotisch oder ängstlich bin. Immer, wenn ich etwas schreiben wollte oder die Gitarre in die Hand nahm, konnte ich nur an Covid denken oder an das kulturelle Chaos, das es auslöste, oder an die Ungewissheit, in die wir alle versunken waren. Ich hatte nichts zu sagen, was nicht schon gesagt worden war.
Ich habe mich Schritt für Schritt wieder dem Musikmachen angenähert. Aber ich musste erst für mich herausfinden, wie das funktionieren kann. Zuerst ging ich ins Studio und nahm ein paar Lieder von einer Künstlerin auf, die ich sehr verehre: Lori McKenna. Ich bin grosser Fan von ihr und wollte mich irgendwie bei ihr bedanken, weil sie ein paar wirklich coole Songs geschrieben hat. Das hat meine kreativen Muskeln wieder in Schwung gebracht. Und ich habe gemerkt, wie gerne ich im Studio arbeite. Weisst du: So sahen nämlich auch die Anfänge meiner Karriere an.
Versteh mich nicht falsch, ich liebe es, Konzerte zu spielen, aber das Studio war das Tor zu der erstaunlichen Entwicklung, dass ich inzwischen von der Musik leben kann. Danach spielte ich eine Tour mit Andrew Bird und eigene, reduzierte Shows mit tollen Mitmusiker:innen. Das führte schliesslich dazu, dass ich «Light Verse» in Los Angeles aufnehmen wollte: Weil es da ein paar Musiker:innen gibt, mit denen ich schon immer mal im Studio sein wollte. Den Titel habe ich übrigens vor allem gewählt, weil es sich eben so euphorisch und leicht anfühlte, endlich wieder mit tollen Leuten an eigenen Songs zu arbeiten.
Ich bin so ein Notizbuch-Typ. Ich habe dutzende davon – auch Kompositionsbücher mit Notenlinien drin. Ich arbeite manchmal vorwärts, manchmal rückwärts darin. Wenn ich nicht in ihnen rumkritzele, blättere ich sie manchmal durch, als sei ich auf der Suche nach etwas. Oft finde ich Phrasen und Sätze – einige gut, andere richtig mies. Aber ich finde auch Worte, an denen ich weiter arbeiten will, weil ich spüre, dass aus denen noch was werden könnte. Einige Songtexte entstehen aber auch im Zwischenspiel von Musik und gesungenem Nonsens.
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Oh, das ist ein wirklich lächerlicher Prozess. Manchmal stelle ich mir vor, wie bekloppt das für andere aussehen muss, wenn ich stundenlang mit der Gitarre herumsitze und Kauderwelsch murmle. Ich singe dann oft reinen Unsinn. Oder einfach nur Silben und Töne. All das, um ein Wort zu finden, aus dem man eine Phrase oder einen Satz aufbauen kann. Das ist lächerlich. Es ist ein lächerliches Unterfangen. Ganz und gar. Aber da kommen einige der besten Wörter her. Es ist ein wirklich anarchischer Weg. Man muss sich einfach auf die Anarchie des Ganzen einlassen. Ich denke aber, so macht es wirklich Spass, die richtigen Worte und Themen zu finden.
Zwei der Musiker, die mit mir im Studio waren, spielen auch in ihrer Liveband. Ich hatte also schon mal einen Fuss in der Tür, durch die ich ein leises «Hallo!» flüstern konnte. Dass sie zusagte ist eine grosse Ehre für mich. Sie ist eine grosse Inspiration für mich. In meinen Augen ist sie unglaublich. Ihre Lieder! Ihre Stimme! Sie könnte das Telefonbuch singen und es wäre provokativ. Ich fühle mich also wirklich gesegnet, dass sie auf diesem Stück singt. Ich hatte es eigentlich nicht als Duett geschrieben. Mit ihrem Zutun veränderte sie den Song völlig und machte ihn so viel komplexer als alles, was ich geschrieben hatte. Es war erstaunlich.
Das war total verrückt. Ich wünschte, ich könnte mich dafür loben und sagen, dass ich etwas damit zu tun hatte, aber es war alles nur sie. Die Geschichte, die ich gehört habe, ist die, dass Kristen den Song an dem Tag privat gehört hatte, weil er da gerade veröffentlicht worden war. Er lief in den Drehpausen auf ihren Kopfhörer. Als sie die Tanzszene planten, schlug sie vor, diesen Song laufen zu lassen, weil er auch ein Walzer ist und die beiden Walzer tanzen sollten. Es war reiner Zufall. Pures Glück. Bei all den Proben lief dieser Song, bis sich auch der Regisseur nicht mehr vorstellen konnte, einen anderen zu nehmen. Es hätten eine Million anderer Walzer sein können, aber Gott sei Dank, ich schulde ihr viel. Ich schulde ihr sehr viel.