Lauv im Interview: «Die eigenen Gedanken sind ein raues Pflaster.»
Ari Staprans Leff alias Lauv («I Like Me Better») ist Sänger, Songwriter und Popstar für die Gen Z. Im August kommt sein zweites Album «All 4 Nothing». Wir sprachen mit ihm über die Entstehung, seine Offenheit beim Thema Mental Health und seine Kindheit.
Ein Frühsommerabend in Berlin. Vor einem altehrwürdigen Ballhaus sammelt sich ein erstaunlich junges, queeres, buntes Publikum. Und die Berliner Musikjournaille, die den Altersdurchschnitt wieder ein wenig in die Höhe treibt. Man trifft sich hier im schmucken Ballhaus Wedding, weil Ari Staprans Leff alias Lauv zur Audienz lädt. Der Amerikaner mit lettischen Wurzeln ist Sänger, Songwriter und Popstar für die Gen Z. Seine Hits «I Like Me Better», «i’m so tired …» und «Who (feat. BTS)» haben Milliarden Streams gesammelt. Ausserdem schreibt er immer mal wieder Hits mit und für befreundete Musiker:innen wie Charli XCX, Céline Dion oder Demi Lovato. Heute stellt er live ein paar Songs aus seinem im August kommenden zweiten Album «All 4 Nothing» vor – und spielt natürlich auch ein oder zwei bekannte Lauv-Hits. Das Setting dabei ist erstaunlich familiär: Obwohl seine jungen Fans hochgradig aufgeregt sind, gibt es keine erkennbare Securities oder ähnliches. Lauv kommt einfach in den Raum geschlendert, setzt sich ans Klavier – und improvisiert anscheinend den ganzen Abend, erzählt ein wenig, spielt dann wieder einen Song, plaudert mit seinen Fans. Am Morgen drauf treffen wir ihn zum Interview in einem Berliner Hotel.
Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich in meinem späteren Leben oft nach aussen Selbstbewusstsein vorgetäuscht habe, obwohl ich mich innerlich wie eine leere Hülle fühlte. Als die Pandemie ausbrach und ich plötzlich zuhause sass, war ich wirklich beunruhigt, weil von aussen keine Reize und keine Bestätigung mehr kamen und ich keinen Kontakt mehr zu meinem eigenen Selbstvertrauen hatte. Ich war wie besessen davon, etwas zu finden, damit ich diese Erdung in mir wieder spüre. Der Schlüssel lag für mich dabei in meiner Kindheit.
Es war eher eine Art konzentrierter Rückblick auf diese Zeit. Ich habe sehr viel meditiert, habe mich buchstäblich hingesetzt und mich selbst in verschiedenen Altersstufen visualisiert. In meinem Kopf habe ich mit meinem jüngeren Ich geredet und Erinnerungen wieder aufleben lassen. Alles Dinge, für ich vorher keine Zeit fand, weil meine Karriere mich so weit von einem inneren Ruhepol weggezogen hatte. Im Grunde war es so, dass ich noch einmal neu lernen musste, still zu sitzen und einfach bei mir zu sein. Und ganz ehrlich: Die Pandemie war natürlich Mist – aber ohne diese Phase hätte ich das vermutlich niemals hinbekommen.
Oh, das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, zuerst habe ich Popmusik irgendwie gehasst. Das war so ein doofes Harte-Jungs-Ding. Man wollte als Teenager cool und hart sein, obwohl man noch gar nicht wusste, wie man mit seinen Gefühlen umgehen soll. Aber irgendwann dachte ich: «Wow, es gibt all diese wirklich schönen Popsongs, die zwar Mainstream sind, die ich aber trotzdem fühle!» Mir hat man damals vermittelt, Mainstream und Pop seien was für Weicheier – oder nicht so real wie Rockmusik. Aber das ist totaler Quatsch. Ich habe schon mit elf meine ersten Songs geschrieben und nach dieser Metal-Phase – die eigentlich eher so in die Screamo-Richtung ging – wurden meine eigenen Songs immer weicher. Bis ich mir eingestehen konnte: Ich liebe Popmusik.
Beides. Die erste grosse Erkenntnis in der Pandemie war für mich, dass ich vorher unbewusst versucht habe, möglichst vielen anderen Rat zu geben, damit ich mich nicht so sehr mit meinen eigenen Problemen auseinandersetzen muss. Das ist ja ein sehr schmerzhafter Prozess, dem man sich stellen muss. Während all dieser Gespräche habe ich dann wiederum gemerkt, dass ich vor allem für mich selbst verantwortlich bin. Das ist weder was Schlechtes noch egozentrisch – man kann sich einfach nicht um andere Menschen kümmern oder ihnen helfen, oder wertvoll für sie sein, wenn man nicht mit sich selbst klarkommt. Andererseits liebe ich es, offen zu sein und durch meine Musik oder Interviews wie diesem mitzuteilen, wie es mir wirklich geht. Ich will mich nicht verstecken, also werde ich das wohl immer tun – in guten wie in schlechten Zeiten.