Veröffentlicht am 24. Januar 2024

Herbert Grönemeyers «Männer» wird 40

Der grosse Hit von Herbert Grönemeyer über die «Männer», die «aussen hart und innen ganz weich» sind, kommt nun auch ins beste Alter: In diesem Jahr wird «Männer» 40 und hat immer noch ein paar Zeilen, die ganz gut gealtert sind. Am 6. August spielt Grönemeyer am Supertuesday im Vorfeld des Heitere Openair und am 7. August beim Stars in Town in Schaffhausen.

Journalist
909

Wir schreiben das Jahr 1984. Der aus Bochum stammende Herbert Grönemeyer hat in Sachen Karriere einen Lauf. Mit seinem vierten Album «Gemischte Gefühle» knackte er im Vorjahr in Deutschland zum ersten Mal die Top 50 der Albumcharts. Dank des TV-Mehrteilers «Das Boot» von Wolfgang Petersen, in dem Grönemeyer den charismatischen Kriegsberichterstatter Leutnant Werner spielt, ist er schon fast ein Star. Das fünfte Album soll deshalb ein grosser Aufschlag werden. Es ist ausserdem das erste für Grönemeyers neue Plattenfirma EMI.

Einer von uns

Herbert Grönemeyer nahm schon damals die Rolle ein, die er noch heute verkörpert. Bodenständig, bürgerlich, für viele: «einer von uns». Aber er nahm schon immer Themen auf, die eher im linken Spektrum diskutiert wurden. Er war einerseits grummelnder, näselnder Rocker, andererseits belesener und wortgewandter Alltagspoet. Das Album benennt er nach seiner Heimatstadt und deren damaliger Postleitzahl: «4630 Bochum». Es erscheint am 11. Mai 1984. Song zwei, gleich nach dem Opener «Bochum» ist «Männer». Die Leadsingle des Albums. Es ist bis heute einer seiner erfolgreichsten Songs. Er katapultiert «4630 Bochum» auf Platz 12 der Schweizer Albumcharts, in Deutschland wird es gar Platz 1. Die Single selbst hat in Deutschland als höchste Charts-Platzierung die 7, hielt sich dann aber satte 26 Wochen in den Charts. In der Schweiz reichte es nur für Platz 27.

«Ich habe Sätze geschrieben, die sind einfach stulle.»

«Männer» ist bis heute das Partylied, auf dass sich weiche und vermeintlich harte Männer einigen können. Und bei dem auch viele Frauen mitsingen. Schon in der ersten Strophe heisst es: «Männer nehm'n in den Arm / Männer geben Geborgenheit / Männer weinen heimlich / Männer brauchen viel Zärtlichkeit.» Westernhagen besingt hier den damals sogenannten «Softie», macht dann aber auch den Harten und meint: «Männer kaufen Frauen / Männer steh'n ständig unter Strom / Männer baggern wie blöde / Männer lügen am Telefon.»

Herbert Grönemeyer spielte den Text in den Folgejahren gerne ein wenig runter, als der Song zur viel diskutierten und innig geliebten Hymne zur Zeit wurde. Im Jahr 2007 sagte er in einem Interview mit dem Wochenmagazin «Der Spiegel»: «Ich mag es ja nicht so gern, wenn meine Texte so verbissen ernsthaft analysiert werden. Immer diese Skepsis, die Seziererei, die Analysen. Ich kann's nicht mehr hören. 'Männer nehmen in den Arm ... Männer sind schon als Baby blau' – welchen Sinn hat das denn? Ich habe Sätze geschrieben, die sind einfach stulle. Aber im Zusammenhang mit der Musik funktionieren sie.»

Herbert Grönemeyer live in der Schweiz | ZUM ARTIKEL

Verliebte Breitseiten

Im Konkurrenzmagazin «Stern» konnte man schon 1984 nachlesen, dass Grönemeyers damalige Freundin, die Schauspielerin Anna Henkel, grossen Einfluss auf den Song hatte. Im Magazin heisst es: «Ohne seine langjährige Freundin, die Schauspielerin Anna Henkel, sagt ‘Herbie’ vertrauensvoll und um gerechte Verteilung der Lorbeeren bemüht, wäre das Lied nicht zustande gekommen.» Es seien Henkels «endlose Diskussionen, Vorwürfe und Breitseiten» gewesen, die ihm oft gezeigt hätten, welche Schwächen Männer eigentlich haben. Grönemeyer und Henkel heirateten gut neun Jahre später und waren bis zu Henkels Tod im Jahr 1998 zusammen.

«Halb Satire, halb Eloge»

Vor allem in Deutschland griffen viele Zeitungen und Magazine den Song und seinen immensen Erfolg auf – und machten nur zu gerne eine Diskussion um Geschlechterrollen auf. «Der Spiegel» sinnierte: «Halb Satire, halb Eloge, teils Men's Lib, teils Chauvi-Restauration, scheint der Song den Nerv aller (emanzipationsgeschädigten?) Männer getroffen zu haben. Das ist parodistisch und klingt doch trotzig, das demonstriert Einsicht und zugleich Nachsicht mit den eigenen Defiziten.» Ein Spagat, den Herbert Grönemeyer bis heute gut hinbekommt.

Die konservative «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schrieb nach einem Konzert von Grönemeyer im Oktober 1984: «Dieser blonde, bleiche Junge von nebenan ist ein Phänomen. Sein 'Männer'-Song mit den doppeldeutigen Klischees begründete in den letzten Monaten, [sic!] den kometenhaften Aufstieg zur neuen Leitfigur von Teenagerträumen. Dabei könnte Grönemeyer ebenso gut Muttis Liebling wie Vatis Kumpel sein.»

Grönemeyer sei ein «rockender Ruhrpott-Rebell» und er «rührt an den Nerv des Zeitgeists, wenn er stilisierte ‘coolness’ mit unwiderstehlichem Charme auflädt, wenn er hinter dem Rollenspiel des melancholischen Softies die insistierende Härte des Macho-Manns spüren lässt.»

Herbert Grönemeyer singt den Song noch immer (gerne)

«Männer» ist noch immer fester Bestandteil von Herbert Grönemeyers Konzerten. Allerdings nicht als Zugabe, sondern oft im ersten Drittel seiner stets recht langen Live-Shows. Mit der Zeit sind auch noch weitere Versionen oder Duette hinzugekommen. 2023 sang er für den Berliner Sender RBB am Weltfrauentag eine «Frauen»-Version (die man hier hören kann). Darin heisst es zum Beispiel: «Frauen machen uns stark / Frauen sind wie Rückenwind / Frauen lachen lauthals, / Frauen schenken dir ein Kind. Oh Frauen sind so verlässlich. Frauen sind auf dieser Welt einfach unersetzlich.» 2023 kam er bei Jan Böhmermanns Konzert mit dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld in Bochum auf die Bühne – als Überraschungsgast, nachdem Böhmermann seinen Einsatz bewusst verkackt hatte.

Herbert Grönemeyer spielt folgende zwei Konzerte:

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