Veröffentlicht am 20. Dezember 2023

Gott steh uns bei: Der Crazy Frog ist zurück

Schlechte Nachrichten: Wir stehen alle kollektiv auf der Naughty-Liste des Weihnachtsmanns. Anders ist kaum zu erklären, dass wir mit neuer Musik vom Crazy Frog bestraft werden.

Journalist
17982

Kommt, Kinderlein. Versammelt euch und lauschet dem Epos vom Crazy Frog. Wappnet euch für eine Geschichte der musikalischen Travestie, die künstlerischen Anspruch und guten Geschmack hinter sich lässt. Wir begeben uns in die dunkelste Ecke der Popkultur.

Es war einmal im magischen Land von Klingelton-Town

Nach den musikalischen und stilistischen Verbrechen der 90er-Jahre (Creed, Backwards Pants) hoffte die Allgemeinheit auf eine Rehabilitation in den Jahren danach, geweckt durch profunde Kunst und anspruchsvolle intellektuelle Stimulation. Zumindest ein bisschen. Diese Hoffnungen wurden 2005 von einem CGI-Frosch auf einem Motorrad überfahren und komplett entstellt in einem Strassengraben entsorgt.

Der Crazy Frog inklusive seinem Gehänge, das später zensiert und dann komplett entfernt. (Quelle: «Axel F.»-Videoclip.
Der Crazy Frog inklusive seinem Gehänge, das später zensiert und dann komplett entfernt. (Quelle: «Axel F.»-Videoclip.

2003 kreiert von einem schwedischen Studenten, war der Crazy Frog zu Beginn eigentlich nichts weiter als ein kleines Hobbyprojekt, mit dem der Skandinavier das damals noch jungfräuliche Internet bespasste. Darauf aufmerksam wurde auch das deutsche Unternehmen Jamba!. Dieses zockte zur Jahrtausendwende Millionen von Handybesitzern mit überrissenen teuren Klingeltönen (Ja, die kosteten früher Geld. Wildes Konzept, we know) und anderen Mobiltelefon-Funktionen ab. Begleitet wurde das Business von einer Marketingstrategie, deren Aggressivität auf Augenhöhe mit dem britischen Imperialismus war.

Aus irgendwelchen Gründen hat Jamba im Jahr 2023 immer noch einen Internetauftritt und der sieht aus, wie das Sticker-Album von einem fünfjährigen ADHS-Kind.
Aus irgendwelchen Gründen hat Jamba im Jahr 2023 immer noch einen Internetauftritt und der sieht aus, wie das Sticker-Album von einem fünfjährigen ADHS-Kind.

In den Charts dank «Beverly Hills Cop»

Teil dieser Strategie war auch eine «Gesangs»-Karriere für den Crazy Frog, dessen erster «Hit» ein Cover des «Beverly Hills Cop»-Theme-Songs «Axel F.» war. Das Machwerk erreichte die Pole Position in mehreren Ländern, darunter auch in der Schweiz.

In den Jahren danach folgten weitere Releases, allesamt nach dem selben Muster: Eine bekannte, eingängige Melodie wird neu interpretierten, mit dem nervigsten Gesang der Welt angereichert und auf eine geschmacksverirrte Bevölkerung losgelassen, die Irritation mit Unterhaltung verwechselt.

Die Wiederauferstehung

2009 ist Schluss. Der Crazy Frog verkriecht sich zurück in die Vorhölle, der er sechs Jahre zuvor entstiegen ist und in einer gerechten Welt wäre dies das Ende der Geschichte. Bedauerlicherweise leben wir aber in der Realität und in dieser feiert der Crazy Frog gerade sein Comeback. Nachdem bereits 2021 ein neuer Song erschienen ist, machen die Produzenten hinter dem blauen Grüsel nun ernst, legen mit zwei weiteren Songs nach und kündigen dazu auch ein neues Album an.

Wieso?
Zum Glück muss George Michael das nicht mehr sehen.

Das Internet verfällt dem Sirenengesang ein weiteres Mal, was sich in den zahlreichen positiven Kommentaren auf Youtube zeigt. Offenbar haben wir alle nichts dazu gelernt.

Vielleicht steht die Saga des Crazy Frog aber auch einfach stellvertretend für die Unberechenbarkeit des menschlichen Geschmacks und erinnert uns gleichzeitig an den schmalen Grad zwischen Genie und Wahnsinn. Auch das kann ein Lehrstück sein, wenn auch ein ziemlich Ätzendes.

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