Für 24 Millionen verkauft Beyoncé all ihre Werte
Wenn Beyoncé den so wertvollen Mund aufmacht, schallen einem Hymnen entgegen: «I break chains all by myself – won't let my freedom rot in hell» zum Beispiel. Diese Zeilen sang sie nun in Dubai. Ausgerechnet. Protestiert sie gegen die Scheichs, die ihr Millionen dafür zahlten? Nope, sieht ganz so aus, als habe Beyoncé ihre Seele mit einer gewaltigen Bühnenshow feierlich dem Teufel überreicht.
Jetzt rappelts mal wieder so richtig im Pop-Karton: In Dubai wars am Samstag laut. Sehr laut. Die halbe Stadt schien zu explodieren. Es regnete glitzernde Funken, aus dem Luxushotel Atlantis The Royal schossen Lichtblitze, aus dem Nebel erhob sich Beyoncé, irgendwann sogar ihre 11-jährige Tochter Blue Ivy. Welch Spektakel! Welch Comeback! Vier Jahre stand Beyoncé auf keiner Bühne mehr, zeigte sich kaum. So auch im vergangenen Jahr, als Beyoncé «Renaissance» veröffentlichte. Man munkelte, eine Tour sei in Planung. Und, bam, Beyoncé ist zurück auf der Bühne – das kam unerwartet und überraschend. Weil sie es tat, indem sie ein Hotel eröffnete. Klingt komisch, ist aber so.
Anfang der 90er trat Beyoncé mit ihrer Girl-Group Destiny’s Child in Einkaufszentren auf. Für dezent weniger Geld zwar, aber der amerikanische Traum beginnt nunmal meist in einer Mall. Selbige hat das Luxusresort Atlantis The Royal sicherlich auch – die schillernden Wände der Traumblase aber sind inzwischen zum Bersten gespannt. Hier in Dubai ist alles möglich: auch eine riesige Bühne, wenn Queen B sie wünscht. Mit Pauken und Trompeten also performte die 41-Jährige für eine 24-Million-Dollar-Gage eine Stunde lang vor erlesenen Gästen wie Kendall Jenner oder Ronan Keating (wer braucht da schon Fans?), ausserdem 50 von Tarte Cosmetics eingeflogenen Influencern und zahlreichen Scheichs, die hoffentlich nicht richtig zugehört haben. Denn wie zur Hölle passen Beyoncés Texte nach Dubai?
Wie definieren Sie «Freedom», Miss Carter?
Vielleicht wurde deswegen so viel geballert und emsig um Beyoncé herumgetanzt: um davon abzulenken, dass Songs wie «Freedom» mit Kendrick Lamar, der als Anti-Sklaverei-Hymne gilt, vor wohlhabenden Emiratis, die ein menschenverachtendes System repräsentieren, ihre Aussagekraft verlieren. Nicht erst seit der WM wissen wir: Homosexualität ist verboten, Gastarbeiter erfahren menschenverachtende Behandlung – bis hin zu Folter und Mord durch den Staat. Zurecht fragt man sich da, warum man Fussballer David Beckham canceln durfte, weil er für die Weltmeisterschaft in Katar warb und als Botschafter für das Emirat auftrat, während Beyoncé als Galionsfigur der schwarzen LGBTQ+-Szene für einen Haufen Geld (den sie vermutlich nicht braucht), den Sinn ihrer Lyrics vergisst.
So durften aufmerksame Fans den vor Ort heimlich gedrehten, verwackelten Videos (filmen war strengstens verboten) aber entnehmen, dass Songs vom aktuellen Album «Renaissance» fehlten. Ein Lichtblick immerhin, wenn man bedenkt dass das Werk eine Hommage an die queere schwarze Ballroom-Szene darstellt. Denn huch: In den Vereinigten Arabischen Emiraten droht Homosexuellen und anderen Angehörigen der LGBTQ+-Community die Todesstrafe.
Beyoncé, ihr Gatte Jay-Z und deren Tochter sollen zudem die opulenteste Suite des 1,5 Milliarden Dollar teuren Luxuskomplexes Atlantis The Royal eingeweiht haben, der übrigens das grösste Quallen-Aquarium der Welt beherbergt. Who run the world?
Genau. Drum hier nochmal das Feuerwerk. Bitte, danke.