Veröffentlicht am 07. Juni 2024

Die toxische Seite des K-Pop

Alle paar Monate sorgen einzelne Vorfälle im koreanischen Pop für Kopfschütteln und Schlagzeilen. Zum Beispiel, wenn sich Karina von der Band Aespa auf Druck toxischer Fans entschuldigen muss, weil sie eine Liebesbeziehung eingegangen ist. Wir erklären, was dahintersteckt und schauen auf die toxischen Auswüchse einer sehr intensiven Fan-Künstler:innen-Beziehung.

Journalist
210

Als der Fall Karina die internationalen Medien erreichte, war er eigentlich schon ein paar Wochen vorbei. Aber trotzdem – Headlines wie diese sind einfach unheimlich catchy: «K-Popstar entschuldigt sich bei Fans – weil sie einen Freund hat.» So schrieb es der «Spiegel» und schaffte es im Artikel nicht mal, die Debütsingle ihrer Band Aespa richtig zu benennen.

Aber was war eigentlich passiert? Karina, die eigentlich Yu Ji-min heisst und Leaderin der Band Aespa ist, hatte zu der Zeit eine Liebesbeziehung mit dem koreanischen Schauspieler Jae-wook Lee. Das hatten koreanischen Medien herausgefunden.

K-Pop-Idols sind allesamt single ;)

Dazu muss man wissen: Obwohl es im K-Pop angeblich offiziell keine Dating-Verbote für Idols mehr gibt, ist es eher die Norm, dass Beziehungen verschwiegen werden. Unter europäischen K-Pop-Fans ist es schon fast ein kleiner Running Gag, dass all diese schönen Menschen Singles sind – ganz genauso wie auch alle Profifussballer heterosexuell sind.

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Für die Schlagzeilen sorgten dann aber einige Fan-Aktionen, die man durchaus als toxisch bezeichnen kann. Aespa-Fan-Gruppen buchten Transporter mit LED-Screens und platzierten diese vor dem Hauptgebäude von SM Entertainment, der Produktionsfirma hinter Aespa. Darauf liefen Botschaften wie: «Reicht dir die Liebe deiner Fans etwa nicht aus?» Oder: «Wie konntest du uns nur so hintergehen?»

Ein handgeschriebenes «Sorry»

Das wiederum ging vielen anderen Aespa-Fans zu weit. Vor allem amerikanische und europäische Vertreter:innen von «MY» (so heisst das offizielle Fandom) ergriffen Partei für Karina. Die entschuldigte sich dennoch auf Twitter mit einem handgeschriebenen Statement.

Darin heisst es unter anderem: «Ich möchte den Schmerz, den ich den MYs zugefügt habe, wieder gutmachen. Ich war immer aufrichtig zu den MYs und jeder Einzelne von euch ist so wertvoll für mich.»

Das K-Pop-System befeuert parasoziale Verhältnisse

Während viele Medien und Clickbait-Websites das Thema vor allem ritten, weil es bizarr wirkt und Vorurteile über die «crazy» K-Pop-Welt und ihre Fans bestätigt, sollte man lieber drauf schauen, um ein systemisches Problem des K-Pop im Verhältnis zwischen Produktionsfirmen, Idols und den Stans (so heissen die Fans, die wirklich into it sind) zu analysieren.

Viele Stans haben nämlich wirklich ein parasoziales Verhältnis zu ihren Idolen, das schnell toxisch werden kann. Aber: Die Produktionsfirmen befeuern genau dieses Verhältnis mit ihren Angeboten. K-Pop-Fans können nämlich tatsächlich viel Zeit mit ihren Idols verbringen.

SM Entertainment bietet den MYs (und anderen Fandoms) zum Beispiel eine kostenpflichtige App namens «Bubble» an, die wie ein Messenger-Dienst aussieht und den Eindruck erweckt, man könne direkt mit den Bandmitgliedern chatten. Konzipiert und programmiert wurde sie von der Software-Firma «Dear U», die auch zur SM-Gruppe gehört.

Eine simulierte Nähe

Ausserdem gehört es zu den Aufgaben der Idols, regelmässig für Livestreams vor dem Smartphone zu sitzen. Diese wirken, wie man im Clip über diesen Zeilen sehen kann, oft sehr nah und intim. Vor allem, weil die Idols meistens in ihren privaten Zimmern sitzen.

Oft müssen die Idols auch mit ausgewählten Fans Video-Chats über die App «Kakao Talk» und «Weverse» halten. An diesen kann man meistens nur teilnehmen, wenn man das neue Album gekauft hat, in dem dann ein Los enthalten ist. Viele Stans, die es sich leisten können, kaufen deshalb gleich mehrere Exemplare.

Stans investieren viel Zeit und Geld in «ihre» Idols

Andere Stans wiederum investieren viel Zeit: Wenn ein neues Album erscheint, wie im Falle Aespa in der letzten Woche, organisieren sie sich, um besonders viele Streams zu generieren, damit ihre Herzensband in den Charts gut dasteht.

Das alles rechtfertigt natürlich nicht den verqueren Besitzanspruch, der in der Karina-Aktion zutage trat. Aber es erklärt vielleicht, wie die Wahrnehmung dermassen verrutschen konnte – vor allem, weil die K-Pop-Produktionsfirmen diese simulierte Nähe forcieren und auch die Bands selbst zuallererst immer ihren Fans danken und sie in den Mittelpunkt stellen.

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