Veröffentlicht am 27. Mai 2024

«Burning Sun»: Der schäbigste Skandal im K-Pop

Eine aktuelle BBC-Doku gibt neue Einblicke in einen Skandal, der 2019 die K-Pop-Welt und die südkoreanische Gesellschaft schockierte. Im Club «Burning Sun», der einem Mitglied der Boygroup Big Bang gehörte, wurden systematisch junge weibliche Fans sexuell missbraucht und Fotos davon in einer Chatgruppe geteilt. Wir erklären die Hintergründe.

Journalist
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Dieser Skandal, der 2019 nicht nur die K-Pop-Welt schockierte, trägt den Namen des Clubs, in dem sich zugetragen hat: «Burning Sun». In den Jahren 2018 und 2019 war der Club in Seoul die coolste Adresse im berühmten Ausgehviertel Gangnam. Er gehörte dem berühmte Idol Lee Seung-hyun, besser bekannt als Seungri. Der war Schauspieler, Songwriter, Sänger und Mitglied von Big Bang – eine der bekanntesten K-Pop-Boybands der letzten Jahrzehnte.

Seungri war ein charismatischer Menschenfänger und ein Mann, der gerne mit seinem Reichtum flexte. Er selbst sah sich als eine Art südkoreanischer Version des grossen Gatsby. Wie der «Burning Sun»-Skandal dann schonungslos zeigte, war das aber nur die Fassade eines äusserst schäbigen Mannes.

«Molka», Seungri und seine übergriffigen Freunde

Seungri war Mitglied einer Messenger-Gruppe auf dem in Südkorea weit verbreiteten Dienst Kakao Talk. Darin tauschten diverse männliche K-Pop-Stars Nachrichten, Foto und Videos aus.

Mit dabei waren: der solo sehr erfolgreiche Sänger und Songwriter Jung Joon-young (der auch die Gruppe eröffnete und einer der aktivsten darin war), der Gitarrist der südkoreanischen Rockband F.T. Island, Choi Jong-hoon, und das Mitglied der Boyband Highlight, Yong Jun-hyung. Letztgenannter war nicht aktiv an den sexuellen Handlungen beteiligt, schaute allerdings die Videos und war folglich ein Mitwisser.

Viele der dort getauschten Bilder und Videos kann man mit einem Wort beschreiben, da es nur im Koreanischen gibt. Ein Wort, auf das niemand im Land stolz ist: «Molka». So bezeichnet man die Online-Verbreitung von intimen Videos und Fotos junger Frauen, die ohne deren Zustimmung gemacht wurden.

«Molka» war und ist ein massives Problem in Südkorea und sagt viel aus über das Frauenbild im Land. Seungri und seine übergriffigen Freunde rühmten sich in dieser Gruppe, weibliche Fans mit Drogen oder Alkohol gefügig gemacht und dann mit ihnen Sex gehabt zu haben. Viele dieser Videos zeigen den Widerwillen der jungen Frauen – oder sie zeigen, dass die Frauen bewusstlos und weggetreten waren. Kurz gesagt: Einige Videos zeigen eindeutige Vergewaltigungen.

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Warum redet man wieder über den Skandal?

Diese Nachrichten kamen zuerst durch den «Burning Sun»-Skandal teilweise an die Öffentlichkeit. Denn der Club verstärkte das illegale Treiben der Männer noch mehr – bis zu einem Punkt, an dem sie aufflogen. Um die reichen Gäste und Geldgeber des Clubs zu bespassen, wurden unter Anleitung von Jung und Seungri junge Frauen systematisch, unter Einsatz der Droge GHB, gefügig oder schlichtweg bewusstlos gemacht, und in versteckten Räumen diesen Männer zugeführt.

Oft wurden diese Begegnungen gefilmt und in der Gruppe geteilt. Oder aber Seulgi beauftragte Jung Joon-young eine besinnungslose Frau für einen Gast aufzutreiben. Aber schon vor der Eröffnung von «Burning Sun» gingen in der Gruppe Videos rum, die eindeutige Vergewaltigungen zeigten. Einmal wurde gar darüber gescherzt, dass eine Frau so hart mit dem Kopf auf den Boden geknallt sei, dass man kurz gedacht hatte, sie sei tot.

Zwei Journalistinnen und eine K-Pop-Künstlerin deckten den Skandal auf

Das Ausmass der Misogynie wird gerade voller Entsetzen wieder entdeckt: Das liegt vor allem an der Dokumentation «Burning Sun: Exposing the secret K-pop chat groups» des britischen Senders BBC, die in der vergangen Woche erschienen ist. Darin werden die Nachrichten in all ihrer Schäbigkeit noch einmal gezeigt. Ausserdem reden die Journalistinnen Park Hyo Sil und Kang Kyung-yoo über ihre Erfahrungen.

Sie waren diejenigen, die den Skandal offenlegten – und dafür auf Jahre von wütenden Fans online bedroht und terrorisiert wurden. Kang war damals schwanger und erlitt aufgrund des Psychoterrors eine Fehlgeburt. Auch eine junge Frau, die im «Burning Sun» einen «gespiketen» Drink bekam und am nächsten Morgen mit einem ihr fremden Mann in einem Hotelzimmer aufwachte, der sie zu sexuellen Handlungen zwang, kommt anonymisiert zu Wort.

Eine weitere junge Frau bekommt durch die Doku endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient: Goo Hara, die unter dem Namen Hara eine erfolgreiche Solokarriere in Japan und Korea hatte, war seit Jugendtagen mit Choi Jong-hoo befreundet. Als sie Kang Kyung-yoos ersten Artikel las, kontaktierte sie diese und bot ihre Hilfe an.

Sie wusste, dass diese Männer eklige Dinge auf ihren Smartphones teilten und überredete Choi Jong-hoon, mit der Presse zu reden. Hara beging später, im November 2019, Suizid. Schon im Mai hatte sie das versucht – wurde aber rechtzeitig gefunden.

Verbindungen zu einem hochrangigen Polizisten

All das flog endlich auf, als ein Vorfall im «Burning Sun» im Januar 2019, das Interesse investigativer Medien und der Polizei-Oberen weckte: Ein Video, das der Presse zugespielt wurde, zeigte, wie ein Mitarbeiter des Clubs einen Besucher vor die Tür setzte und diesen verprügelte – vor den Augen zweier Streifenpolizisten, die danach auch noch das verletzte Opfer verhafteten.

Durch die folgenden Untersuchungen kamen die Nachrichten im Kakao-Talk-Chat ans Licht. Neben den zahlreichen gefilmten Übergriffen und Molka-Videos wurde im Chat auch immer wieder über einen Polizeibeamten gesprochen, der vor allem Seungri und Jung den Rücken freigehalten hätte. Ihn konnte man identifizieren, weil Hara ihren Jugendfreund überredet hatte, den Namen zu verraten.

Misogynie, Sexismus und viel zu kurze Haftstrafen

Misogynie und Sexismus bleiben ein Problem in der südkoreanischen Gesellschaft: das zeigt auch die BBC-Doku: Seit dem Jahr 2019 haben sich die Fälle von Molka mehr als verzehnfacht. Anonym aussagende ehemalige Mitarbeiter des «Burning Sun» sagen, dass auch der Einsatz von GHB weiterhin weit verbreitet sei.

Die Haftstrafen für die Idols fielen ebenfalls eher moderat aus: Jung Joon-young wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde später auf fünf Jahre verkürzt. Choi Jong-hoon wurde auf fünf Jahre verklagt – aber auch hier wurde auf zwei Jahre und sechs Monate verkürzt, nachdem er es geschafft hatte, eine Einigung mit den Opfern zu erzielen.

Seungri wurde wegen neun weiterer Anklagen zu drei Jahren Haft verurteilt, darunter Vermittlung von Prostitution, Unterschlagung, Verstoss gegen Lebensmittelsicherheitsgesetze, gewohnheitsmässiges Glücksspiel und Verstoss gegen das Devisengesetz. Zur grossen Überraschung und Wut vieler wurde er nach nur 18 Monaten vorzeitig freigelassen.

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