Veröffentlicht am 22. September 2023

Anna Rossinelli: «Ich würde gerne mal eine Leiche spielen»

Neues Album, Familienzuwachs und eine Rolle in der Hit-Serie «Tschugger» – läuft bei ihr. Trotz vollem Terminkalender hat sich Anna Rossinelli Zeit für ein Interview mit uns genommen.

Journalist
3021

Der eine Schritt zurück ist manchmal genauso wichtig wie die Zwei nach vorne. Dass Anna Rossinelli sich auf ihrem 6. Album auf ihre Anfänge zurückbesinnen will, ist also durchaus verständlich. Mit frisch veränderten Lebensumständen tun sich ohnehin neue Perspektiven auf, die sich dem Betrachter zuvor entzogen haben. So überrascht es dann auch nicht, dass «Mother» das bisher intimste und nackteste Werk Rossinellis ist. Dabei verlieren die Songs aber nichts von ihrem Drang, im Gegenteil: Die zurückhaltende Instrumentalisierung wirkt wie ein Multiplikator auf die prägnante Stimme von Rossinelli. «Mother» ist ein Rückblick, gleichzeitig aber auch ein Versprechen dafür, was man von der Basler Band noch erwarten darf.

Wohin die Reise geht weiss Bandleaderin Anna selber noch nicht so genau. Dafür hat sie Antworten auf unsere anderen Fragen.

«Mother» von Anna Rossinelli, VÖ: 22. September 2023

Anna, Gratulation – heute erscheint dein neues Album. Wie fühlt es sich an?

Mega gut. Ich habe «Mother» während meiner Schwangerschaft vorbereitet und als meine Tochter dann im Frühling auf die Welt kam, war das Ding eigentlich bereits komplett im Kasten.

Metaphorisch können wir also von zwei Geburten sprechen. Stand der Albumtitel schon fest, als du herausgefunden hast, dass du schwanger bist?

Ja, auch den gleichnamigen Song gab es da bereits. Für mich spricht der Titel eher eine Retrospektive auf alte Zeiten an. Anna Rossinelli - die Band - hat ihre Wurzeln in der Strassenmusik und zu diesen Wurzeln, zu diesen Anfängen wollten wir zurück. Die Mutter ist für uns alle der Anfang von allem und damit ein Sinnbild dafür. So sind dann Songs wie «Mother» und «Daddy isn’t Home» entstanden.

Im Song «Mother» geht es dann auch nicht um deine neue Rolle, sondern um deine Mutter. Wie hat sie darauf reagiert?

Sie hat geweint und war natürlich sehr berührt. Ich wollte ihr damit in erster Linie «Danke» sagen. Wenn man selber Mutter wird, besinnt man sich auf die eigene Kindheit zurück und gleichzeitig verändert sich das Verhältnis zu der eigenen Mutter. Für mich war des damit der richtig Zeitpunkt für eine Hommage an meine Mutter.

Auch deinem früh verstorbenen Vater widmest du mit «Daddy isn’t home» einen Song. Hat das Album etwas therapeutisches für dich?

Schwierig zu sagen. Ich war sechs Jahre alt, als mein Vater starb und bin heute wohl ziemlich austherapiert. Es ist natürlich traurig, dass mein Vater meine Tochter nie kennenlernen wird, gleichzeitig bin ich wiederum sehr dankbar, dass sie mit ihrem Vater aufwachsen darf. Verarbeitet habe ich den Tod aber ausreichend, sonst könnte ich wahrscheinlich nicht so offen damit umgehen oder Songs darüber schreiben.

Bleiben wir gleich bei den Songs: Diese klingen streckenweise fast schon reduziert, war das eine bewusste Entscheidung?

Das war das Ziel, ja und greift auch den «back to the roots»-Ansatz wieder auf. Wir spielen ja sehr oft in reduzierter Form, also: Bass, Gitarre und Gesang. Zurück zu den Wurzeln bedeutet für uns auch, die Songs nicht zu überladen. Ich vergleich es gerne mit einem Gewürzkasten: Es gibt tausende von Gewürzen, die man benutzen kann, aber das macht das Gericht nicht zwangsläufig besser und genauso ist es in der Musik.

Musikalisch habt ihr in den letzten Jahren einige durchgemacht. Gibt es DEN Trademark Rossinelli-Sound oder wollt ihr euch da nicht einschränken lassen?

Das ist ein Stück weit die Herausforderung. Wir entwickeln uns ja weiter und bringen allesamt verschiedene Einflüsse in die Band, was dann zum Beispiel in einem «Somebody Like You» resultiert, das klar von den 80ern inspiriert ist. Es ist Fluch wie Segen, einerseits finden wir viel spannend und ich persönlich experimentiere auch gerne. Ich sehe aber auch ein, dass das für den durchschnittlichen Musikkonsumenten nicht immer ganz einfach ist. Aktuell fühlen wir uns aber sehr wohl mit diesem reduzierten, diesem handgemachten Sound und bleiben ihm wohl auch noch ein wenig treu.

Du lässt dich ja auch bei deiner Karriere nicht einschränken. Seit 2021 bist du im TV bei «Tschugger» zu sehen. Bleibt es bei diesem On/Off-Gig oder möchtest du die Schauspielerei gezielter verfolgen?

Kein Plan, ehrlich gesagt. «Tschugger» war ein tolle Chance und zudem gutes Timing: Aufgrund der Pandemie wurden sämtliche Shows abgesagt und ich hatte Zeit. Wenn sich wieder mal was Tolles ergibt, sage ich bestimmt nicht nein. Ich würde auch gerne mal eine Leiche spielen im «Tatort» oder so. Da hätte ich auch nicht allzu viel Text (lacht).

Bei der aktuellen Staffel von «Sing meinen Song» bist du ebenfalls dabei. Nach unseren Berechnungen sind das mindestens 3½ Vollzeit-Jobs. Wie bekommst du das alles unter?

Die Schauspielerei ist ja sehr punktuell. Das ist mal kurz stressig, dann aber auch wieder vorbei. Bei allem anderen habe ich gelernt, mich zu organisieren und entsprechend Prioritäten zu setzen und momentan liegen diese bei meiner Tochter und der Musik.

Ein schöner Abschluss, vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg mit deinem neuen Album.

Merci.

Anna Rossinellis neues Album «Mother» erscheint am 22. September. Begleitend dazu gibt es Liveshows in der ganzen Scheiz.

20.10.2023 |Hasliberg, Wetterhorn

27.10.2023 |Stäfa, Rössli

28.10.2023 |Biel, Le Singe

03.11.2023 |Kandersteg, Unplugged Sessions Kandersteg

04.11.2023 |Basel, Parterre One

16.11.2023 |Seewen, Gaswerk

18.11.2023 |Mels, Altes Kino

24.11.2023 |Rubigen, Mühle Hunziken

01.12.2023 |Brugg-Windisch, Campussaal Winter Night

09.12.2023 |Wetzikon, Scala

15.12.2023 |Davos, Songbird Festival

16.12.2023 |Winterthur, Casinotheater

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