Amy Winehouse: «In Her Words» ist eine schöne Mogelpackung
Ein neues, recht schmuckes Coffee Table Book versammelt Tagebucheinträge, Notizen und zahlreiche Fotos der jungen Amy Winehouse. Der Titel «In Her Words» ist dennoch ein wenig irreführend.
Der Verlag HarperCollins hat ein sehr schönes neues Buch über Amy Winehouse veröffentlicht. «In Her Words» ist mit seinem Kaufpreis von rund 50 Schweizer Franken zwar nicht unbedingt ein Schnäppchen, aber der schöne Druck und die zahlreichen Fotos sind durchaus ihr Geld wert. Wer allerdings erwartet, in erster Linie die Schreibstimme der grossen, tragisch früh verstorbenen Musikerin zu hören, wird ein wenig enttäuscht. Denn «In Her Words» ist wohl eher so zu verstehen, dass ihre Eltern Janis Winehouse-Collins und Mitch Winehouse in ihrem Namen sprechen – in langen eigenen Ausführungen und durch die zahlreichen Artefakte, Notizen und Fotos, die sie mit dem Verlag zusammengetragen haben.
Amy Winehouse und ihr Vater Mitch
Fans und Kenner:innen von Amys Biografie werden da zurecht skeptisch. Wer die (allerdings auch nicht ganz unumstrittene) Dokumentation «Amy» von Asif Kapadi kennt, weiss, dass Amy und Mitch nie das beste Verhältnis hatten. Der ehemalige Taxifahrer verliess die Familie, als Amy neun Jahre alt war. Bereits mit 13 verschrieben ihr die Ärzte Antidepressiva, was nicht gerade dafür spricht, dass sie eine glückliche Jugend hatte und diese Trennung überwunden hatte. Überliefert ist auch das harte Fazit von Amy über ihren Vater: «Er war nie da, wenn es wichtig war.» In Fragen zum Nachlass und zum Erbe von Amy war Mitch dann jedoch sehr präsent. In «Amy» sieht man ausserdem, wie Mitch mit einem Kamerateam nach St. Lucia reist und Amy ganz offensichtlich irritiert und verärgert darüber ist, dass ihr Vater ihren sonnigen Rückzugsort entert. Mitch sagte in einem Interview, er habe eben gerade «eine Dokumentation über Familien, die mit Suchtproblemen kämpfen» gedreht und Amy habe nach seiner Frage, ob das klar ginge, gesagt: «Mach was du willst, Dad.» Ausserdem gibt’s den berühmten Chorus aus Amys «Rehab», in der sie singt: «They tried to make me go to Rehab / But I said no, no, no / Yes I've been black, but when I come back / You'll know, know, know / I ain't got the time / And if my daddy thinks I'm fine.» Auch hier sagte Mitch Winehouse, er habe das zu einem Punkt in ihrem Leben gesagt, als eine «Rehab» tatsächlich übertrieben gewesen sei.
Nach der Veröffentlichung von «Amy» wählte Mitch Winehouse die Flucht nach vorne und gab zahlreiche Interviews, in denen er den Film unter anderem als «Müll» bezeichnete. Der britischen Tageszeitung The Guardian sagte er: «Sie haben mich bewusst in einem besonders schlechten Licht gezeigt.» Die Produktionsfirma wiederum sagt dazu: «Als man an uns herantrat, um den Film zu drehen, kamen wir mit der vollen Unterstützung der Familie Winehouse an Bord, und wir gingen das Projekt mit absoluter Objektivität an, wie wir es auch bei unserem Film ‘Senna’ taten. Während des Produktionsprozesses haben wir etwa 100 Interviews mit Menschen geführt, die Amy Winehouse kannten: Freunde, Familie, ehemalige Partner und Mitglieder der Musikindustrie, die mit ihr gearbeitet haben. Die Geschichte, die der Film erzählt, ist ein Spiegelbild unserer Erkenntnisse aus diesen Interviews.» Einen weiteren Aufschrei aus Amys ehemaligem direkten Umfeld gab es, als kürzlich herauskam, dass Mitch Winehouse erlaubt hatte, Szenen einer Überdosis für das Biopic mit Marisa Abela in ihrer alten Wohnung drehen zu lassen.
Die Eltern von Amy Winehouse verwalten trotzdem nun ihr Erbe – und das muss man ihnen lassen: Mit der «Amy Winehouse Foundation» machen sie seitdem gute Arbeit: Ein Grossteil der Einnahmen, die ihre Musik noch immer generiert, sowie ein Teil der Einnahmen aus Mitchs Buchverkäufen von «Amy – My Daughter» und diesem Buch kommen junge Menschen in Not zugute.
Das Buch «In Her Words»
Genug der (nötigen) Vorgeschichte: Kommen wir zur schön anzuschauenden Mogelpackung «In Her Words». Tatsächlich ist das Buch eine Bereicherung für Fans und ein schöner Gegenpol zu den tragischen Bildern aus ihren letzten Jahren, die manchmal noch das öffentliche Bild bestimmen. Wir sehen in diesem Coffe Table Book in erster Linie die junge Amy Winehouse. Wir sehen zum Beispiel eine «Mind Map» von ihr, in der sie ihre Freund:innen in der Schule «sortiert». Es gibt auch eine Notiz aus dieser Zeit mit dem Titel «rating lads», bei dem die Namen allerdings geschwärzt sind. In einer Liste sammelt sie «Good words to describe me: loud, bold, melodramatic». Das passt doch sehr gut. Überhaupt scheinen ihr kleine Listen dieser Art oft bei der Entscheidungsfindung oder der Selbsteinschätzung geholfen zu haben. Ungefähr zur Zeit, als ihr Debütalbum «Frank» erschienen war, schrieb sie: «Amy Trademarks: 1. walking bass 2. sweet jazz chords 3. hip-hop beats 4. ride cymbal.» Eine Notiz liest sich mit Blick auf ihren problematischen Ehemann Blake Fielder-Civil geradezu prophetisch: «I quickly get into the wrong crowd.»
Der Nachteil des Buches: Als ihr Leben tragischer und ihre Musik noch genialer wurde, werden die Notizen und Fundstücke rarer. Was durchaus im Sinne ihrer Eltern war, wie Mitch Winehouse dem Portal ET Online erklärte. Man habe eben vor allem diese Amy zeigen wollen, denn: «Amy ist viel mehr als die Sängerin, die Person, die mit der Sucht zu kämpfen hatte, viel mehr als das. Sie war liebevoll, freundlich, ein wundervolles Familienmitglied und eine wundervolle Freundin. Das ist es, was wir wollen, dass die Leute das über Amy wissen.» Ausserdem betont Mitch noch einmal: «Nicht viele Menschen wissen, dass sie vor ihrem Tod drei Jahre lang drogenfrei war, das ist also wichtig.» Es geht also durchaus klar, wenn man hier mal ein etwas gefiltertes Leben zu sehen bekommt – dennoch wird eine Sache immer wieder deutlich. Am ehesten wird man dieser grossen Musikerin gerecht, wenn man immer wieder ihre fantastische Musik hört. Zum Beispiel diesen Song: