5 «Masters», die Jann Wenner vom Rolling Stone vergessen hat

Jann Wenner ist Gründer des amerikanischen Rolling Stone Magazins. In einem maximal unsympathischen Interview erklärte er, warum der große weiße Mann des Musikjournalismus für sein Buch «Masters» nur mit seinesgleichen reden wollte. Gäbe ja keine Musikerinnen oder schwarze Musiker in dieser Kampfklasse. Bitte was?

Journalist

Man fragt sich ja immer wieder mal, woran es eigentlich liegt (ist es vielleicht das Koks?), das vornehmlich ältere Männer im Rockgeschäft irgendwann damit anfangen, nur noch selbstgefälligen Bullshit von sich zu geben. Sei es ein Gallagher, der glaubt, dass die auch nicht mehr ganz jungen Arctic Monkeys die einzige gute, aktuelle Rockband seien. Sei es ein Roger Waters, der sich für wichtiger als Post Malone hält – oder nun eben eine Ikone des Musikjournalismus, die dermaßen dummen Mist erzählt hat, dass sie zurecht aus der Rock’n’Roll Hall of Fame gekickt wurde. Die Rede ist von Jann Wenner, der 1967 mit Ralph J. Gleason das Magazin Rolling Stone in San Francisco gründete – und zur wohl bekanntesten Musikpublikation der Welt machte. Übrigens überwiegend mit dem Geld seiner damaligen Frau Jane Schindelheim. Seit 2019 ist Jann Wenner nicht mehr an Bord des Magazins, aber er hat in den letzten Jahren immer mal wieder sein Erbe verwaltet. 2022 kam sein launiges Memoir «Like A Rolling Stone» und schon 2008 schrieb er mit dem Autor Corey Seymour die Biografie jenes verrückten Journalisten, den er entdeckt, erduldet und groß gemacht hatte: Hunter S. Thompson.

Wenner hat also durchaus einige Verdienste vorzuweisen – um so schlimmer ist das, was er nun in einem Interview der New York Times von sich gegeben hat. Wenner hat kürzlich das pompös betitelte «The Masters» veröffentlicht. Ein Buch mit alten Interviews, die er mit Bono, Bob Dylan, Mick Jagger, John Lennon, Pete Townshend und Jerry Garcia geführt hat. Lediglich das Interview mit Bruce Springsteen ist brandneu. Problematisch wurde es, als Wenner das Ganze zum «Besuch auf dem Olymp des Rock’n’Rolls» erklärte und eben diesen definitiven «Masters»-Titel wählte. Die Meister des Rock’n’Rolls – dieser aus dem Blues erwachsenen Musikrichtung, die maßgeblich von Sister Rosetta Tharpe losgetreten wurde – ist in seinen Augen komplett weiß und männlich. Hätte man ihm vielleicht durchgehen lassen können, wenn er gesagt hätte: «Leute, das ist Marketing! Natürlich ist das Bullshit.» Hat er aber nicht. Stattdessen erklärte er dem zunehmend verdutzten New York Times-Autoren, warum Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Stevie Wonder oder Joni Mitchell ihr Schaffen eben nicht so gut artikulieren könnten, dass man sie als «Master» bezeichnen könnte. Da fällt selbst dem von ihm gegründeten Magazin nur das ein:

Deshalb hier eine kleine Nachhilfestunde, wenn Jann Wenner noch hätte sprechen können, wenn er wirklich einen Kanon oder gar den Olymp des Rock’n’Rolls im Sinn gehabt hätte.

Marvin Gaye

Wenner hätte zu dessen Lebzeiten mit Marvin Gaye sprechen könnte, dessen Meisterwerk «What’s Going On» der Rolling Stone auf Platz 1 der «500 besten Alben aller Zeiten» setzte. Der könne sich aber, so Wenner im NYT-Interview, halt nicht so gut artikulieren, wie es ein «Master» halt können müsse. Hat er wirklich so gesagt. Muss man sich mal vorstellen: Der Typ, der Rassismus, das Trauma des Vietnamkriegs und die steigende Unfairness der amerikanischen Arbeitswelt in diese genialen Soultracks verwandelt hat, solle sich nicht ausdrücken können? WTF?

Joni Mitchell

Noch eine Künstlerin, die definitiv zu den «Masters» des Rock’n’Roll oder des Folks zu zählen ist und die Wenner mit diesen Worten bedachte: «Wissen Sie, Joni war keine Philosophin des Rock 'n' Roll. Meiner Meinung nach besteht sie diesen Test nicht. Nicht durch ihre Arbeit, nicht durch andere Interviews, die sie gab. Die Leute, die ich interviewt habe, waren Rock-Philosophen.» Uff. Kann man sich wirklich nicht ausdenken. Und ist natürlich Quatsch. Joni Mitchell hat eine ganze Generation von Musiker:innen mit ihrem Songwriting beeinflusst – und sie hat durchaus deepe Interviews gegeben, oft sogar auch in einem unvorteilhaften TV-Setting. Ganz Rock’n’Roll rauchte sie auch gerne, während sie philosophierte. Ihr Album «Blue» ist übrigens auf Platz 3 der «500 besten Alben aller Zeiten».

Kathleen Hanna

Überhaupt ist das, was Wenner und viele andere mit diesem Buch betreiben, nur die Fortführung eines sogenannten Rock-Kanons, der von Anfang nicht wirklich fair geführt wurde. Typen wie er faseln oft von der revolutionären Kraft des Rock’n’Rolls und tun so, als hätten all die eigentlich aus sicheren Verhältnissen stammenden Mittelstands-Söhne mit ihrem rücksichtslosen Eskapismus die Welt zu einer besseren gemacht. Dass er dabei vor allem die Menschen übersieht, die wirklich um ihren Platz in der Gesellschaft und der Rock’n’Roll-Welt kämpfen mussten, ist symptomatisch. Deshalb verordnen wir ihm eine Nachhilfe in Sachen Riot Grrl und ein erhellendes Gespräch mit Kathleen Hanna von Bikini Kill, die mit ihrer Band und dem Label Kill Rock Stars wirklich Revolutionäres geleistet hat.

Stevie Wonder

Ihn nennt Wenner immerhin ein «Genie», zählt ihn aber trotzdem nicht zu den «Masters», obwohl er vermutlich sogar noch mit ihm hätte sprechen können. Aber auch hier merkt man, worauf es Jann Wenner ankommt – oder eben nicht ankommt. Seine Interviews sind zwar durchaus mal tief schürfende, aber meistens sehr geschwätzige Buddy-Gespräche. Mit einem Künstler wie Stevie Wonder wäre das vermutlich gar nicht möglich gewesen: Eben weil Wenner nicht die Empathie oder das Kulturverständnis zu haben scheint, einen schwarzen Künstler wie Stevie Wonder zu verstehen. Wonders «Songs In The Key Of Life» ist übrigens auf Platz 4 der «500 besten Songs aller Zeiten».

Taylor Swift

Bevor jetzt irgendwelche schlecht informierten Genre-Polizisten die Heugabeln auspacken: Die Rock’n’Roll Hall of Fame war zu keinen Zeitpunkt nur den Gitarrenhelden vorbehalten. James Brown, bekanntermassen der «Godfather of Soul» gehörte zu den ersten Preisträgern überhaupt und spätestens mit Aufnahme von Blondie, im Jahr 2006, zogen auch klassische Pop-Acts in die Halle ein. Wer sich echauffieren will kommt also gut 15 Jahre zu spät, aber zurück zum Thema.

Wer die Musikwelt der letzten Jahre auch nur minimal im Blick hat, weiß, dass die neuen «Masters» dieser Zeit vor allem Künstlerinnen sind. Wie zum Beispiel Taylor Swift, die gerade mit ihrer «Eras»-Tour alle Rekorde bricht und mit ihren drei Stunden Shows neue Maßstäbe in Sachen Kondition setzt. Sie ist die aktuelle Königin des Rock-Olymps – aber auch hier kann man sich nicht vorstellen, dass Jann Wenner eine tiefschürfendes Interview mit ihr hinbekommen hätte, da er nicht so wirkt, als hätte er auch nur das geringste Verständnis für einen Karriereweg wie ihren – und den Hindernissen, die ihr Typen wie er in den Weg legen, bevor sie ihr vermutlich auf den Hintern oder in den Ausschnitt starren.

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