Veröffentlicht am 02. November 2023

Troye Sivan ist der neue «Prinz of Pop»

Er spielte mit in einer der schlechtesten Serien des Jahres und veröffentlicht jetzt eines der besten Alben 2023: Troye Sivan hat zurzeit einen bemerkenswerten Lauf und jagt Hedonismus in einer Welt, die derzeit nicht viel Lust auf mehr macht.

Journalist

Für etwa drei süsse und kurze Tage in diesem Sommer lautete die dominierende Frage für einmal nicht «Wie soll ich das alles bloss bezahlen!?» oder «Wo bricht wohl der nächste Krieg aus!?». Sondern: Wie schlecht ist bitte «The Idol»!? Als wäre er ein sterbendes «Make A Wish»-Kind, erfüllte sich Pop-Superstar The Weeknd 2023 den Traum eines glossigen Fernsehdramas. Gedreht in seinem Haus, mit ihm in der männlichen Hauptrolle, co-written und co-produced, glaubte Abel Tesfaye – so sein nicht kalendarischer Name – den Fellini zu machen und ein satirisches Drama über die Welt der Reichen und Schönen und Singenden abzuliefern.

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Das Endresultat war eine volle Windel der Eitelkeiten. Und mittendrin in diesem hochglänzenden Desaster befand sich Troye Sivan. Bereits als Kind stand der Australier vor der Kamera. Die Filmreihe «Spud» machte ihn in seiner damaligen Heimat Südafrika zum nationalen Star. Doch ist es seine Musik, die Troye weltweit als Prominenz etablierte. 2018 erschien sein Debütalbum «Blue Neighbourhood», drei Jahre später der Nachfolger «Bloom». Auf beiden hörte man einem jungen Mann beim Erwachsenwerden zu. Mit samtweicher Stimme und persönlichen Texten tastete sich Troye in seinen Popsongs vorsichtig ins Leben vor. Und die oberen Chartsregionen waren um eine queere Stimme reicher geworden. Frauen, die nirgendwohin ohne ihren lululemon-Wassertumbler gehen, hörten Taylor Swift. Ihre schwulen Besties hörten Troye Sivan.

The Weeknd is over, now it's Troye Tuesday

Sein verletzlicher, spitzbübischer Charme übertrug sich auch auf Xander, den Troye in «The Idol» verkörperte: ein desillusionierter Creative Director, dessen eigene Gesangskarriere nie wirklich in Gang gekommen ist und der stattdessen jetzt anderen sagt, wie viele Kleider sie fürs nächste Plattencover ausziehen sollen. Ein komplexer und tragischer Charakter auf einem Dancefloor voller selbstverliebter Deppen. Und so überstand Troyes Karriere diesen Wochenendausflug nach Peinlichstetten relativ unbeschadet. Erst recht, weil er jetzt sein drittes Album «Something to Give Each Other» nachgelegt hat.

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Darauf ist Troye Sivan endgültig erwachsen. Denn natürlich wurde ihm das Herz gebrochen. Und er ist bereit, auch selber ein paar dieser verletzlichen Blutpumpen zu knacken. Sein dritter Longplayer entstand in der Zeit nach dem Ende einer Beziehung, als Troye sich in rauschende Partynächte stürzte und die Welt wieder aufs Neue entdeckte. Besonders treffend eingefangen hat dieses Lebensgefühl der Song und Videoclip zu «Rush», ein verschwitzter Eurodance-Marathon durch Berlins Nachtleben. Wer dazu nicht die Faust im fingerfreien Lederhandschuh in die Luft pumpen will, muss die Nummer seines Poppersdealers verloren haben.

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Troye Sivan singt intime Geschichten, die du im Lieblingscafé beim verkaterten Sonntagnachmittagsbrunch mit deinen besten Freunden teilst – nachdem du vorsichtig über beide Schultern geschaut und die Stimme gesenkt hast. Tracks wie «One of Your Girls» und «What's the Time Where You Are?» sind Musik gewordene Messages, die man seinem Crush nachts um 3 hot und horny sendet. Troye formuliert sie aber mit einer Eleganz und Melancholie, damit sich uns nicht Augen und Magen drehen. Musikalisch klingt «Something to Give Each Other» wärmer und berauschter als seine Vorgänger. Jemand hat endlich Lust darauf, aus seinem poppigen Bedroom zu entkommen – auch wenn es am Ende der Party dorthin zurückgeht. Und zwar hoffentlich nicht alleine.

«The Idol» wurde nach der ersten Staffel abgesetzt. Die Geschichte vom fiktiven Popstar Jocelyn bleibt damit unvollendet. Ist ok. Denn jene von Troye Sivan fängt gerade erst an, so richtig spannend zu werden.

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