Veröffentlicht am 19. Juli 2023

The story of: «Barbie Girl»

1997 brachte die dänisch-norwegische Popband Aqua den amoklaufensten Ohrwurm des Jahrzehnts heraus. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte und die Emanzipation von «Barbie Girl».

Journalist
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«Komödie ist Tragödie plus Zeit», heisst es in Woody Allens Film «Melinda & Melinda». Eine ähnliche Gleichung liesse sich auch auf die Popkultur ummünzen: «Kult ist Trash plus Zeit.». Klar, universell einsetzbar ist diese Aussage nicht – oftmals bleibt Schrott einfach Schrott, auch wenn er zwei Dekaden auf dem Buckel hat. Andererseits hat die Geschichte aber schon häufig ehemals geächtete Kunst und deren Künstler:innen nachträglich rehabilitiert. Tommy Wiseau und sein dilettantisches Machwerk «The Room» zum Beispiel. Der Streifen ist natürlich immer noch miserabel, läuft heute aber in Arthouse-Kinos und darf durchaus als Kulturgut betrachtet werden.

«The Room» (2003): 99 Minuten lang fehlgeleitetes Selbstvertrauen und ein Skript, das auf einen Bierdeckel passt.

Ähnlich verhält es sich in der Musikwelt, womit wir bei Aqua und ihrem trashigen Hit «Barbie Girl» wären. Entstanden als Kollaboration aller vier Bandmitglieder, erschien der Song im April 1997 und verklebte sogleich die weltweiten Charts-Spitzenplätze mit einer pinkfarbenen Melasse aus Eurodance und Bubblegum Pop.

Hat nur 400 Millionen Plays weniger als «Bohemian Rhapsody». Macht mit dieser Information was ihr wollt.

Das Barbie Girl vor Gericht

Der Sound passte zu den späten 90ern, wie Disney-Cartoons ins Samstagmorgen-Fernsehprogramm und zahlreiche Kritikern feierten das simple aber effektive Songwriting. Weniger Freude hatte aber der Spielzeugproduzent und «Barbie»-Hersteller Mattel. Dies vor allem aufgrund der hochgradig sexualisierten Lyrics. So trällert Sängerin Lene Nystrøm unter anderem:

I'm a blonde bimbo girl in a fantasy world

Dress me up, make it tight, I'm your dolly

You're my doll, rock and roll, feel the glamor in pink

Kiss me here, touch me there, hanky-panky

Mattel verklagte daraufhin Aquas Plattenlabel MCA im Jahr 2000, was in einem mehrjährigen Gerichtsfall resultierte. Dieses urteilte schlussendlich im Sinne von MCA mit der Begründung, dass es sich bei «Barbie Girl» um eine Parodie handelt und der Song damit dem Gesetz der Meinungsfreiheit unterstellt ist. «The parties are advised to chill.», lautete das Abschlussstatement von Richter Alex Krozinksi, was frei übersetzt soviel bedeutet wie: «Ich kann nicht glauben, dass ich für so einen Scheiss Jura studiert habe, wtf?»

Einige Jahre später zeigte sich Mattel versöhnlich und nutzte den Song für eine Werbekampagne. Dabei handelte es sich aber um eine neu eingespielte Version, deren Text etwas weniger horny daherkommt.

Die «bereinigte» Version für Mattel.

Mit einem Augenzwinkern?

Doch war es wirklich eine Parodie? Wie viel Sozialkritik in «Barbie Girl» steckt, wurde in den vergangenen 26 Jahren oft und ausführlich diskutiert. Auch Aqua selber haben dazu öfters Stellung genommen, dies aber mit zum Teil widersprüchlichen Aussagen. In geschlossener Form äusserten sich die vier Musiker:innen zuletzt in einem Rolling Stone-Interview. «Es ist Popmusik mit einem Augenzwinkern. (...). Wir wollten uns über dieses Bild der perfekten Frau lustig machen.», so Nystrøm.

Der Anspruch der Sozialkritik ist damit zwar erfüllt, gleichzeitig ist der Song aber offenbar auch nicht das feministische Bollwerk, das einige Musikjournalisten in dem Stück erkannt haben wollen. Kult ist Aquas «Barbie Girl» jedoch allemal, davon zeugen die total über 1,5 Milliarden Plays auf Youtube und Spotify und die Tatsache, dass auch im Jahr 2023 die Antwort auf «Come on, Barbie» immer noch «Let’s go party» lautet.

Life in plastic, it's fantastic. Quelle: Warner Bros.
Life in plastic, it's fantastic. Quelle: Warner Bros.

Zurück im Spotlight

Am 20. Juli startet Greta Gerwigs «Barbie»-Film in den Schweizer Kinos. Die Puppen-Hauptrollen übernehmen Margot Robbie und Ryan Gosling. Dass Aquas Song in seiner Original-Form nicht auf dem Soundtrack zu finden sein wird, war schon länger klar, mit einer neuen Interpretation von Nicki Minaj und Ice Spice fand sich aber ein adäquater Ersatz. Die zwei Hip-Hop-Grössen packen maximale «Slay, girl!»-Energie in die zwei Minuten und machen «Barbie World» zur Kampfansage für den wahrscheinlich durchgeknalltesten Big Budget-Film des Jahres.

Die beste Version von «Barbie Girl» kommt aber weder von Aqua noch von Nicki Minaj und Ice Spice, sondern von Johnny Cash – the man in pink.

«This is what you guys call music? Well i'll be damned.»

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