Veröffentlicht am 28. September 2023

Sufjan Stevens mit neuem Album aus dem Rollstuhl

Am 6. Oktober erscheint das neue Album des US-Songwriters Sufjan Stevens. «Javelin» heisst es und ist, wie fast immer bei Stevens, ein grosser Wurf. Leider wird er keine Interviews geben und vorerst keine Konzerte spielen, da er plötzlich am Guillain-Barré-Syndrom erkrankte.

Journalist

Der US-Songwriter Sufjan Stevens wird immer noch gerne auf seine grosse Ansage festgenagelt, jedem US-Staat ein eigenes Album zu widmen. Er schaffte bisher allerdings nur Michigan und Illinois. Was man ihm jedoch nicht wirklich übelnahm. Das liegt daran, dass «Michigan» und «Illinnois» beides Folk-Meisterwerke waren und Stevens eben stattdessen hirnsprengende Prog-Pop-Sci-Fi-Alben («The Age Of Adz»), ein gutes Dutzend Christmas EPs, Ambient-artige Instrumentalalben («Aporia») und mit «Carrie & Lowell» eines der persönlichsten Folk-Alben der letzten Jahre veröffentlichte – ein empathisch erzähltes, traurig-schönes Familiendrama, das es in Sachen Intensität sogar mit einem Elliott Smith aufnehmen kann. Mit «Mystery Of Love», «Futile Devices» und «Visions Of Guideon» war Sufjan Stevens ausserdem am Soundtrack des queeren Kultfilms «Call Me By Your Name» beteiligt – was seine Fan-Schar noch einmal vergrössert haben dürfte.

«…als würde man einem Alchemisten bei der Arbeit zusehen.»

Nun konnten bereits die ersten Fans und Kritiker:innen sein neues Album bei ausgewählten Listening Sessions auf der ganzen Welt hören. «Javelin» heisst es und erscheint am 6. Oktober. Schon die Vorabsingles «Will Anybody Ever Love Me?» und «So You Are Tired» zeigten, wohin die Reise geht. Der empathische, intime Folk von «Carrie & Lowell» wurde hier vermählt mit wohldosierter Studio-Opulenz, die Stevens inzwischen im eigenen Heimstudio erschaffen kann. Überhaupt klingen viele Songs, als wären sie von einem grossen Team produziert. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Stevens umgab sich nur mit engen Vertrauten und Freund:innen. Auf «Will Anybody Ever Love Me» spielt Sufjan Stevens zum Beispiel alle Instrumente und wurde von Adrienne Maree Brown, Hannah Cohen und Megan Lui gesanglich unterstützt. Cohen kommentiere die Arbeit später so: «Mit SUFJAN im Studio zu sein ist, als würde man einem Alchemisten bei der Arbeit zusehen. Er erschafft ein neues Reich, indem er unsere Stimmen aus einem sanften Chor aufbaut und uns dann in Sirenen verwandelt, die im Meer wüten.»

Selbst ein cooler Hund wie Neil Young dürfte gerührt sein

Der erste Höreindruck von «Javelin» ist beeindruckend. Gerieten ihm damals einige Songs oft ein wenig zu überbordend und überambitioniert, findet Stevens nun zum Beispiel im Titelstück die perfekte Balance zwischen glasklar produzierten Choreinlagen und diesem zarten Songwriting, das seinem sehr eigenen Timbre und seiner Poesie den Raum lässt, den sie brauchen. Der Opener «Goodbye Evergreen» ist das komplette Gegenteil davon und klingt, als hätte man die Indie-Band Grandaddy mit einem Orchester in einen dunklen Keller gesperrt. «Everything That Rises» wiederum ist zunächst reduziert instrumentiert, biegt dann aber mit seinen seltsamen Percussions, dem von Hannah Cohen beschworenen Sirenenchor und dezenten Flötensounds in Freak-Folk-Gefilde ab. Der Album-Closer wiederum ist eine Verneigung Stevens vor dem grossen Neil Young: Dessen «There’s A World» vom «Harvest»-Album klingt bei Stevens dermassen zart und hymnisch, dass man schon nach den ersten Sekunden heulen möchte. Das dürfte selbst einem coolen Hund wie Neil Young ans Herz gehen.

«Ich wachte eines Morgens auf und konnte nicht mehr gehen.»

Leider kann Sufjan Stevens selbst den Release nicht so zelebrieren, wie er es vorgehabt hatte. Sehr plötzlich erkrankte er vor einigen Wochen am Guillain-Barré-Syndrom – eine sehr seltene und im erstem Moment furchteinflössende Krankheit, die innerhalb von wenigen Tagen zu Lähmungen am ganzen Körper kommen kann. Die halbwegs gute Nachricht dabei: Bei einer schnellen Behandlung im Krankenhaus erholen sich die meisten Betroffenen schnell wieder und es kommt relativ selten zu dauerhaften Schäden. In einem Instagram-Post bescheibt Sufjan Stevens diesen Moment so: «Letzten Monat wachte ich eines Morgens auf und konnte nicht mehr gehen. Meine Hände, Arme und Beine waren taub und kribbelten, ich hatte keine Kraft, kein Gefühl und keine Beweglichkeit. Mein Bruder fuhr mich in die Notaufnahme, wo die Ärzte nach einer ganzen Reihe von Tests […] schliesslich die Diagnose Guillain-Barré-Syndrom stellten.» Nun befinde er sich in der Rehabilitation und arbeite «hart um wieder auf die Beine zu kommen.» Und Sufjan Stevens schrieb auch etwas, was wir alle uns immer wieder bewusst machen sollten: «Zum Schluss noch einen lauten Shout-out an all diese unglaublichen Pfleger:innen, Ärtz:innen und Krankenschwestern auf dieser Welt, die Tag und Nacht arbeiten, um uns beim Heilen zu helfen. Sie sind lebende Heilige!» Recht hat er. Wir wünschen dir gute Besserung, Sufjan Stevens – und freuen uns weiterhin auf dein Album!

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LINE UP - FRIDAY:
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20:00 – 20:50 Heavy Temple (Tent Stage)
21:00 – 21:50 The Obsessed (Main Stage)
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23:00 – 00:15 King Buffalo (Main Stage)

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LINE UP - SUNDAY:
15:00 – 15:40 Godsleep (Tent Stage)
16:10 – 16:50 Toushar (Tent Stage)
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19:00 – 19:50 Mantar (Main Stage)
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