Veröffentlicht am 11. August 2023

Reportage: In Wien mit Leftovers, Sofie Royer und Endless Wellness

Unser Autor war Ende Juli auf dem Popfest in Wien, wo einmal im Jahr die spannendsten Newcomer-Acts der Stadt gratis Konzerte spielen. Dort traf er Leftovers, Sofie Royer (Foto) und Endless Wellness zum Gespräch und liess sich live von Bipolar Feminin begeistern.

Journalist

Wer schon immer mal für ein verlängertes Wochenende nach Wien wollte und gute Musik mag, sollte seinen Städte-Trip vielleicht um das letzte Juli-Wochenende planen. Da findet seit über zehn Jahren am Karlsplatz das Popfest Wien statt. Auf einer grossen Aussenbühne vor der Karlskirche und in diversen Indoor-Locations drum rum spielen zahlreiche Bands, die nicht mehr wirklich Newcomer:innen, aber auch noch nicht allzu lange dabei sind. Der Deal dabei ist ziemlich unschlagbar: Alle Konzerte sind for free. Während vor der grossen Aussenbühne über dem Teich vor der Karlskirche (ja, das Ding wird drüber gebaut) in der Regel ausreichend Platz ist, muss man lediglich bei den Indoor-Shows – viele davon in den Räumen der Technischen Universität – früh anstehen, wenn man sicher gehen will, dass man es hineinschafft. Das Line-up ist ein spannend kuratiertes Schaulaufen der Wiener Musikszene und bot in diesem Jahr einige Namen auf, die zumindest im deutschsprachigen Raum heiss gehandelt werden. Der Falco-Jünger Bibiza musste zwar leider wegen einer Erkrankung absagen, aber neben den bereits im Titel genannten Acts, die wir hier näher vorstellen wollen, waren z. B. am Start: Saló, Uche Yara, Skofi & Bex, Fennesz, Cousins Like Shit, Szene Putzen, Wandl, Buntspecht u. v. a.

«Den Gürtel rauf und runter spielen» – mit Leftovers

Levtovers (Foto: Anna Francesca)  - Anna Francesca
Levtovers (Foto: Anna Francesca) - Anna Francesca

Unser erstes Interview findet auf dem Karlsplatz statt, im Biergarten des Restaurants Resselpark. Wir treffen die Leftovers – vier junge Menschen Anfang 20, die gerade mit ihrem deutschsprachigen Indie-Grunge-Punk-Bastard die Gegend aufmischen. Leon (Drums), Leonid (Gitarre, Gesang), Anna (Bass) und Alex (Leadgitarre) werden später im Jahr ihr zweites Album veröffentlichen und klingen polemisch verkürzt ein wenig wie Nirvanas «Bleach»-Album mit deutschen Texten. Grosse Worte, klar, aber hört doch mal hier rein:

Die vier kennen sich seit Jahren, Sänger Leonid und Bassistin Anna sangen zum Beispiel schon als Kinder im Chor. Anna erzählt: «Ich habe eigentlich überhaupt nichts mit Rockmusik zu tun gehabt, sondern eher so mit Leonid in diesem Chor gesungen. Er fragte mich dann: ‘Willst du in einer Band spielen?’ Und ich sagte: ‘Ich kann aber nix.’ Dann hat er mir den Bass in die Hand gedrückt. Classic.» Auch Drummer Leon sagt: «Ich habe erst so richtig in der Band Schlagzeug spielen gelernt.» Der Background von Sänger Leonid ist überhaupt sehr spannend: Sein Vater ist Opernsänger, die gesamte Familie hochmusikalisch. Nirvana spielten bei ihm, der viele der Texte schreibt, tatsächlich früh eine Rolle. Der berühmte Nirvana-Smilie war sein erstes Tattoo und er selbst sagt: «Mit 15 hatte ich den ersten richtigen Heartbreak, dann Nirvana für mich entdeckt und mich voll reingesteigert. Ich und Leon haben angefangen, uns zusammen anders anzuziehen, die Fingernägel lackiert, Haare länger wachsen lassen, die Hosen zerschnitten.» Alex gibt dann auch recht unumwunden zu: «Die erste EP war ehrlich gesagt einfach pures Nirvana – halt nur rausgerotzt, wir wussten ja noch nicht, wie man produziert.» Sein Gitarren-Game hatte Alex da aber schon ganz gut im Griff – er hatte klassisch an der Musikschule gelernt. Deshalb haben auch diese alten Songs schon eine ziemliche Wucht.

90s-Punk ist ein weiterer Einfluss der Vier: Leon und Leonid hatten ihr musikalisches Erweckungserlebnis bei einem «Punk in Drublic»-Konzert in Wien – mit NoFX und The Bronx. Es war das erste Mal, dass die beiden ohne Eltern auf einem Konzert waren. Der Bandname Leftovers geht ebenfalls auf die Anfangstage zurück. Vor der Pandemie sang man schliesslich noch auf Englisch. Als die Band nach dieser Zwangspause langsam wieder zusammenfand und sich bei einem renommierten Bandwettbewerb bewarb, kam die Idee auf, neue Songs mit deutschen Texten zu schreiben. Das tun sie seitdem – und verteilen die Songwriting-Credits auf alle vier Bandmitglieder.

Wenn man in Wien als junge Band möglichst viel spielen möchte, lautet das Motto: «Den Gürtel rauf und runter spielen». So beschreibt es Drummer Leon. Der Gürtel ist neben dem Ring und der so genannten Zweierlinie die dritte Ringstrasse, die den Stadtkern umschliesst. Hier gibt es zahlreiche Lokale wie das Rhitz, in dem man fast in jeder Woche gute Konzerte lokaler Bands sehen kann. «Leonid und ich haben Ring-Lokale am Anfang ständig angeschrieben», sagt Leon, «und ganz selten hat sich mal wer gemeldet. Aber inzwischen wollen sie alle, dass wir bei ihnen spielen.» Überhaupt fühlen sich alle Vier sehr mit Wien verbunden, obwohl Alex meint: «Wien ist geil aber auch ein wenig kacke. Sonntag bis Donnertag passiert eigentlich nix.» Aber es sei eine gute Base – und man arbeite dran, oft mit der Band rauszukommen. Was jetzt schon sehr gut klappt: Die Leftovers waren zuletzt zum Beispiel mit Wanda auf Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch die aktuelle Single «15. Bezirk» thematisiert die Verbindung zu Wien. Darin singt Leonid: «Ich weiss, ich werde hier krepieren / Vier Euro ein warmes Bier / Zusammen im 15. Bezirk / Wir werfen Schatten in das Licht / und warten bis die Liebe stirbt.»

Später am Abend spielen die Leftovers um 1 Uhr als letzte Band des Tages im Prechtlsaal der Technischen Universität. Der Schweiss tropft von der Decke, der Mosphit ist stattlich, die neuen und alten Songs funktionieren perfekt. Und man erkennt an der Show, dass man es hier mit einer anderen, rücksichtsvolleren, diverseren Punk-Generation zu tun hat: Leonid hat sogar das Rückgrat, ein paar zu sehr auf Testosteron rumspackenden Dudes ohne Shirt zu sagen, sie sollen sich doch bitte wieder anziehen, weil das vor allem für die Frauen im Raum ziemlich eklig sei. Das Erstaunliche daran: Die Dudes tun das sogar.

Grüsse von der Kleinen Marxerbrücke – mit Sofie Royer

Sofie Royer (Foto: Kyle Keese)  - Kyle Keesse
Sofie Royer (Foto: Kyle Keese) - Kyle Keesse

Am Freitag des Festivals treffen wir die Sängerin, Songwriterin, Künstlerin, Produzentin und DJ Sofie Royer in ihrer Wiener Wohnung zum Gespräch. Schon ihr Bücherregal gäbe genug Stoff für ein gutes Gespräch her, aber wenn man auf Sofies Biografie schaut, wird es noch interessanter. Ihre Familie hat iranische Wurzeln, sie wuchs in den USA auf, kam mit zwölf mit ihren Eltern nach Wien, ging mit 19 zurück in die Staaten, baute die immens erfolgreiche Plattform «Boiler Room» mit auf und arbeitete beim Kultlabel Stones Throw Record. Warum es dann wieder Wien wurde, erklärt sie so: «Meine Mutter ist Österreicherin, mein Vater wohnt auch hier in Wien. Als ich zwölf war sind wir als Familie nach Österreich gezogen und ich bin dann eben mit 19 allein wieder zurück in die USA, wo wir vorher lebten. Vor fünf Jahren habe ich dann sehr abrupt meine Jobs bei Boiler Room und bei Stones Throw Record gekündigt, weil meine Mutter krank wurde. Also bin ich zurück nach Wien. Hier habe ich dann auch angefangen, meine ersten Lieder zu schreiben, gut ein Jahr bevor mein Debütalbum kam. Ausserdem studiere ich hier: Psychologie, Philosophie und Englisch auf Lehramt – damit bin ich bald fertig. Mein zweites Studium in Malerei an der Universität für angewandte Kunst dauert noch ein wenig.»

War Sofie Royers 2020er-Debüt «Cult Survivor» noch stark von Synthesizern und elektronischem Pop geprägt, fühlte sich Sofie musikalisch auf ihrem Zweitling «Harlequin» zum ersten Mal so richtig in ihrem Sound wohl, den sie selbst sehr passend «Barock Pop» nennt. Beide Alben kamen via Stones Throw und fanden auch international Anklang. Im Interview erzählt sie von ihrem Auftritt im Vorprogramm von Lana Del Rey im L’Olympia in Paris, der zur Zeit des Gesprächs erst ein paar Tage zurück liegt. «Kurz vor dem Gig fragte mich mein Manager, ob ich nicht nervös sei. Ich war selbst überrascht, wie gelassen ich war. Mich macht es eher nervös, wenn ich vor zehn Leuten, die mich nicht kennen, in einem Club spiele und ich mich fragen muss: Was mache ich hier eigentlich?» Dass sie inzwischen vermehrt in deutscher Sprache singt, scheint für ihre Fans im Ausland kein Problem zu sein. «Mir macht es Spass, zwischen den Sprachen zu wechseln», sagt Sofie. «Ich habe ja fast mehr im nicht-deutschsprachigen Raum gespielt bisher und in Frankreich kommt zum Beispiel `Klein-Marx’ immer besonders gut an. Dabei versteht vermutlich niemand da, worum es darin eigentlich geht. In Japan ist der Song auch sehr beliebt. Erst letztes schrieb mir eine junge Frau aus Tokio, dass der Song immer bei ihrem McDonalds laufe. Sie arbeitet in einer Mall und verbringt oft ihre Mittagspause dort. Sie schrieb, dass sie den Song sehr liebe, aber fragte, ob sie es richtig übersetzt hätte, dass es eigentlich ein sehr trauriger Song über Suizidgedanken sei.» Die Übersetzung stimmt. Sofie singt in «Klein-Marx» davon, dass die Kleine Marxerbrücke in Wien der Ort sei, wo sie sich ins Wasser stürzen würde, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen würde.

Erstaunlicherweise ist Sofie Royers Gig auf dem Popfest am frühen Abend dann sogar ihr erster überhaupt in Wien. «Für mich ist es schon sehr besonders, hier in Wien aufzutreten. Ich habe ja erst in den letzten anderthalb Jahren begonnen, Konzerte zu spielen. Im Ausland sagen mir die Leute ständig: ‘You must play at home all the time!’ Und ich jedes Mal so: ‘Noooo!’ Ich habe bisher nur zwei sehr kleine Shows in Österreich gespielt und nie in Wien. Von dem her freut es mich sehr, hier bei einem auch sehr würdigen Festival, wie ich finde, zum ersten Mal spielen zu dürfen.» Das Konzert auf der Hauptbühne ist dann ebenfalls ein sehr würdiges. Sofie und ihre charmante Band übersetzen den «barocken» Sound des Albums perfekt ins Live-Setting und Sofie sorgt mit ihren unkonventionellen Ansagen für ein wenig Leichtigkeit zwischen den sehr emotionalen Songs. Sollten die Wiener:innen sie bisher noch nicht so auf dem Schirm gehabt haben, dürfte sich das zumindest bei den Anwesenden an diesem Abend geändert haben.

Auf einen Kaffee im Brick-15 mit Endless Wellness

Endless Wellness (Foto: Rea von Vic)  - Rea von Vic
Endless Wellness (Foto: Rea von Vic) - Rea von Vic

Mit der Wiener Band Endless Wellness treffen wir uns am Samstag des Festivals im gemütlichen Brick-15 in der Herklotzgasse im schon von den Leftovers besungenen 15. Bezirk. Denkt man in der Innenstadt permanent, man laufe durch eine barocke Postkarte, sieht man hier das etwas roughere, alternative, diverse Wien – und fühlt sich gleich viel wohler. Das Brick-15 ist in einer ehemaligen jüdischen Turnhalle untergebracht und ein lebhafter Kulturort, in dem am Wochenende Konzerte, Theater, Ausstellungen, Tanzveranstaltungen, Flohmärkte und Filmvorführungen stattfinden. Ähnlich wie die Leftovers sind Philipp Auer (Gesang, Rhythmus-Gitarre), Milena Klien (Bass, Gesang), Adele Ischia (Lead Gitarre) und Hjörtur Hjörleifsson (Keys) enge Freunde – schon bevor sie zusammen Endless Wellness gründeten. Den in Island geborenen Hjörtur könnte man schon von seiner Zeit in der Band Oehl kennen. Er ist ein wenig «Schuld» daran, dass es Endless Wellness gibt. Als Philipp ihm seine auf Deutsch geschriebener Lieder zeigte, nahm alles seinen Anfang. «Endless Wellness ist sehr aus dem Bedürfnis heraus entstanden, diese Lieder, die Philipp mir gezeigt hat, irgendwie einfach in einer Bandform zu sehen», erzählt Hjörtur. «Ich habe ihm gesagt: ‘Geht gar nicht, dass du keine Band für hast. Das muss raus.’» Die Personen, mit denen man die Band gründet, seien dann irgendwie klar gewesen: «Für mich war offenbar, dass Milena und Adele dazu kommen. Sie sind eigentlich unsere closest friends. Und dann hab’ ich ein Schlagzeug gekauft, Adele hat Gitarre gelernt und ab da gab es keine Ausreden mehr.» Tatsächlich konnte Adele zur Zeit der Bandgründung «nur» Geige spielen – und das ziemlich gut. Also fiel es ihr gar nicht so schwer, Gitarre zu lernen, sagt sie.

Wenn man ihre Debütsingle «Hand im Gesicht» zum ersten Mal hört, weiss man, warum Hjörtur unbedingt eine Band zusammenstellen wollte, als er diesen Text las. Es ist eines jener seltenen Lieder, die dich verwirrt und euphorisch zurücklassen. «Hand im Gesicht» schlägt musikalisch etliche Haken und haut einem Zeilen um die Ohren, die man so noch nie gehört hat. «Als wir gspielt haben was für ein Gemüse wir sind / War ich der Lauch», singt Philipp zum Beispiel am Anfang. Und wenig später: «Und meine Mama hat gsagt / Wenn ich nackig durchs Haus glaufen bin / Da kommt ein Wiesel und / Frisst dein Spatzi / Und seitdem bin ich echt nicht so gern / Ein Nackapatzi.» Man ahnt es schon: «Hand im Gesicht» verhandelt Kindheitserinnerungen, körperliche Unsicherheiten, das Nacktsein, das Mannsein. Der Song tut das zugleich witzig und klug – und irgendwie auf krude Weise hochromantisch, wenn Philipp seiner Liebe gesteht: «Ohne dich bin ich echt nicht so gern nackig.» «Hand im Gesicht» ist einer von bisher zwei veröffentlichten Songs der Band, die gerade schon dabei ist, ihr Debütalbum aufzunehmen. Philipp sagt: «Es war schon viel Diskussion um die erste Single und ‘Hand im Gesicht’ ist es geworden, weil sie einfach überraschend ist. Immer wenn wir das Lied spielen, merken wir es wieder, dass die Leute den Kopf schütteln und so.» Milena ergänzt: «Es hat auch in der Bandhistorie Sinn gemacht, weil Philipp den geschrieben hat, bevor es die Band gab.» Und Hjörtur ergänzt: «Bei der gemeinsamen Arbeit im Studio an dem Song haben wir dann zum ersten Mal gemerkt, dass es echt was Besonders ist und urschön, dass wir jetzt unsere Freundschaft neu erleben können in diesem musikalischen Miteinander.»

Die zweite, auch noch recht frische Single «Kinder» zeigt dann eine andere Seite von Endless Wellness. Zwar sitzt der sehr eigene Humor der Band auch hier zwischen den Zeilen, aber im Grunde verhandelt man hochemotionale, dramatische Fragen. «Vielleicht is es ein Haus am Meer / Aber die Sache ist die, der Umstand ist der / Dass ich keine Kinder will mit dir / Und auch sonst mit niemandem / Wo sollen die auch hin wenn die Küste brennt / Und Rauch liegt über jedem Kontinent.» Der Song platzte mitten in den Auftakt der europäischen Waldbrand-Saison. Milena erklärt: «’Kinder’ ist ein Song, den wir dann schon als Band geschrieben haben. Er ist total stark aus einer Diskussion entstanden, die wir geführt haben. Es ging ums Kinderkriegen, um Zukunftsplanung und die Unmöglichkeit, sich dem wirklich aussetzen zu können – in einem Moment der Ungewissheit und gleichzeitig der Gewissheit, dass viele Sachen auf der Welt sehr viel schlimmer werden.»

Ihr Gig am Vorabend als Freitags-Opener der Hauptbühne war ein interessantes Spektakel. Zum einen, weil man sehr schnell merkte, dass Endless Wellness noch viel mehr von diesen sehr guten, sehr lustigen, sehr weisen, sehr weirden Songs auf Tasche haben, zum anderen, weil man bei vielen Menschen im Publikum die gleiche euphorische Verwirrtheit beobachten konnte, die man selbst beim ersten Hören erlebt hatte. Auch die Band war sehr zufrieden mit der Show vom Vortag. Philipp sagt: «Wir haben halt nur diese zwei Lieder draussen und die Streamingzahlen, die man sieht, sind so ein abstraktes Irgendwas. Auf einmal stehen da jetzt Leute und singen mit – das fühlt sich sehr neu an. Wir erleben viele neue Dinge gerade.» Milena meint: «Die Bühne war auch die mit Abstand grösste, auf der wir bisher gespielt haben. Ich muss mich erst dran gewöhnen, dass ich keine Angst haben muss, andere mit meinem Basshals zu erschlagen, sondern dass ich mir den Raum nehmen kann.» Trotzdem sei es ja weiterhin sehr schön, im Rhiz oder im Werk zu spielen, ergänzt Hjörtur, aber eine grosse Bühne hätte halt andere Möglichkeiten. Die haben sie bereits genutzt: Vor allem Milena und Hjörtur lenken das Publikum mit ihren Ansagen und testen das ein oder andere Kennenlern- und Mitsing-Spiel. Hjörtur meint: «Ich spiel dann doch schon ein wenig länger in verschiedenen Bands, zum Beispiel bei Oehl, da haben wir Bühnen in sehr unterschiedlichen Grössen gespielt – und da nimmt man halt ein wenig Wissen mit.» Was aber vor allem von der Bühne strahlte: Die deutlich erkennbare Tatsache, dass dort oben vier Freund:innen stehen, die Spass daran haben, miteinander Musik zu machen – also etwas mehr, als bloss eine Band.

Zugabe: «süss lächelnd» vor der Karlskirche – mit Bipolar Feminin

Leider nicht zum Interview getroffen, aber hier unbedingt noch untergebracht: Die aus Oberösterreich stammenden, in Wien lebenden Bipolar Feminin um Sängerin und Gitarristin Leni Ulrich. Wie subkulturell das Popfest Wien trotz massiver Förderung der Stadt ist, erkennt man auch an der Tatsache, dass eine Band wie Bipolar Feminin am Freitagabend den Headliner Slot bekommt – was man durchaus als Statement verstehen kann. Denn Leni Ulrichs Texte sind auf eine Weise konfrontativ und emotional, wie man sie selten erlebt. Bester Beleg dafür dürfte die Single «süss lächelnd» sein – eine wütende, feministische Gewaltfantasie, die vor allem den Indie-Männers das an den Kopf knallt, was sich Frauen tagtäglich im realen Leben oder auf ihren Social Media-Plattformen anhören müssen.

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