Veröffentlicht am 23. Mai 2022

Neue Recherchen zum Tod von Taylor Hawkins von den Foo Fighters

«I can’t do it like this anymore» – das soll Taylor Hawkins kurz vor seinem Tod einem Freund gesagt haben. Eine Recherche des Rolling Stone Magazins zeigt, dass Taylor Hawkins wohl mit den Verpflichtungen der Foo Fighters haderte. Die Band dementiert das.

Journalist
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Am 25. März 2022 starb Taylor Hawkins, der Drummer der Foo Fighters, in Bogotá, Kolumbien. Details zur Todesursache wurden bis dato nicht offiziell kommuniziert. Der amerikanische Rolling Stone hat nun eine Recherche veröffentlicht, in der 20 Wegbegleiter:innen und Freund:innen von Hawkins zu Wort kommen. Vermutlich eher zum Missfallen der Band und der Familie – beide hatten die Interview-Anfragen des Rolling Stone abgelehnt, wie die Redaktion mitteilte. Ausserdem gibt der Rolling Stone in dem Artikel gleich zu Beginn zu, dass ein Repräsentant der Band den Darstellungen der Interviewten von Hawkins Verfassung widerspricht. Eigentlich wird fast jede Aussage dementiert, die andeutet, dass es Hawkins nicht gut ginge und er unter den körperlichen und psychischen Anforderungen seines Jobs litt. Kein Wunder – denn das Gesagte wirft eindeutig Fragen auf.

Dave Grohl: «Ich weiß nicht, ob Taylor das weiß. Es gibt einen Song auf der Akustik-Platte mit dem Titel ,On the Mend‘, den ich geschrieben habe, als er wegen einer Überdosis im Koma lag, und der von Taylor handelt.»

(K) Ein Vier-Augen-Gespräch mit Dave Grohl

Aber der Reihe nach: Einer der namhaftesten Freunde, die zu Wort kommen, ist Matt Cameron. Er ist nicht nur Drummer der mit den Foo Fighters gut befreundeten Band Pearl Jam, sondern auch ein guter Freund von Taylor Hawkins gewesen, mit dem er in dem Projekt Nighttime Boogie Association spielte. Cameron sagt: «Taylor hatte ein Vier-Augen-Gespräch mit Dave und, yeah, er sagte zu mir, he ‚couldn’t fucking do it anymore‘ – das waren seine Worte.» Und weiter: «Ich schätze, sie haben da eine Vereinbarung getroffen, aber mir kam es so vor, als wäre der Tourplan danach nur noch verrückter geworden.» Der Sprecher der Foo Fighters sagt dazu hingegen: «Nein, es gab kein Vier-Augen-Gespräch oder irgendein ähnliches Meeting zu diesem Thema – weder mit Dave Grohl noch mit dem Management.»

Der Rolling Stone sprach zuletzt im Juni 2021 mit Taylor Hawkins. Dort sagte dieser in einem Interview vor der ersten Show der Foo Fighters nach längerer Pause: «Ich bin wirklich nervös wegen heute Abend. Ich habe schlimme Bühnenangst. Wirklich, wirklich, wirklich schlimme. Heute ist es die Hölle für mich.» Ausserdem sagte er: «Ich versuche gerade rauszufinden, wie man die Intensität eines jungen Mannes im Körper eines 50jährigen halten kann – was gar nicht so leicht ist.»

Taylor Hawkins galt als einer der besten Drummer der Rockwelt

«I can’t do it like this anymore.»

Im Dezember letzten Jahres kam es dann zu einem Vorfall, der – sollte er so stattgefunden haben – wirklich kein gutes Bild auf die Foo Fighters wirft. Hawkins soll während eines Fluges der Band nach Chicago kollabiert sein. Diverse Medienportale berichteten darüber, schrieben aber nur von «einem Mitglied der Foo Fighters» Chad Smith, Drummer der Red Hot Chili Peppers und Freund von Hawkins, erzählte dem Stone daraufhin: «Er [Taylor] hat mir erzählt, er sei einfach erschöpft gewesen und zusammengebrochen. Und man hätte ihn mit Infusionen und so wieder fitspritzen müssen. Er war dehydriert und so.» Auch dazu heisst es von Seiten der Band: «Das stimmt nicht.» Chad Smith sagt ausserdem, Hawkins habe ihm danach gesagt: «I can’t do it like this anymore.»

Auch ein Vertrauter, der noch am Tag des Todes von Taylor Hawkins mit ihm kommunizierte kommt in dem Artikel zu Wort. Der Produzent Andrew Watt, der gerade mit Hawkins für die Aufnahmen des neuen Albums von Ozzy Osbourne arbeitete, schrieb am 25. März mehrfach mit ihm. Die Foo Fighters waren die Headliner des Estéreo Picnic Festivals und deshalb in Bogotá. Watt sagte dem Rolling Stone, Hawkins habe tagsüber gut gelaunt gewirkt. «Ich bekam einen Haufen Anrufe von ihm, aber ich war im Studio am Arbeiten und konnte nicht rangehen. Wir haben hin und her getextet und das war ganz normaler Scheiss. Er schrieb Sachen wie: ‚You’re a fucking dickwad. You just pressed the fuck-you button. You didn’t even let it ring.‘ Und dann schickte er mir Zeugs. Er schickt mir immer Musik, an der er gerade arbeitet. Die letzte Message kam mit einem Drum-Part von ihm. Er schickte mir einfach diesen unglaublichen Drum-Beat und schrieb dazu: ‘Make something out of this with one of your artists. This would be awesome. It’s funky and groovy and, like, check this out.'»

«Long Road To Ruin», live gespielt von den Foo Fighters im Wembley Stadium im Jahr 2008.

Aussage gegen Aussage

Taylor Hawkins verstarb am Abend im Hotel «Four Seasons» in Bogotá. Um zwanzig vor acht am Abend erreichte ein Krankenwagen das Hotel, der gerufen wurde, weil ein Gast über «Brustschmerzen» klagte. Zu dem Zeitpunkt war Hawkins schon nicht mehr bei Bewusstsein. Versuche, ihn wiederzubeleben scheiterten. Er wurde noch im Hotel für tot erklärt. Die offizielle Autopsie ist bis heute noch nicht publik gemacht geworden.

Es bleibt nach dem Lesen des Artikels beim Rolling Stone natürlich eine Patt-Situation: Hier steht Aussage gegen Aussage. Allerdings stehen die teils sehr namhaften Musiker, die hier zu Wort kommen, zu ihren Darstellungen – sonst hätten sie diese ja nicht freigegeben. Und dass der Sprecher der Foo Fighters diese dementiert, ist allein aus wirtschaftlicher Sicht mehr als verständlich. Andererseits hatten Dave Grohl und Taylor Hawkins eine langjährige, enge, freundschaftliche Verbindung zueinander – man kann sich also auch schwer vorstellen, dass er seinen Freund dermassen an die Grenzen bringt oder ihn nicht anhören würde, wenn er das Tourpensum nicht mehr schafft.

Wie auch immer diese Geschichte weitergeht: Sie wirft wieder einmal ein Licht auf das zehrende Leben tourender Musiker:innen, das lange Jahre ohne Blick auf die mentale und körperliche Gesundheit durchgezogen wurde. Erst in jüngster Vergangenheit erkennt man, dass das hochtourige Leben in der Musikbranche Spuren hinterlässt. Deshalb ist es umso wichtiger, über das Thema Mental Health zu schreiben und zu sprechen – was wir auf dieser Website regelmässig tun werden.

Nachtrag: Chad Smith und Matt Cameron distanzieren sich später von ihren Aussagen

Kurz nach Veröffentlichung dieser News posteten Chad Smith und Matt Cameron Statements zur Story vom Rolling Stone. Matt Cameron erklärte via Instagram, dass er bei dem Interview zugesagt hatte, weil er dachte, der Artikel sei eine Verneigung vor seinem Freund Taylor. Seine Zitate seinen dabei aus dem Kontext gerissen und in ein Narrativ gepresst worden, dass er nie beabsichtigt hatte. „Ich verspüre nichts als tiefe Liebe und Respekt für Taylor, Dave und die Foo-Fighters-Familie“, schrieb er weiter. „Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass meine Interview-Antworten möglicherweise anderen Menschen, die ich respektiere und verehre, Schaden zugefügt haben.“

Matt Cameron reagiert auf die Story des Rolling Stone

Chad Smith tat es Cameron gleich: Auch er hatte gedacht, es ginge in dem Artikel um eine Ehrung seines verstorbenen Freundes. «Ich wurde vom Rolling Stone gebeten, einige gemeinsame Erinnerungen zu teilen – für einen liebevollen Tribut, wie er ihn verdient hätte. Stattdessen schrieben sie eine Story, die sensatsionsgeil und irreführend ist. Hätte ich gewusst, was sie vorhaben, hätte ich mich nie darauf eingelassen, dort mitzuwirken.» Was allerdings beide Statements gemein haben: Keiner der beiden distanziert sich von dem Gesagten – und selbst, wenn diese O-Töne herausgepickt wurden, um in ein Narrativ zu passen, bleiben die Fragen, in welcher Verfassung Taylor Hawkins war.

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