Veröffentlicht am 28. April 2022

IKAN HYU, ist es eigentlich geil für die Schweiz auf einem Branchenfestival zu spielen?

Das Zürcher Duo Ikan Hyu spielte zuletzt oft auf internationalen Showcase Festivals, unterstützt vom Swiss Music Export. Wir haben Anisa und Hannah gefragt, wie es ist, auf Branchen-Events zu spielen und dabei ja irgendwie die Schweiz zu representen.

Journalist
901

Ein paar Worte zur Erklärung: Über das Jahr verteilt finden in diversen Ländern sogenannte Showcase Festivals statt. Das Eurosonic in den Niederlanden, das South By Southwest in den USA sowie das Reeperbahn Festival in Hamburg und das c/o Pop Festival in Köln sind einige bekannte Beispiele. Dort treten dann vor allem Bands auf, denen im Ausland ein gewisses Potential zugetraut wird. Ausgewählt werden diese Bands in Musikexportbüros wie dem Swiss Music Export in Zürich. Im Publikum stehen bei diesen Festivals zwar auch ganz normal Musikinteressierte, aber vor allem Journalist:innen und Booker:innen – also das, was man in der Musikbranche wohl Tastemaker nennt.

Die Zürcherinnen Anisa und Hannah, die gemeinsam das sehr gute « Elastic Plastic Space Power Gangster Future Pop » -Duo IKAN HYU bilden, waren in den Jahren vor der Pandemie schon auf zwei der genannten Festivals und traten vor einigen Tagen auch beim c/o pop Festival in Köln auf. Genau dort trafen wir sie beim Empfang des Swiss Music Export, um mal zu fragen, wie sich dieses internationale Schaulaufen für sie eigentlich anfühlt.

Der Bandname stammt übrigens aus dem Indonesischen und heißt übersetzt "Haifisch". Der ist auch in diesem Song ein Thema.

Ich falle mal gleich mit der Tür ins Haus: Ist es eigentlich geil oder weird auf diesen Branchenfestivals zu spielen?
Anisa: Wir haben bisher ehrlich gesagt immer gute Erfahrungen gemacht. Die Leute tanzten am Ende immer. Hannah: Für uns ist der Rahmen ja letztlich egal. Wir wollen das Publikum einfach begeistern und wer da nicht mitmacht, ist schliesslich selbst schuld. Wir sehen selten gelangweilte Booker:innne oder Schreiber:innen ... oder wenn, blenden wir sie aus. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass wir heute auf der c/o pop spielen können. Wir waren schon vor zwei Jahren gebucht, aber dann kam ja die Pandemie dazwischen.

Das ist ein gutes Stichwort: Wie habt ihr das als junge Schweizer Band überstanden? Gab’s Hilfe?
Anisa: Wir hatten das Glück, dass wir, immer wenn was geöffnet hatte, sehr viele Shows spielen konnten. Und wir sind auf verschiedene Weisen aufgefangen worden. Einerseits gab es die SVA, die für selbstständige Künstler:innen Ersatzentschädigungen gezahlt haben, dann gab es vom Kanton Zürich für Kunstschaffende für drei Monate ein Grundeinkommen und wir haben für unsere EP, die wir bald veröffentlichen, Gelder von der Stadt Zürich bekommen. Hannah: Ich glaube, es hätte auch noch eine Art Stipendium für Künstler:innen von der Stadt gegeben. Anisa: Man muss schon sagen, dass wir in der Schweiz da sehr privilegiert waren. Man musste einfach dranbleiben, Anträge ausfüllen, Deadlines einhalten – und dann ging es ganz gut.
Ikan Hyu live am «8x15» im Salzhaus Brugg.

Du sagtest gerade, es kommt bald eine EP – auf der Website eurer Agentur steht glaube ich noch was von einem Debütalbum Anfang 2021 ...
Anisa: Ha ha, äh, ja wir haben ein bisschen verschoben. Hannah: Jetzt kommt erst mal eine EP im Juli, Album dann nächstes Jahr.
IKAN HYU live auf dem c/o pop Festival in Köln  - Monique Kuesel
IKAN HYU live auf dem c/o pop Festival in Köln - Monique Kuesel

Wir sitzen hier ja gerade auch beim Empfang des Swiss Music Export. Diese Festivals wie c/o pop oder Eurosonic funktionieren ja generell viel über das Engagement der Länderexportbüros. Ich lebe und arbeite in Deutschland und stelle bei den deutschen Bands immer wieder fest, dass sie ein ambivalentes Gefühl dabei haben: Man arbeitet da mit guten Leuten und guten Bands zusammen, aber steht dann ja doch irgendwie unter einer Landesfahne. Gerade die Bands, die aus linken Subkulturen kommen, sind bei dem Thema dann immer ein wenig verhuscht, weil es ja eigentlich eine sehr gute Chance für ihre Karriere ist. Wie ist das bei euch mit der Schweiz?
Anisa: So wie du es beschreibst, habe ich es bei uns nie empfunden. Hannah: Ich auch nicht. Wir Schweizer:innen sind ja nicht wirklich stolz auf uns. Dieses «Ich komme aus der Schweiz und mache gute Mucke» – das gibt es bei uns irgendwie nicht. Deshalb finde ich es eigentlich ganz cool hier in diesem Rahmen. Ich repräsentiere das Land, in dem ich lebe, in dem ich meine Musik mache – und dieses Land scheint meine Musik ja irgendwie zu mögen, sonst wäre ich ja nicht hier. Ich finde es cool, dass es so was wie Swiss Music Export gibt. Ich fände es aber schön, wenn das auch mal in der Schweiz selbst gesehen wird, dass wir eine spannende Szene haben, die sich international vorstellt. Es gab da über das letzte Eurosonic Festival, auf dem wir waren, so einen Zeitungsartikel, der sehr bezeichnend war. Da schrieb ein Schweizer Journalist im Grunde: «Na, die meisten von denen, die da spielen, werden eh nie grösser.» Nur Black Sea Dahu, die schon ein wenig erfolgreicher sind, wurden gelobt, alle anderen Schweizer Acts runtergemacht. Anisa: Das repräsentiert so ein bisschen den Spirit bei vielen Medien in der Schweiz: Wenn man es geschafft hat im Ausland, dann ist man gut – wer noch auf dem Weg dahin ist, eben nicht. Diese Mentalität regt mich ein bisschen auf. Von dem her finde ich es auch gut, hier mal zu beweisen, dass spannende Musik aus unserem Land kommt. Wobei ich nie so richtig über das Nationending nachdenke. «So klingt die Schweiz» – das könnte ich nie sagen. Nationen sind eh ein Konstrukt, ich bin nur ein Mensch, der eben in der Schweiz lebt. Hannah: Den Support innerhalb eines Landes finde ich aber eigentlich ganz schön. Wobei es mir egal ist, ob das jetzt vom Land oder der Stadt kommt: Aber wenn es an dem Ort, an dem ich lebe, Leute gibt, die unsere Musik gut finden und unterstützen wollen, dann ist das doch schön. Wir stellen uns jetzt aber auch nicht hin als DIE Botschafter:innen der geilen Schweizer Musikszene. Damit macht ja auch nur wieder eine Schublade auf ... Anisa: ... und die mögen wir ja nicht so. Das merkt jeder, der unsere Musik hört.
Das bisherige Gesamtwerk von IKAN HYU.

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