Veröffentlicht am 25. Juni 2022

«Ich habe so keinen Bock mehr auf diese Realität»

So. Jetzt ist mal genug. Dabu geht hart ins Gericht mit der Musik- und Entertainment-Landschaft. Hier ein Plädoyer für ein Bisschen weniger Männer- dafür mehr Frauenquote.

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by Dabu

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Dabu ist der Leadsänger der Band Dabu Fantastic und Artist von starzone studio.
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About

Dabu ist der erste Artist, der für starzone studio in die Tasten haut. Er schreibt ganz persönlich, teilt seine Gedanken, gibt Einblicke in sein musikalisches Universum. Erst kürzlich liess er uns wissen, warum er eine Hassliebe mit der digitalen Welt pflegt. Nun erklärt er uns, wieso es deutlich mehr Frauen in der Musikindustrie braucht.

Ich habe die Diskussion nicht einmal mitgeschnitten. Ich war in den Ferien und da komplett offline. Zurück im Schweizer Netz: Markierungen über Markierungen betreffend des Festivals Moon&Stars, wo wir auftreten im Juli. Und wo heuer nur Männerbands spielen. Scheisse, du. In einer ersten Reaktion habe ich überprüft, ob das so überhaupt stimmt. Was natürlich kompletter Schwachsinn ist, weil alle anderen das Line-up auch richtig lesen können. Was aber zeigt, wie unglaublich das ist: Ein reines Männer-Line-up. Und was beschämenderweise auch zeigt, wie wenig wir uns im Alltag darauf achten. Krass, dass mir das nicht aufgefallen ist. Exgüsé.

Bei allen anderen Festivals, die wir 2022 spielen, ist der Artist-Mix deutlich diverser. Wenn auch mit viel zu kleinem Frauenanteil. Ihr kennt es. 

Ich möchte nicht vorschnell reagieren auf die Kritik am Moon&Stars, mir ist es aber natürlich wichtig, etwas zu sagen:

  • Ein reines Männer-Line-up darf es beim einem Festival im 2022 einfach nicht mehr geben. Ausser es ist ein Konzept. 
  • Es ist gut, wenn kritische Augen das bemerken und uns Lölis , die das grad nicht sehen, darauf aufmerksam machen. Merci, gäll.
  • Veranstalter:innen sollten in so einem Fall zum Fehler stehen. Und es beim nächsten Mal besser machen. 
  • Es reicht nicht, bei diesem Thema nur Veranstalter:innen und Musiker:innen in die Verantwortung zu ziehen. Die können das Problem nicht alleine lösen. Was wir alle machen müssen, steht weiter unten.

Wird in der Dabu-Fantastic-Crew eine Stelle frei, schaut man zuerst für eine Frau. (Credits: Steve Wenger)  - Steve Wenger
Wird in der Dabu-Fantastic-Crew eine Stelle frei, schaut man zuerst für eine Frau. (Credits: Steve Wenger) - Steve Wenger

Kleine Vorstellung zu unserer Band: Dabu Fantastic ist eine gewachsene Familienband. Wer in der Band ist, bleibt eigentlich auch. Sprich: Auf der Bühne stehen seit Jahren immer fast dieselben Menschen. In unserem Fall eine Männerband. 

Seit einigen Jahren spüre ich aber, dass wir unseren Teil beitragen sollten zur Förderung von Frauen in der Szene. Seit unserem Beschluss gibt es eine fix formulierte Regel: Für jeden Job, der bei uns in der Band oder der Crew frei wird, suchen wir zuerst eine Frau. Und ich schäme mich, das zu schreiben, aber: Wir haben bis jetzt sehr wenige Frauen gefunden, die den jeweiligen Job können und es sich auch zutrauen. Das ist bei uns leider Realität. Und ich habe so keinen Bock mehr auf diese Realität, gopf. 

Scheisse, ich würde mir wünschen, es gäbe genau die gleiche Auswahl an Backlinerinnen, Keyboarderinnen, Fotografinnen, Tourmanagerinnen und Drummerinnen, wie es sie bei den männlichen Kollegen gibt. Aber weil es sie nicht gibt, gibts bei uns immer noch Tour-Tage, an denen wir als reiner Männerhaufen unterwegs sind. Was im Fall auch nicht so geil ist. Auf unserer Frühlingstour war das anders, da waren dank Support von «To Athena» und Frauen in unserer Crew, die Verhältnisse ausgeglichner. Und der Vibe im Backstage wirklich anders. 

«Wir brauchen staatlich finanzierte Krippenplätze.»

Dabu

Darum frustriert es mich auch, wenn wir es nicht schaffen, Frauen zu finden für diese Jobs. Das zeigt mir aber auch, dass wir als männliche Musiker das Problem nicht alleine lösen können. Wir müssen alle mitarbeiten, damit in der Musikszene Frauen sichtbarer, zahlreicher und mutiger werden. Folgendes könnte man tun:

1 // Es braucht eine schweizweite Elternzeit, die beide Eltern aufgeteilt beziehen müssen. Wir brauchen staatlich finanzierte Krippenplätze.

Das brauchen wir für alle Branchen. Und auch für unsere. Damit es keinen Nachteil mehr ist, junge Frauen anzustellen. Und damit Musiker:innen schnell weiterarbeiten können, wenn sie Kinder haben. 

2 // Sponsoren und Geldgeber (auch öffentliche) sollten ihren Hebel nutzen, um Festivals dazu zu bringen, den Frauenenateil zu erhöhen. Mehr Geld für mehr weibliche Personen auf der Bühne. Instrumentalistinnen, Mischerinnen und Backlinerninnen zählen auch. 

3 // Frauen müssen in der musikalischen Ausbildung gezielt gefödert werden. Wie wärs mit Quoten in Jazz- und Popakademien? Wie wärs mit Blind-Auditions beim Bewerbungsvefahren? Und auch noch: Wie wärs mit Schüler:innenbands in der Volksschule, bei denen das Verhältnis ausgeglichen sein muss? 

4 // Auf der Sekundarschule könnten Workshops durchgeführt werden, wie es zum Beispiel «Helvetia Rockt» macht. Gerne mit durchgeschüttelten Geschlechterrollen. Frauen besuchen den Producing-Workshop, Männer den Gesangsworkshop. Das dürfte staatlich mitfinanziert sein. Ich finde übrigens Producing-Workshops besonders zielführend, weil da zuhause mit einfachen Mitteln weitergearbeitet werden kann.

Spielten als Support von Dabu Fantastic: To Athena. (Credits: Steve Wenger)  - Steve Wenger
Spielten als Support von Dabu Fantastic: To Athena. (Credits: Steve Wenger) - Steve Wenger

5 // Die Schweizer Künstler und Musiker sollen ihre Reichweite nutzen, um ihre Kolleginnen zu pushen. Sie können weibliche Musik in öffentlichen Playlists packen, junge Künstler:innen als Support auf Tour nehmen und Musik von Frauen auf den Socials teilen. Das bringt viel. Wirklich.

6 // Die gesamte Musikszene der Schweiz braucht mehr Support. Es muss mehr Schweizer Musik gehört, gekauft und unterstützt werden. Schweizer Musik braucht Radio-Quoten, mehr mediale Aufmerksamkeit, viel mehr und besser kuratierte Schweizer Playlisten bei Spotify und breitere Unterstützung der öffentlichen Hand. Das würde sich auch wirtschaftlich lohnen und den ganzen Kuchen vergrössern. Für Frauen und Männer.

«Die Musikszene hier ist finanziell so hart am Limit.»

Dabu

Wir arbeiten bei all diesen Punkten mit. Wir sind privat und auch als Band politisch aktiv und setzen uns immer für Gleichheit ein. Darauf dürft ihr mich auch behaften.

Ich glaube allerdings, dass ein Rückzug von uns beim Festival in Locarno der Sache nicht dienen würde. Die Musikszene hier ist finanziell so hart am Limit, dass z.B. wir diese Gage brauchen, um damit kleine Shows quer zu finanzieren. Wir haben so einen kleinen Markt hier in der Schweiz, dass Missgunst immer kontraproduktiv ist für die ganze Szene. So auch hier. 

Um wirklich etwas zu ändern, müssen wir alle gemeinsam an den oben erwähnten Punkten arbeiten. All jene, die sich empört zeigen und auch diejenigen, denen die Polemik egal ist. Denn die Empörung wird erst verebben, wenn sich etwas ändert. Zurecht.

Nachtrag: Auf den Nachwuchsbühnen der Festivals in diesem Land wird vielerorts schon jetzt auf Ausgeglichenheit geschaut. Das macht Mut für die Zukunft.

Ich freue mich auf eure Reaktionen. Gerne persönlich oder auch wissenschaftlich. Reaktionen an info@starzone.ch.

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