Veröffentlicht am 27. Dezember 2022

«Hey Panda Lux, wie war euer 2022?»

Für Indiebands aus der Schweiz und anderswo war es ein Jahr voller Herausforderungen – aber auch ein Jahr voller Euphorie, Festivals und Konzerte. Wir haben bei den von uns sehr geschätzten Panda Lux nachgefragt, wie sie 2022 erlebt haben.

Journalist
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Panda Lux sind Silvan Kuntz, Samuel Kuntz, Moritz Widrig und Janos Mijnssen und weit mehr als «just another indie band», obwohl sie mit «Bar Franca» einen veritablen Hit haben, der in vielen Indie-Playlists zu finden ist. Panda Lux verbindet zum Beispiel eine langjährige Freundschaft seit Teenagertagen – und im Falle der Kuntz-Brüder ein erhöhter Verwandtschaftsgrad. Auch ihre musikalische Ausbildung und Erfahrung sind besonders: Janos hat Filmkomposition studiert, Moritz einen Master in Komposition und Theorie, Samuel studierte Jazz-Gitarre und Silvan klassische Gitarre am Konservatorium. 2020 erschien inmitten des Pandemie-Wahnsinns ihr zweites Studioalbum «Fun Fun Fun» – satte 15 Songs zwischen instrumentaler Verneigung vor dem japanischen Komponisten Ryūichi Sakamoto, poetischen Balladen mit einzigartigen Sprachbildern («Bar Franca»), nach Phoenix klingenden Pop-Perlen über das Saufen mit Freunden auf «Malle», bis hin zu lyrischen Einfühlungen in das Leben als Staubsauger («Beuteltier»). Nach dieser Auflistung, wundert es nicht, dass auch ihr neues Album «Blumen» sehr eigene Wege geht – und diesen Song gleichen Namens in neun verschiedenen Versionen überreicht. Ein bunter Strauss, mit spannenden Gastmusiker:innen. Aber genug der Vorrede: Wir wollten von Panda Lux wissen, wie sie dieses besondere Jahr erlebt haben.

Ich hatte das Glück vor einigen Tagen bei eurem letzten Konzert des Jahres mit befreundeten Bands im Dynamo in Zürich gewesen zu sein: Wie war der Abend für euch?

Es war aus verschiedenen Gründen speziell. Für uns war es das letzte Konzert vor einer längeren Live-Pause und der Abschluss dieses wunderschönen, turbulenten Jahres. Und es war ein Zusammenkommen von ganz vielen Freund:innen, die komplett auf Eigeninitiative einen so schönen Konzertabend auf die Beine gestellt haben. Das hat sehr gut getan. Und das Konzert war eines der besten in diesem Jahr, wir waren komplett eine Einheit auf der Bühne.

Ihr beendet das Jahr mit einem sehr spannenden Release: «Blumen». Mögt ihr mal das Konzept dahinter erklären?

Wir haben ein Album mit nur einem Song geschrieben – in neun verschiedenen Versionen. Und zwar komplett unterschiedliche Versionen. Zustande kam die Idee aus mehreren Gründen: Zum Corona-Stillstand, in dem die Idee entstand, hat es einfach gepasst, ein Album mit nur einem Song zu schreiben. Ein zweiter Grund ist der musikalische Background von Panda Lux: Alle vier bringen sehr viele spannende, andere musikalische Einflüsse mit, bei denen es teilweise schwierig wird, sie kohärent in einem Album unterzubringen. Diese Vorgabe mit den verschiedenen Versionen des gleichen Songs hat uns sozusagen erlaubt, musikalisch ganz viele Türen zu komplett unterschiedlichen Räumen zu öffnen und trotzdem im gleichen Gebäude zu bleiben.

Ich kam nicht über den Moment hinweg, vor einer Bühne zu stehen, auf der gesungen wird: „Und mein Glaube an Unendlichkeit ist so klein wie meine Männlichkeit“. Lieb ich auf so vielen Ebenen diese Zeile und finde das auf moderne Art sehr männlich: Gab es Reaktionen auf diese Zeile in der Band oder von Fans oder von Musiker:innen?

Die Zeile polarisiert schon. Wir haben vor allem positive, aber auch ein paar negative Reaktionen darauf gekriegt. Die Zeile stand tatsächlich auch lange auf der Kippe, und wir waren kurz davor, «Männlichkeit» mit «Menschlichkeit» zu ersetzen. Ich glaube, es war Mines Reaktion auf die Zeile, die am Ende ausschlaggebend war, dass sie drinblieb. Wir waren unsicher, da die Zeile nochmal ein neues Thema öffnet, worum es im Rest des Textes eigentlich nicht geht. Aber am Ende hängt das Thema Geschlechterrollen eben an jedem Thema dran, und darum gehört es auch in den Song.

Ich bin ebenfalls grosser Mine-Fan – die ja auch auf «Blumen» dabei ist. Wie habt ihr die Gast-Musiker:innen der Platte gewählt?

Bei allen Kollabs gab es zwei Faktoren: einerseits die musikalische Vision und andererseits ein persönlicher Bezug. Oft stand zu Beginn eine musikalische Idee, wie z.B.: «Wir wollen eine Chor-Version!» Dafür haben wir in unserem Umfeld nach passenden Menschen gesucht, die Lust drauf haben. Bei Mine und z.B. Aktomis war es aber eher umgekehrt: Wir wussten, dass wir gerne mit ihnen zusammenarbeiten wollen, und liessen uns musikalisch vom Prozess treiben und überraschen, was am Ende herauskommt.

Es war ein seltsames Jahr – mal wieder. Grosse Konzerte brummten und viele dachten: «Pandemie vorbei – läuft wieder!» Was ja allerdings für jüngere Bands nicht wirklich aufging. Wie bewertet ihr dieses Jahr?

Für uns gabs zwei Seiten: einerseits war es, vielleicht auch wegen niedrigen Erwartungen aus den letzten zwei Jahren, immer wieder positiv überraschend. Wir konnten endlich unsere Deutschlandtour spielen und waren extrem happy, dass überhaupt Leute an die Konzerte gekommen sind. Auch wenn jetzt nichts ausverkauft war, und auch die eine oder andere Show abgesagt wurde wegen zu wenig Vorverkauf – an den wichtigen Shows waren Leute da, sie haben die Texte mitgesungen und waren voll dabei. Das hat uns sehr glücklich gemacht. Andererseits war es für viele Musiker:innen eine Überforderung, da alles auf einen Schlag wieder zurückkam und man zwei Jahre aufholen musste. Das war in der Summe für uns alle vier auch teilweise zu viel und hat zu einer grundsätzlichen Erschöpfung geführt.

Ich habe kürzlich Steiner & Madlaina interviewt, die mir sagten, dass man trotz aller Herausforderungen als Band in der Schweiz auch die ein oder andere gute, staatliche Hilfsmöglichkeit hatte. Ikan Hyu sagten mir das auch so ähnlich, als ich sie im Frühjahr für starzone.ch traf. Wie bewertet ihr das?

Also wenn du finanzielle Hilfsmöglichkeiten meinst: Die Förderstrukturen in der Schweiz sind in der Tat ziemlich gut. Gleichzeitig ist es gefühlt auch oft Zufall bzw. Glückssache, ob man dann Geld bekommt oder nicht. Und wenn man Pech hat, gibts halt nix. Wir haben fürs «Blumen»-Album eher wenig Fördergelder beantragt und dafür drauf geguckt, dass wir weniger Geld ausgeben und viel mehr selber machen. Das hat erstaunlich gut funktioniert!

Ich weiss aus früheren Gesprächen mit euch, dass Mental Health immer wieder mal ein intensives Thema bei euch ist. Ich fand dieses Jahr und auch die davor extrem herausfordernd. Ihr als Musiker müsst auf einmal wieder smalltalken, rumreisen, auf Bühne stehen, Selbstbewusstsein ausstrahlen, gesellig sein. Mir fiel das in meinen Job als Musikjournalist schon schwer und ich musste nur vor Bühnen stehen und nicht auf: Wie waren eure Erfahrungen in dieser Hinsicht?

Klar, es war schon ein seltsames Gefühl, als Konzerte wieder losgingen und man vielen Leuten begegnet ist, und man sich im Publikum etwas verloren gefühlt hat und small-talk-Fähigkeiten wieder aufgetaut werden mussten. Aber das Zurückkommen auf die Bühne war ultraschön. Es hat gut getan, gemeinsam mit den Fans die Musik und das Leben zu feiern. Die Zeit ohne die Konzerte davor war schwerer und hat beim einen oder anderen von uns schon eine Leere ausgelöst. Wichtig ist es aber auch zu akzeptieren, dass man sich Zeit nehmen und professionelle Hilfe holen muss, wenn man in einer depressiven Phase ist, und lernen muss, damit umzugehen.

Ein Thema, das natürlich auch massiv kickte – oder vielmehr zwei – sind der Ukraine-Krieg und die Situation im Iran. Ich hatte das Gefühl, viele Leute kippen jetzt noch mehr in apokalyptische Stimmungen als vorher. Wie habt ihr das in eurem Umfeld wahrgenommen?

Es war besonders bei mir (Janos) ein sehr präsentes Thema, da wir gerade kurz vor dem Ausbruch des Kriegs die ersten Konzerte mit meiner anderen Band Lev Tigrovich gespielt hatten, ein Duo mit der Sängerin Xenia Wiener, die auf russisch, ihrer zweiten Muttersprache, singt. Das hat uns natürlich mitten in dieses Thema katapultiert. Für uns war es wichtig, uns immer auf die Dinge zu fokussieren, die in all den schlimmen Dingen trotzdem Grund zur Hoffnung geben. Die überwältigende Solidarität mit der Ukraine weltweit, der innerrussische Widerstand gegen den Krieg, oder bezogen auf den Iran: den Fakt, dass es überhaupt so grosse Demonstrationen gibt, dass sich die Leute wehren. Aber ich stimme zu, es ist auf jeden Fall eine Zeit, in der man sich aktiv darum bemühen muss, nicht zu resignieren.

On a lighter note: Was war euer Highlight als Band in diesem Jahr?

Auf jeden Fall die Konzerte in Deutschland, spezifisch vielleicht die in Leipzig und Berlin, die beide richtig gut besucht waren. In Berlin kam jemand nach dem Konzert zu uns, die hatte eine Songzeile von uns tätowiert. Das war schon ein krasses Erlebnis im Sinne von: «OK, es gibt tatsächlich Leute, die sich dafür interessieren, was wir machen.» Natürlich wussten wir das zuvor bereits irgendwie, aber die beiden Jahre ohne Live-Austausch haben schon dazu geführt, dass wir manchmal daran zweifeln, warum wir das alles überhaupt machen.

Was habt ihr für das kommende Jahr im Köcher?

Im ersten halben Jahr werden wir uns auf unsere verschiedenen Seiten-Projekte konzentrieren: es wird eine Solo-EP von Silvan geben, Janos und Moritz sind mit Lev Tigrovich (Janos' anderes Bandprojekt) und Aktomungg (Moritz' anderes Bandprojekt), sowie Film- und Theaterproduktionen beschäftigt und Samuel baut gerade ein eigenes Studio auf in Luzern und produziert und mischt für andere Projekte, u.a. für Hoehn, das instrumentale Gitarrenduo von Silvan und Samuel. Im zweiten halben Jahr wollen wir dann ein neues Panda Lux-Album zu schreiben beginnen, aber ohne Stress und ohne Druck. Das heisst, einen neuen Panda Lux-Release gibts frühestens im Jahr 2024. Live werden wir auch eher selten zu sehen sein - 2023 ist quasi unser Sabbatical.

Und welche Schweizer Kolleg:innen sollten wir hier unbedingt auch noch mal featuren?
Ich danke euch! Dann wünsche ich euch einen guten Rutsch und ein Jahr, das noch spannender werden möge als dieses!

Wir haben zu danken.

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