Veröffentlicht am 09. November 2023

Diese 8 Acts der Neuen Neuen Deutschen Welle sollte man kennen

Sie heissen Edwin Rosen, MODULAR (Foto), Absteige, Tränen oder Fiese Luise – und sie klingen, als wären sie im West-Berlin der späten 70er in einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum gefallen, um 2023 die Indie-Szene aufzumischen. Ein Blick auf die Protagonist:innen der sogenannten Neuen Neuen Deutschen Welle (NNDW) – und den Ursprung dieser Bezeichnung.

Journalist
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1. Edwin Rosen

Dem Berliner DIFFUS-Magazin hat der aus Stuttgart stammende Musiker kürzlich eines seiner sehr seltenen Interviews gegeben. Darin erklärt er, warum viele meinen, dass der Begriff Neue Neue Deutsche Welle – kurz NNDW – auf ihn zurückgeht: «Ich glaube der Begriff wird ernster genommen, als ich ursprünglich gedacht hatte. Ich habe das in einem YouTube-Kommentar unter einem meiner Songs gelesen und den Begriff in meine Spotify-Bio gepackt. Die Band Lyschko hat ihn, soweit ich weiss, vorher auch schon mal benutzt, aber fairerweise wusste ich das damals noch nicht. Ich habe das als lustige Referenz empfunden, weil ich dachte, das trifft meine Einflüsse irgendwie.» Nun ist der Begriff jedenfalls in der Welt, und auch wenn NNDW diesen zugleich retro und modern klingenden Post-Punk-Minimal-Wave-NDW-Pop-Sound-Bastard gut trifft, gibt’s schon die ersten Acts, die ihn gar nicht mehr so gerne hören. Dass Edwin Rosen irgendwie als NNDW-Pate gilt, liegt auch daran, dass er der erfolgreichste Künstler unter diesem Label ist. Und daran, dass er immer wieder befreundete Bands aus einem ähnliche Klangspektrum highlightet und mit auf Tour nimmt. Vergangenes Wochenende spielte Edwin eine kurze, sehr schnell ausverkaufte Deutschlandtournee – und wer gesehen hat, wie dort ein sehr junges Publikum selig zu 80s-Synth auf Drum-Computern mitsingt, merkte schon: Da geht noch einiges!

2. Lyschko

Machen wir doch gleich weiter mit Lyschko, wo Edwin sie schon erwähnt hat. Ihr Name ist eine Referenz an eine Figur aus dem Jugendbuch «Krabat» von Otfried Preussler und das Trio selbst hat mal den schönen Satz gesagt, man mache «Musik, die aus der eigenen Verunsicherung grosse Träume schöpft.» Der Sound von Lyschko ist ein wenig rockiger, und vor allem Stimme und Präsenz von Sängerin und Gitarristin Lina Holzrichter wird man nicht so schnell vergessen, wenn man Lyschko einmal gesehen hat.

3. Temmis

Die junge Band Temmis wird bald mit dem Steintor Herrenchor eine Co-Headliner-Tour spielen. Letztgenannte müssten eigentlich auch in diese Liste, da sie dem Autor dieser Zeilen aber kürzlich sagten, sie sähen sich so gar nicht bei der NNDW, lassen wir sie mal raus. Temmis hatten schon mit ihren ersten Songs wie «Sommer Vorbei» und «Andere Stadt» kleine Szene-Hits, was ihnen einen Deal beim Major-Label Warner einbrachte. Das Charisma von Sänger Roman war vielleicht auch nicht unschuldig daran. Bei Temmis kann man gerade ablesen, wo der Sound der NNDW noch so hingehen könnte: Die neueste Single «Alles Brennt» mischt noch ein paar Shoegaze- und Dreampop-Elemente hinzu und setzt auf eine recht fette Produktion. Steht ihnen ganz gut.

4. MODULAR

Auch wenn man es dieser Liste nicht so ganz anmerkt: In den NNDW-Playlisten gibt es noch einen ziemlich eklatanten Traurige-Männer-Überschuss. Dank Acts wie MODULAR könnte sich das bald ändern: Zum einen weil Selena Hamers, so ihr bürgerlicher Name, mit Songs wie «Betrüger» oder ihrem sehr eigenen «Goldener Reiter»-Cover deutlich macht, dass sie mehr auf dem Kasten hat, als so manch anderer NNDW-Act. Und weil sie mit ihrer eigenen sehr gut kuratierten «BANDE»-Playlist viele Kolleginnen pusht.

5. Nils Keppel

Dieser Mann hat nicht nur die Sounds, sondern auch den Look für den NNDW-Hype. Das werden alle unterschreiben, die ihn schon einmal live haben spielen sehen. Aber von dem schönen Gesicht und der geschmeidigen Performance sollte man sich nicht ablenken lassen: Seine Texte sind genauso verzweifelt und nihilistisch, wie man sich das in dunklen Wintern im Berlin der 80er so wünschte.

6. Absteige

Viele Acts der NNDW haben ein gutes Händchen für griffige Bandnamen, die man gerne auf Plakaten liest oder auf T-Shirts trägt: Absteige zum Beispiel. Die mysteriöse Musikerin aus Darmstadt, die noch nicht sehr viel über sich verraten hat, singt abgründige Liebeslieder wie «Tanz Mit Mir», wo es heisst: «Tanz' mit mir in der tiefsten Nacht / Ich will dich an mir spüren / bis dein Brustkorb kracht / Ich will uns dicht an dicht / Bis in die Ohnmacht / Ich will dich hassen / Das hast du mir so beigebracht.»

7. Tränen

Hinter diesem einprägsamen Namen stecken die Indie-Songwriterin Gwen Dolyn und Kraftklub-Gitarrist Steffen Israel. Eigentlich wollten Tränen nur den wirklich abgründigen 80er-Punksong «Duell der Letzten» von der Band Chaos Z covern, aber das gefiel ihnen so gut, dass sie gleich noch ein ganzes Album namens «Haare eines Hundes» mit eigenen Songs aufnahmen. Sie dürften neben Edwin Rosen die erfolgreichsten NNDW-Künstler:innen in dieser Liste sie, weil sie natürlich schon ihre eigene Fanbase mitbrachten und durch die Kraftklub-Connection viele grosse Support-Slots spielen konnten. Das Duo hat aber auch, mehr als andere aus dieser Liste, ein gutes Gespür für poppige Hooklines. Das beweist unter anderem dieser Song:

8. Fiese Luise

Diese Liste ist natürlich nur ein kleiner, unzureichender, aber immerhin handverlesener Blick auf die Stilschublade NNDW. Wir möchten sie beschliessen mit einer Künstlerin, die noch ein viel grösseres Publikum verdient hätte: Fiese Luise macht geisterhaft schöne Musik mit Songtexten, die sich immer wieder aufs Neue in anderen Zusammenhängen erschliesst. Ausserdem ist sie Teil des «fe*male collective» NEMESIS, wo sie mit Kolleg:innen wie emi x, SlushhKitten, samzie und benzii dafür sorgt, dass sich die weiblich gelesenen Acts dieser und verwandter Szenen miteinander verbinden und sich gegenseitig supporten.

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