Die Partys von «Diddy» geben echt zu reden
Im zweiten Teil unserer Reihe zu den Vorwürfen gegen Sean «Diddy» Combs schauen wir auf die Anklage in New York, in deren Zentrum die sogenannten «freak offs» stehen. Diese Sex-Partys und die Tatsache, dass Combs sie gefilmt hat, sorgen gerade für wilde Spekulationen um andere Stars.
Trigger-Warnung: Im folgenden Beitrag werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für die Betroffenen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.
Sean «Diddy» Combs ist weiterhin in New York inhaftiert – und wartet auf seine nächsten Gerichtstermine. Eine sehr hohe Kaution wurde ihm gleich zweimal verwehrt, da die Vorwürfe gegen ihn schwer wiegen und Fluchtgefahr bestehe.
Combs sitzt im Metropolitan Detention Center in Brooklyn, kurz MDC, ein – dem geradezu berüchtigten Bundesgefängnis in New York. Wie man seit kurzem aus der Presse weiss, ist er Zellennachbar des ehemaligen Krypto-Gurus Sam Bankman-Fried.
Missbrauch, Ausbeutung, Erpressung, Gewaltandrohung
Schon in der vergangenen Woche verlas die New Yorker Staatsanwaltschaft die rund 20-seitige Klageschrift. Staatsanwalt Damian Williams erklärte dazu: «Die Anklage wirft ihm vor, dass Combs Frauen und andere Leute jahrelang in vielfältiger Weise missbraucht und ausgebeutet hat. Combs übte Gewalt aus und drohte mit Gewalt, um seine Opfer zu Sexorgien mit männlichen Prostituierten zu zwingen.»
Dieser Part erklärt auch, warum Combs unter anderem Menschenhandel vorgeworfen wird, denn: «Einige dieser Prostituierten liess er aus anderen Bundesstaaten zu sich bringen. Combs plante und kontrollierte diese Sexorgien, die er ‘Freak-offs’ nannte, und die er oft gefilmt hat.»
Die Anklage basiert auf den Aussagen von mehr als 50 mutmasslichen Opfern. Als Beweismittel dienen Dokumenten, Rechnungen, Videos und Handydaten, sichergestellt bei gleichzeitigen Durchsuchungen von Combs Villen in Los Angeles und Miami.
Was und wen sieht man auf den Videos?
Man weiss bereits, dass bei diesen Razzien in Combs Häusern in den letzten Wochen zahlreiche Videos gefunden wurden – und eine bizarre Menge an Baby-Öl. Beides regt gerade die Fantasie vieler Menschen.
Aber nicht nur der raunende Gossip schwillt an – viele prominente Menschen scheinen durchaus nervös zu sein und löschten sämtliche Posts, die mit Combs zu tun hatten. Darunter: Usher (der, wie wir im ersten Teil erklärten, als Teenager für eine Weile bei Combs lebte), Megan Fox und Pink.
Der Fall Sean «Diddy» Combs I: Cassie Ventura | ZUM ARTIKEL
Kevin Hart in zweifelhaften Szenen
Im Zuge von Diddys Verhaftung tauchen auch immer mehr eher zweifelhafte Videos aus der Vergangenheit auf. Der Comedian und Schauspieler Kevin Hart hostete zum Beispiel eine Party, die Diddy als «Freak-off» deklariert hatte.
Hart sitzt darin an einer Badewanne, in der zwei junge Frauen baden und sagt zum Beispiel, dass diese Partys hier «female friendly» seien. Kurz darauf fangen die Haare der einen Frau an zu brennen, weil sie an einer Kerze Feuer fingen, was Hart eher lachend kommentiert.
Combs inszenierte sich als Party-König – nun erfährt man, was das bedeutet
Sean «Diddy» Combs Karriere basierte nicht nur auf seinen Produktions-, Songwriting- und Rap-Skills. Schon zu Uni-Zeiten organisierte er Partys, die schnell als legendär beschrieben und zum «place to be» wurden.
Die Partys waren auch ein nicht beträchtlicher Faktor seines grossen Erfolgs in der Musikindustrie. In TV-Interviews wurde Combs immer wieder darauf angesprochen und machte schon damals Aussagen, die misstrauisch hätten machen sollen.
Viele dieser Interviews sind nicht gerade gut gealtert. Zum Beispiel dieses aus dem Jahr 1999, in dem Combs schon witzelt, dass man ihn sicher irgendwann verhaften werde:
Auch Combs Auftritt in der Talkshow von Conan O’Brian ist nicht gerade gut gealtert. Darin erzählt er, dass man den Leuten etwas bieten müsse. Dass man Türen mit Schlössern brauche, damit sie bleiben. Und dass man die Klima-Anlage aus- und die Heizung hochdrehen müsse, damit der Alkohol besser wirkt und alle «lockerer» werden.
In einem weiteren Clip hört man, wie Diddy den «kids» auf einer Party sagt, dass sie bald nach Hause müssten, weil es dann etwas anders zugeht und die Erwachsenen ihren Spass haben werden.
Auch ein Video, das der damals 15jährige Justin Bieber 2009 auf seinem YouTube-Channel postete, wirft Fragen auf, die man schon damals hätte stellen sollen.
Dass Donald Trump seine Hand für Diddy ins Feuer legen würde, wundert vermutlich auch niemanden. Wobei das Video von ihm schon einige Jahre auf dem Buckel hat.
Gerüchte, Vorwürfe, weitere Klagen
Wer einmal bei TikTok und Co. in dieses eklige Rabbit Hole abtaucht, muss ein wenig aufpassen, was man sich da so alles anhört. Man findet hunderte raunende Videos, die andeuten, dass der Prozess wie eine Bombe einschlagen und dutzende Promis aus seinem Umfeld mitreissen wird.
Viele sorgen sich, dass Diddy – wie auch Jeffrey Epstein – Suizid begehen könne. Oder vielmehr: Dass er von mächtigen Drahtziehern ermordet wird, die das dann als Suizid inszenieren.
Sehr beliebt sind auch die Videos der Sängerin Jaguar Wright, die seit Jahren – bis dato meistens nicht belegte – Vorwürfe öffentlich ausspricht und viele grosse Namen outcalled. Über die Jahre warf sie Beyoncé, Jay-Z, Mary J. Blige, Meek Mill und eben auch Diddy Übergriffe, Mitwisserschaft und / oder andere Verbrechen vor.
Viele denken sich nun etwas voreilig: Bei Diddy war ja anscheinend was dran – stimmt also auch alles andere?
Aber auch wenn in diesen Videos sehr fahrlässig Vermutungen zu vermeintlichen Fakten werden, weiss man natürlich, wo sie herkommen. Trotzdem werden oft schlichtweg Fake News verbreitet: Zum Beispiel hiess es kürzlich, dass Mila Kunis das gemeinsame Haus mit ihrem Partner Ashton Kutcher verlassen hätte, nachdem Diddy verhaftet wurde.
Das stimmt zwar nicht – aber Kutcher war eben ein enger Freund von Diddy, der oft auf dessen Partys zugegen war. Und Kutcher war ein lauter Unterstützer des Schauspielers Danny Masterson – ein verurteilter Vergewaltiger, der eine 30jährige Haftstrafe absitzt. Kutcher unterstützte ihn noch, als eigentlich schon klar war, dass Masterson ein Verbrecher ist. Seitdem wird Kutcher nicht umsonst sehr kritisch gesehen.
Was sagt Diddy eigentlich zu den Vorwürfen?
Sean Combs selbst plädierte bei der Anhörung vor Gericht übrigens auf «nicht schuldig». Anwesende Gerichtsreporter:innen sagten, er habe regungslos zugehört, als die Vorwürfe verlesen wurden. Sein Anwalt Marc Agnifilo erklärte: «Ich habe den Abend mit ihm verbracht, bis 1.00 Uhr nachts. Er ist guter Dinge und zuversichtlich. Er will das offensiv angehen, wie alle Herausforderungen in seinem Leben. Er ist unschuldig.»
Die Zivilklage von Thalia Graves
Wenige Tage nach Combs Anhörung traute sich nun ein weiteres vermeintliches Opfer in die Öffentlichkeit. Thalia Graves sprach mit ihrer Anwältin Gloria Allred während einer Pressekonferenz über ihre Zivilklage wegen sexueller Gewalt gegen Combs und einen seiner Mitarbeiter.
Unter Tränen berichtete Graves von einem Vorfall aus dem Jahr 2001. Damals wurde sie mit einem Vorwand in Combs Studio bestellt, wo sie ein vermutlich mit Drogen versetztes Getränk zu sich nahm und daraufhin das Bewusstsein verlor. Sie sei gefesselt und dann von beiden Männern brutal missbraucht worden.
Aus Angst vor möglichen Druckmitteln von Combs, der diese Tat gefilmt habe, sei sie damals nicht zur Polizei gegangen, zitieren US-Medien aus der Klage.
Vermutlich wird das nicht die letzte Klage sein. Und man darf wirklich gespannt sein, was der Prozess zu Tage bringen wird. Denn eines dürfte schon jetzt klar sein: Sollten all diese Vorwürfe belegbar sein und Videos der «Freak-offs» im Prozess gezeigt werden, wird niemand behaupten können, man hätte es hier mit einem Einzeltäter zu tun.
Und man wird sehen, wer keine Probleme mit und vielleicht gar Spass an diesen «Freak-offs» hatten, die vermutlich oft juristische und auf jeden Fall moralische Grenzen überschritten.