Veröffentlicht am 13. Juni 2022

Nacht&Leben – Das Männerproblem mit den Frauen

Alex Flach kennt die Schweizer Clubszene wie kein Zweiter. In seiner Kolumne geht er diese Woche auf ein delitaktes Thema der hiesigen Club-Landschaft ein.

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Alex Flach

Alex Flach ist seit 25 Jahren Teil des Nachtlebens und hat 10 Jahre lang im Tages Anzeiger über selbiges geschrieben. Er ist Chefredaktor des Barkeeper-Magazins DRINKS Schweiz und Kommunikations-Verantwortlicher für diverse Clubs und Kulturbetriebe. Für Starzone nimmt er sich in der Kolumne Nacht&Leben das Geschehen hinter Club- und Bartüren zur Brust. (Foto: Dejana Gfeller)

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Alex Flach ist Zürcher Cluboriginal und Sprecher verschiedener Locations.

Das Moon&Stars in Locarno kassiert gerade einen beachtlichen Shitstorm wegen seines Line Ups für die Ausgabe ab Mitte Juli, weil sich auf dem Festival-Plakat ausschliesslich männliche Acts und kein einziger weiblicher befinden. Auch Sophie Hunger hat darauf mit einem regulären Wutausbruch reagiert und das Moon&Stars als «Neue Weltmeister in der Freakshow Diskriminierung» betitelt.

Ob dieses «Würstlibude»-Line Up in Unachtsamkeit, Ignoranz oder gar böswilliger Absicht geboren wurde, wird sich nicht abschliessend eruieren lassen. Voraussicht, Weisheit und Empathie waren aber nicht beteiligt, gäbe es doch genügend Beispiele für frühere Shitstorms aus demselben Anlass, auch aus dem Nachtleben. So ist im September 2020 das Internet über den Zürcher Club Supermarket hergefallen, weil dieser anlässlich seines 22sten Jubiläums ein rein männliches Line Up zusammengestellt hat: An die 40 DJs, keine einzige Frau.

«Sie müssen die Verantwortung vermehrt in Frauenhände legen.»

Alex Flach

Doch das (noch immer weit verbreitete) Gender-Ungleichgewicht bei den Line Ups ist nur die Spitze des Eisberges: Nimmt man die Organigramme der Schweizer Nightlife-Betriebe etwas genauer unter die Lupe, wird man feststellen, dass ganz oben meistens ein Mann am Hebel sitzt. Und mit «meistens» ist nicht etwa «in 75% der Fälle» gemeint, sondern in weit über 90% - selbst wenn ein Club eine Frau in der Chefetage sitzen hat, über ihr fuchtelt, von ganz raren Ausnahmen abgesehen, garantiert noch ein männlicher Inhaber das finale Zepter.

Die Suche nach den Gründen für diesen Männer-Überschuss in einer Branche, die meist auf einen möglichst hohen Anteil weiblicher Gäste angewiesen ist, mündet stets in Mutmassungen und Annahmen und versandet dann in Ratlosigkeit. Immerhin hat sich im Laufe der Zeit eine Vermutung herauskristallisiert, die weitherum auf Akzeptanz stösst: Für Frauen ist es schlicht und einfach unattraktiv die eigene Karriere in einem solch Testosteron-haltigen Haifischbecken zu planen. Dies zu ändern liegt in der Verantwortung der männlichen Macher, die aktuell das Nachtleben steuern: Sie müssen die Verantwortung vermehrt in Frauenhände legen um die Branche für weibliche Talente attraktiver zu gestalten.

Wird derzeit stark kritisiert: Das Moon&Stars in Locarno.
Wird derzeit stark kritisiert: Das Moon&Stars in Locarno.

Jedoch scheint der Weg zu dieser Einsicht noch immer ein sehr langer zu sein, wenn selbst etablierten und grossen Festivals bei so simpel umzusetzenden Belangen wie einem geschlechterseitig ausgewogenen Line Up solch verstörende Fehltritte unterlaufen wie eben dem Moon&Stars.

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