«ABBA Voyage wirkt echt»: Stimmen der Kritiker:innen und der Live-Band
Nun laufen die ersten «ABBA Voyage»-Shows und die Reaktionen sind mehr als positiv. Ein Blick auf die ersten Kritiken und auf die Live-Begleitband, die von einem alten Bekannten der Indie-Welt zusammengestellt wurde: James Righton von den Klaxons.
Fast ist es ein wenig unheimlich, wenn man die Videos der ersten «ABBA Voyage»-Konzerte sieht. Da stehen ABBA in ihrer Blütezeit – jung, verschmitzt, bunt gekleidet – und sind doch im Grunde nur ein Abbild neuester Technik. Und trotzdem sieht man bei einem Schwenk ins Publikum, dass die Fans aus dem Häuschen sind und mit strahlenden Augen auf die ABBAtare schauen. So heißen die Kreationen aus dem von George Lucas gegründeten Hause Industrial Light & Magic, das schon mit den Effekten für die ersten «Star Wars»-Filme das Kino revolutionierte und nun das gleiche mit der Konzertwelt vorhat. Wenn man diese «ABBA Voyage»-Show denn Konzerte nennen will – bei viel Musik vom Band und viel Performance vom Rechner kommt, das Publikum, die Emotionen und die zehnköpfige Begleitband aber real sind.
Die ABBAtare «wirken echt»
Die Fachpresse reagierte nach der Premiere, bei der auch ABBA anwesend waren, durchweg positiv, verwies aber in fast allen Kritiken auf die Chancen und Limitierungen dieser simulierten Konzerte. Der deutschsprachige Rolling Stone schrieb zum Beispiel: «Die von Abba beauftragte George-Lucas-Firma Industrial Light & Magic (ILM) hat zumindest, das lässt sich nach der Premiere der ‚Voyage‘-Show in London (26. Mai) sagen, einen Schritt nach vorne gemacht. Dieses Event zeigt die Möglichkeiten von solchen Darstellungen auf – und ihre Grenzen. Die digitalen Avatare alias ‚Abbatare‘ sind aus der Ferne, abgesehen von der auf Leinwänden zu beurteilenden Mimik, nicht als 3D-Charaktere zu erkennen. Sie wirken echt. Das ist natürlich gut. Sie sind Projektionen, aber erscheinen dreidimensional und bewegen sich mit einer tänzerischen Geschmeidigkeit, die Agnetha, Frida, Benny und Björn sogar in ihren besten Tagen abging. Für ihre Pirouetten war die echte Frida ja nicht unbedingt berühmt.»
«Es war ein Triumpf, es war ausserirdisch.»
Die Neue Zürcher Zeitung zeigte sich noch ein wenig begeisterter und schrieb: «Es war ein Triumph, und es war ausserirdisch: Darüber waren sich alle einig, die Abbas Avatare am Donnerstag im Londoner Konzert gesehen haben. Digitalisierte 3-D-Versionen der Bandmitglieder vermittelten das Gefühl, die Schweden auf der Höhe ihres Ruhms in den siebziger Jahren zu sehen und zu hören. Als ob Abba weitergelebt hätten, ohne zu altern.»
Das deutsche Magazin «Der Spiegel» wiederum schreibt: «Die Show versucht, die Idee eines klassischen Rockkonzerts mit Musikvideo, Tanztheater, Dokumentation zu mischen. Dabei ist sie vor allem dann besonders beeindruckend, wenn sie, ganz grundlegend, die Idee des klassischen Rockkonzerts ins Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit von Abba-Mitgliedern überträgt.»
Spannende Musiker:innen in der Live-Begleitband
Nach der Premiere rückte der Fokus auch auf die zehnköpfige Live-Band, die zwar optisch nicht im Mittelpunkt steht, aber ihren Job sehr gut zu machen scheint. Eine Schlüsselfigur dieser Band ist James Righton, der mit seiner Band The Klaxons in den Nullerjahren die Indie-Welt aufmischte und mal eben das kurzlebige, aber mitreissende Genre New Rave lostrat. Er verriet dem britischen «NME» in einem Interview, wie er den ehrwürdigen Auftrag, eine Band zusammenzustellen, angegangen ist: «Dafür bin ich ausführlich meine mentale Erinnerungsbank von Musikern durchgegangen, mit denen ich gespielt hatte oder die ich sonst wie kannte», sagte Righton. Erste Kandidaten hätte Rigthon nur «sehr vorsichtig und vertraulich» auswählen dürfen, weil er diverse «Non Disclosure Agreements» unterschrieben hatte.. «Man muss für diesen Job nicht nur ein überdurchschnittlicher Musiker und Profi sein. Man braucht Gefühl, Charakter und Groove. Es ging mir um Persönlichkeiten und Menschen mit Stil. Wenn man sich ABBA-Filmmaterial aus den 70ern anschaut, dann waren sie stets brillant und hatten grossartige Mitmusiker.» Seine, vielleicht etwas zu ambitionierte Prämisse: «Diese Band musste genauso gut sein wie die ursprüngliche Besetzung.»
Verdammt hohe Anforderungen
So fand Righton zum Beispiel den Londoner Gitarristen Dom John, der dem «NME» erzählte, wie er das erste Mal ABBA bei den Proben traf. Plötzlich wären Björn Ulvaeus und Benny Andersson seien plötzlich aufgetaucht, um ihm ein wenig auf die Finger zu schauen. «Wir haben einen ihrer Songs gespielt, und ich habe beide Gitarrenparts gespielt. Sie sahen sich nur an und sagten: ‚Äh ja, vielleicht brauchen wir doch keine zwei Gitarren‘ – und gingen dann wieder weg, ohne Hallo oder so zu sagen.»
Pianistin Sarah Burrell, die Synths und Pianos spielt, erzählte über die Proben: «Es war ziemlich nervenaufreibend, vor Benny Keyboards zu spielen.» Überhaupt sagten alle beteiligten Musiker:innen, dass ABBA verdammt hohe Anforderungen hatten – aber nicht nur mit Blick auf die Qualität ihres Spiels, sondern auch auf die Empathie, die man den ABBA-Songs entgegenbrachte.
«Bin sooo glücklich, bald meine unglaubliche Bandfamilie zu unterstützen»
Eine schon selbst rechte prominente Musikerin konnte am Premieren-Abend und bei den ersten Shows leider nicht dabei sein: Die Pop-Sängerin Little Boots, die selbst mit Stücken wie «Remedy» und «New In Town» einige Hits in petto hat, ist eigentlich auch als weitere Sängerin im ABBA-Team. Sie konnte allerdings nicht dabei sein, weil sie am Abend der Premiere Mutter wurde. Sie schrieb auf Instagram: «Unglaubliche Eröffnungsnacht für ABBA Voyage, die auch erste Nacht als Mama war. Bin sooo glücklich, bald meine unglaubliche Bandfamilie zu unterstützen, die es super gemacht hat!» Ausserdem sagte sie mit hörbarer Vorfreude in einem Interview: «Ich bin so stolz darauf, ein Teil dieses bahnbrechenden Projekts zu sein, das so vielen Menschen Freude bereiten wird. Geht und seht euch diese Show an! Ganz besonders, wenn ich aus dem Mutterschaftsurlaub zurück bin. Es wird euer Leben verändern.»