Veröffentlicht am 03. Januar 2023

Michael Patrick Kelly – ein Leben in drei Akten

Er war der Posterboy der langhaarigsten Familie der Musikwelt. Er war Mönch in Frankreich. Nun ist er Popstar. Juror und Gastgeber im Fernsehen. Geht auf Tour, spielt am 10. Februar in Zürich. Kann sich dieses dritte Leben, nämlich das der Solo-Karriere des ehemaligen Kelly-Family-Frontknabens, von der theatralischen Vergangenheit lösen?

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I. Akt: Die Kelly Family

Jedes gute Stück beginnt mit der Exposition – seiner Ausgangssituation. Häufig deutet sich hier der tragende Konflikt bereits an – die Irrungen und Wirrungen. Böse Zungen mögen behaupten, eben diese fand man zuerst in den rapunzelhaften Mähnen einer irisch-amerikanishen Grossfamilie. Ebenso märchenhaft wie ihr Haar liest sich nämlich deren Karriere: Der heute 45-jährige Michael Patrick Kelly kommt in einem Wohnwagen in Dublin zur Welt. Die Mutter stirbt früh, der Vater, ein amerikanischer, alkoholkranker Pädagoge, zieht mit seiner Horde Kinder als Strassenmusikant durch die USA und Europa. Sie lernen quasi nichts, nur Musik. Der junge «Paddy», wie er später auf BRAVO-Starschnitten betitelt werden wird, erweist sich dabei als Glücksgriff: Er lernt schnell. Tin Whistle, Gitarre, Bass, Klavier. Aber auch Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Niederländisch.

Mit 15 Jahren komponiert Paddy Kelly die Folk-Pop-Ballade «An Angel». Kinder und Jugendliche verlieben sich in den ebenso engelsgleichen Knaben mit dem Goldkehlchen und den tausend Geschwistern. Schon früh sticht er mit seinem Talent und seiner Stimme heraus, übernimmt ab 1996 sogar die musikalische Leitung der Familienbande. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Angelo wird er zum sanft gelockten Teenieschwarm. Fans, die sie auf der Bühne zum Tanz bitten, waschen sich nicht mehr – was wunderbar zum, sagen wir, alternativen Look der Band passt. Man liebt die Kellys. Oder man hasst sie. Die Single «An Angel» und die Alben «Over The Hump» und «Almost Heaven» erobern die Charts in Österreich, Deutschland und der Schweiz im Sturm. Nach dem Wohnwagen nimmt die Musikerfamilie die Überholspur, lebt wahlweise in einem Hausboot oder einem Schloss. Mit Beginn des neuen Jahrtausends sinkt das Schiff, es kommt zu Unstimmigkeiten. Paddy Kelly leidet unter der Familienkrise, entscheidet sich 2003 für eine Solokarriere. Das Album «In Exile» floppt, weist ihm aber den Weg: ins Exil eben.

II. Akt: Das Kloster

Auf die Exposition folgt das erregende Moment, auch Katastase genannt. Es baut den dramatischen Konflikt auf, steigert ihn und führt zu Spannung. Im Falle von Michael Patrick Kelly: Ent-Spannung. «Ich hatte Anfang 20 zusammen mit meiner Familie einen Riesenerfolg: Wir haben Stadien gefüllt, lebten in einem Schloss und hatten alles, wovon viele träumen. Trotzdem war da eine grosse Leere. Das hat mich zur Suche nach mehr bewogen, auf eine spirituelle Reise», so der junge Mann, der so lange einfach nur Paddy war, zum SRF. Er geht nach Frankreich ins Kloster. Sechs Jahre lang schält er Gemüse, schweigt, betet und studiert. Dann kehrt er gestärkt zurück: «Stille ist für mich eine Quelle der Inspiration. Ich nehme mir heute jeden Tag mindestens eine halbe Stunde stille Zeit. Ich gehe quasi offline mit der Welt und chatte ‚online with the Lord‘. Das habe ich aus der Klosterzeit in die heutige Zeit mitgenommen», erklärt Kelly, fängt ganz neu an und schneidet alte Zöpfe ab. Wortwörtlich.

III. Die Solokarriere

Die Peripetie stellt den Höhepunkt jeder guten Geschichte dar. Sie ist der entscheidende Wendepunkt: 2014 schreibt er wieder, wagt einen zweiten Versuch: Im Mai 2015 erscheint im Alleingang das Album «Human». Darauf folgt 2016 mit dem Album «RUAH» eine Sammlung spiritueller Lieder, in denen der Singer-Songwriter die Erlebnisse und Erfahrungen im Kloster verarbeitet. Auf einer anschliessenden Benefiztour spendet Michael Patrick Kelly den Ticket-Erlös zum Teil für wohltätige Zwecke. 2017 schiesst ihn die erfolgreiche Platte «iD», die Michael Patrick Kelly immer mehr in Richtung Pop – und auch TV-Karriere – treiben lässt, wieder an die Spitze. Er wird Teil des VOX-Tauschkonzerts «Sing Meinen Song», nur ein Jahr später sitzt Paddy in einer überdimensionalen Kugel der «The Voice of Germany»-Jury. 2019 ist er bei «Sing Meinen Song» sogar Gastgeber. Und seine Geschwister? Maite Kelly tanzte auf RTL und sass bei «DSDS» als Jurorin neben Dieter Bohlen, Bruder Angelo war bei «The Masked Singer» und «Goodbye Deutschland» zu sehen, Kathy bei «Promi Big Brother» und «Die Alm». Bruder Joey sportelt auf Pro7 überall mit, rutscht auf Woks herum und bespringt fleissig Türme. Es gibt also kaum eine TV-Show, in der kein Kelly auftritt. Michael Patrick Kelly scheint sich distanzieren zu wollen. Zum Magazin Closer sagte er: «Ich bin nicht an die Öffentlichkeit zurückgekommen, um den Leuten mit einer ‚Hauptsache überall dabei sein‘-Attitüde auf den Keks zu gehen.» Ein Seitenhieb, der auf Distanz schliessen lässt. Weg von der Familie, hin zu den grossen Hits.

2021 pendelt Kelly nämlich mit dem fünften Album «B.O.A.T.S.» komplett unfallfrei zwischen Folk und Poprock. Man summt das ein oder andere Feelgood-Stück mit, ohne zu wissen, dass es von ihm ist. Längst ist Paddy Kelly kein Ex-Kinderstar mehr, sondern Singer/Songwriter mit Expertise, der in seiner Musik von seinen zahlreichen Reisen erzählt und Erinnerungen an den frühen Tod der Mutter teilt.

Unser heimliche IV. Akt: Er kommt zu uns

Nach der Peripetie folgt das retardierende Moment. Es sorgt für Spannung, indem es den Schluss hinauszögert und somit auch die Gewissheit, ob der Konflikt sich auflösen wird. Spoiler: Ja, das tut er. Denn das Beste kommt bekanntlich zum Schluss:

Am 10. Februar 2023 gastiert Michael Patrick Kelly mit seiner B•O•A•T•S TOUR 2022 / 2023 im Zürcher Hallenstadion.
Infos und Tickets gibts HIER.

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