Pubblicato il 23. marzo 2023

Riopy: «Ich hatte ein beschissenes Leben, aber ich hatte auch alle Emotionen, die ich brauchte, um etwas zu erschaffen.»

Vor seinen zwei Shows in Genf und in Zürich sprachen wir mit dem autodidaktischen Pianisten über seine schicksalsgeplagte Kindheit, Lana Del Rey und sein neues Album.

Journalist
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Jean-Phillipe Rio-Pys Leben bietet Stoff für einen Hollywood-Film: Aufgewachsen in einer extremistischen Sekte, verliess er - knapp volljährig - sein Zuhause. Er schlug sich als Strassenmusiker durch und landete schlussendlich als Klavierhändler in einer Boutique in England. Eine Zufallsbegegung verschaffte ihm erst einen Platz an der Oxford Brookes University und anschliessend einen Auftritt an einem Gala-Anlass der Vanity Fair, wo auch Chris Martin im Publikum sitzt. Martin, begeistert von Riopys Auftritt, bedankt sich mit einem Steinway & Sons-Piano, auf dem Riopy wenige Jahre später sein gefeiertes Debütalbum produziert.

Riopy, wie ist es, Musik zu machen, die die Menschen so sehr berührt und sie sogar zum Weinen bringt?

Riopy: Es stimmt offenbar tatsächlich, dass meine musik viele Menschen zum Weinen bringt, aber ganz ehrlich - ich liebe es. Warum? Wenn es passiert, fühlt es sich an, als würde ich eine Scheibe einschlagen. Es ist, als ob es etwas in den Menschen freisetzt und das ist es, was die Musik für mich getan hat. Es ist befreiend. Ich habe in meiner Kinkheit so sehr gelitten, aber Musik zu schaffen hat mir immer Hoffnung gegeben. Wenn ich sehe, dass bei meinem Publikum ähnliche Emotionen auslösen kann, fühle ich mich nützlich und das tut mir gut.

Du sprichst von einem Schmerz, der aus dieser Kindheit stammt. Ist diese Art von cineastischer Musik für dich ein Werkzeug zur Flucht davon?

Möglicherweise, ja. Ich glaube aber, ich konnte noch nie in ein Korsett zwängen, was auch an meiner Kindheit liegt. Die Flucht ist zwar ein wiederkehrendes Thema in meiner Musik und beeinflusst damit wohl auch meine Herangehensweise, aber dass das besonders

Und dabei hast du dir auch noch selber das Klavierspielen beigespracht. Wie kam es dazu?

Ich hatte das Glück, dass bei uns ein Klavier im Haus war. Irgendwann - ich war noch sehr klein - habe ich eine Taste gedrückt und es fühlte sich an, als ob sich mir ein ganzes Universum eröffnete. Es hat mich unglaublich berührt und habe angefangen auszuprobieren. Erst eine Note, dann zwei. Nach und nach breitete sich dieses Puzzle vor mir aus, das ich zusammensetzen konnte.

Das klingt aber mehr nach kontrollierter Planung und weniger nach der Leichtigkeit deiner Songs.

In der Leichtigkeit steckt viel Arbeit, aber nicht nur im Selbststudium. Die Arpeggios und das Tempo wurde mir beigebracht und alles zusammen hat diese besondere Magie.

Und diese Magie spürt man auch auf deinem kommenden Album «Thrive», das auf den wenigen Noten von Gymnopédies basiert (Die Gymnopédies oder Trois Gymnopédies sind drei Klavierkompositionen des französischen Komponisten und Pianisten Erik Satie. Anm. d. Übersetzer). Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Es gibt nichts Einfacheres oder Schöneres als die zwei Akkorde von Saties Gymnopédies. Das Lustige ist, dass diese Einfachheit für mich die Apotheose der Kunst ist. Etwas Einfaches so schön zu machen ist schwierig. Jedes Mal, wenn ich die beiden Akkorde höre, tun sich Welten auf für mich. Ich lasse mich gerne von den Helden solcher Meisterwerke inspirieren. So auch bei «Nocturne», das von Chopin stammt. Ich hab versucht dem Stück einen traurigen und kraftvollen Anstrich zu verpassen

Die Trauer wird im Clip gut visualisiert.

Wie auch die Flucht, ist Trauer ein beständiges Thema. Ich hatte ein beschissenes Leben, aber ich hatte auch alle Emotionen, die ich brauchte, um etwas zu erschaffen. Frustration, Schmerz, Trauer…ich konnte all das meine Musik einfließen lassen. Hätte ich es nicht selbst erlebt, könnte ich mich wahrscheinlich nur schwer so ausdrücken. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass ich heute niemandem mehr böse bin, ich habe verziehen.

Das Scheissleben scheint nun hinter dir zu liegen. Mittlerweile klopft Lana Del Rey bei dir an und fragt nach einer Zusammenarbeit. Wie kam es dazu?

Wie sie auf mich gekommen ist, weiss ich nicht. Mein Manager erhielt irgendwann eine Anfrage von Lanas Management, die erzählten, dass sie sich in meinen Song «Flo» verliebt hat. So sehr, dass sie dafür einen Text verfasst hat und diesen nun veröffentlichen will. (Anm. d. Red.: Er wird auf dem kommenden Album "Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd" erscheinen). Ich war zunächst geschmeichelt, weil es Lana Del Rey war, aber um ehrlich zu sein, war ich nie der Typ, der nach Kollaborationen gesucht hat. Ich habe immer mein Ding für die Musik gemacht und Geld ist mir auch scheissegal. Ich will auf keinen Fall meine Authentizität verlieren, aber ihr Song war so elegant, so stilvoll, dass ich nicht Nein sagen konnte. Auch wenn es mir ein bisschen Angst macht.

Es ist nicht das erste Mal, dass du einen berühmten Fan hast. Nachdem Chris Martin dich live gesehen hat, gab’s von ihm ein Klavier geschenkt.

(Lacht) In Momenten wie diesen denke ich, dass alles möglich ist. Ich hatte nichts und plötzlich bekomme von Chris Martin ein Klavier geschenkt. Ich bin natürlich sehr dankbar, aber ich achte auch darauf, dass mein Ego nicht allzu sehr aufbläht. Sein Klavier habe ich immer noch. Mein erstes Album ist darauf entstanden, mitten in meiner Wohnung, weil mir die Aufnahmestudios damals zu unpersönlich waren.

Zurück zu deinem nächsten Album. Wie hast du für «Thrive» deine Instrumente ausgewählt?

Das ist eigentlich ganz einfach: Ich schliesse die Augen und höre, ob mir der Klang des Klaviers gefällt. All den Instrumenten ihren Platz zu geben, war dann allerdings komplizierter.

Arbeitest du auch so, wenn du Auftragsarbeiten für Filme oder Werbung produzierst?

Heutzutage mache ich fast keine Auftragsarbeit mehr, weil das Touren so viel Zeit beansprucht. Das ist mir aber auch ganz recht so, ich möchte eigentlich nur noch an Projekten arbeiten, hinter denen ich stehen kann. Mittlerweile habe ich das Glück, wählen zu können, was nicht überheblich gemeint ist, im Gegenteil: Ich möchte Wertvolles schaffen und einfach nur zum Konsum beitragen. Einige Dinge schliesse ich dabei auch kategorisch aus, Alkohol und Horror, zum Beispiel. Aber wenn etwas meinen Werten entspricht, warum nicht? Einfach nur fürs Geld oder Ruhm will ich aber nichts mehr produzieren. Beides ist mir scheissegal.

Du spielst bald in Genf und in Zürich. Was möchtest du denjenigen, die sich nicht für ein klassisches Pianokonzert interessieren, mitteilen?

Ich würde ihnen mitteilen, dass sie ein Risiko eingehen sollen, auch wenn ich zugeben muss, dass manche Klavierkonzerte langweilig sein können (lacht). Aber es gibt ja auch langweilige Popkonzerte, also komm vorbei und probiere es aus. Bemerkenswert ist, dass in meinem Publikum Leute aller Altersklassen sitzen, von 4 bis 99. Sie alle haben aber etwas gemeinsam: ein Bewusstsein für die Menschlichkeit. Die ehrlichen Emotionen zu erleben ist unglaublich. Es macht mich glücklich, dass ich diese Konzerte spielen und Teil von diesen Emotionen sein darf. Es fühlt sich an, wie einer Gemeinschaft, was eine wunderbare Erfahrung ist.

Riopy spielt am 2. März im Saal De Alhambra in Genf am und 16. März im Kaufleuten in Zürich.

Tickets gibt es hier. und für Zürich verlosen 2 x 2 Stück: Wer vorbeischauen will, meldet sich via info@starzone.ch

Riopys 4. Album «Thrive» erscheint am 14. April.

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