Pubblicato il 12. giugno 2022

Lykke Li im Interview: «Ich brauche sehr lange, bis ich jemandem vertraue.»

Die in Los Angeles lebende Schwedin Lykke Li hat gerade «EYEYE» veröffentlicht – ein intimes, dunkles Album, das vom Ende einer großen Liebe erzählt. Im Interview spricht sie über Leid als Inspiration und den ewigen Kreislauf eines Künstler:innenlebens.

Journalist
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Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, wenn ich hier gleich eine Reihe von Fragen stellen werde, die in gewisser Weise in dunkle Gefilde vordringen. Aber genau dorthin führt uns ja auch dein neues Album „EYEYE“. Wie fühlt es sich an, jetzt über dieses poetische, aber schmerzhafte Album zu sprechen?

Es ist immer schwierig, über etwas zu sprechen, dessen Entstehung mir ziemlich rätselhaft ist – aber Kunstmachen oder Songschreiben ist ein sehr mysteriöser Prozess. Es ist also eh schwierig für mich, das zu analysieren. Aber ich bin auch dankbar, dass die Leute mit mir über meine Musik reden wollen.

Lass uns ein bisschen über den Titel «EYEYE» sprechen. Du sagtest in einem früheren Interview, man könnte ihn auch als «drittes Auge» lesen. Ich mag das spirituelle Konzept hinter dieser Metapher. Wie meintest du das?

Ich habe während der Entstehung des Albums definitiv mein drittes Auge geöffnet. Für mich ist «EYEYE» ein sehr visuelles Album, das nach Innen schaut und nach Außen eine bildliche Entsprechung hat. Deshalb gibt es zu jedem Song ein eigenes Video. Ich wollte also einen Namen, der dich an diesen Ort bringt oder in diesen Geisteszustand versetzt. «EYEYE» funktioniert aber auch ein bisschen wie ein Mantra.

Mantra ist ein sehr passendes Wort, weil die Platte und auch das Bildmaterial stark mit Wiederholungen arbeiten. Ich mag diesen Effekt oder Geschichten in der Literatur oder im Film, die mit diesem zyklischen Konzept arbeiten und einem klar machen, dass sich viele Dinge im Leben wiederholen. Kannst du mir ein wenig darüber erzählen, warum du dich entschieden hast, so stark auf dieses Konzept der Repetition einzugehen?

Es hat mich einfach sehr interessiert, und wie du sagst: diese Zyklen sind überall. Wir leben unser Leben völlig zyklisch und wir sind Kreaturen der Gewohnheit. Wir leben manchmal nicht unser eigenes Leben, sondern wiederholen bloß Muster. Einige brechen dann aus, in dem sie psychedelische Erfahrungen machen. Mir geht es um das Zyklische, die Wiedergeburt, die Dualität von allem – das hat mich einfach sehr interessiert.

Es gibt dabei viele Parallelen zum Leben eines kreativen Menschen und ganz besonders einer Musikerin – das merkst du sicher besonders stark, wenn du mal wieder im Interview-Part eines Veröffentlichungszyklus zu einem Album bist. Wie wirkt sich dieses Element der Wiederholung in deinem Leben aus? Ist das ein Fluch oder ein Segen?

Es ist beides. Du kannst also nicht den Schmerz ohne das Vergnügen haben. Das Vergnügen ohne den Schmerz. Als Künstler ist man offensichtlich am meisten daran interessiert, Dinge zu tun oder über Dinge zu sprechen, über die man noch nie zuvor gesprochen hat. Wenn ich viele Interviews geben, habe ich das Gefühl, mich irgendwann zu wiederholen.

Wenn man Songs wie «No Hotel» hört, hat man fast das Gefühl, man würde einem intimen Austausch lauschen, der eigentlich nicht für mich bestimmt ist. Wie war die Aufnahmesituation?

Auch das war wie eine Reaktion auf das, was ich vorher gemacht hatte. Mein letztes Album «so sad so sexy» hatte eine Menge Produzenten gehabt, ich hatte bei allen Auftritten sehr viel Make-up im Gesicht und trug meistens ein rotes Latex-Outfit. Ich wollte also wirklich ganz von vorne anfangen bei «EYEYE». Ich lag in meinem Bett und hörte mir eine Sprachnotiz an, und ich dachte: So soll meine Musik klingen. Und ich hatte das Gefühl, dass ich nach jeder Platte sagen würde, dass ich vielleicht nie wieder eine Platte machen werde, weil es einfach so anstrengend ist, vor allem das Touren und alles. Also dachte ich: «Hmm, so will ich nicht aufhören. Ich denke, ich werde versuchen, die Platte zu machen, die ich schon die ganze Zeit machen wollte, also etwas sehr Intimes und Nacktes.» Es waren also nur mein Produzent Björn Yttling und ich in meinem Wohnzimmer. Niemand sonst war im Haus, es gab keine Tricks, nur uns, eine Gitarre, ich mit einem Mikrofon, das an einen Verstärker angeschlossen war, keine Kopfhörer. Wir waren also ganz nah dran an dem, was zu der Zeit passierte, deshalb hört man auch die Vögel, die Spülmaschine, wir haben alles auf Band aufgenommen. Also, ja, wir haben versucht, etwas sehr Rohes einzufangen. Wie nach einem Unfall. Fast so, als ob jemand langsam ausbluten würde und ich frage: Was hast du mir noch zu sagen?

Mit Björn Yttling, der auch Teil der Band Peter, Bjorn and John ist, hast du schon ganz am Anfang deiner Karriere gearbeitet. Wie würdest du die Arbeit mit ihm beschreiben?

Ich war 19, als ich ihn traf und alles andere als eine selbstbewusste Sängerin. Er muss etwas in mir gesehen haben und gab mir eine Chance. Es ist etwas ganz Besonderes, was wir haben. Es ist wie Alchemie. Er und ich zusammen sind eine Art Vehikel, um etwas Spirituelles und Tiefgründiges zu erreichen. Ich brauche sehr lange, bis ich jemandem vertraue. Deshalb wollte ich ihn bei diesem sehr persönlichen Album dabei habe. Außerdem hasst er mein letztes Album. Das gefiel mir.

Die Schlüsselszenen des Albums hast du mit dem Regisseur Theo Lindquist verfilmt – in jeweils einminütigen Loops. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich kenne auch Theo schon sehr lange. Als ich mit meinem ersten Album in London anfing, hat er eines der ersten Magazin-Cover von mir fotografiert. Ich bin ihm im Laufe der Jahre immer wieder über den Weg gelaufen. Ich kenne ihn also schon lange, aber dann traf ich ihn zufällig in der Zeit vor der Pandemie, als ich diese Geschichte in meinem eigenen Leben durchlebte und begonnen hatte, darüber zu schreiben. Und er sagte: «Oh mein Gott, dein Leben ist wie ein Film.» Und ich sagte: «Ja, sollen wir den Film machen?» Und dann sagte er: «Ich weiß nicht. Ich habe genug von Filmen und Musikvideos. Ich würde nur dann mit dir zusammenarbeiten wollen, wenn wir etwas Neues machen würden.» Es war also seine Idee, einfach den Loop zu machen. Und als er die Idee hatte, dachte ich sofort: «Ja, das ist so cool. Los geht's.» Dann merkte ich: Wir müssen also einen Film im Film schreiben und dann nur die Schlüsselszenen drehen. Aber es war wirklich schwer, herauszufinden, was das für Szenen sind, wie man sie dreht – und wie man sie dann dreht, wenn du weißt, was ich meine. Es wurde alles sehr meta, wie eine Million Kreise in einem Kreis. Innerhalb eines Kreises.

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