K-Pop: Gestern Schülerin, morgen Popstar
Zum Start der BBC-Doku «Boybands Forever» diskutiert die britische Popwelt, ob es eigentlich eine gute Idee ist, Teenager zu Popstars zu machen. In Südkorea hingegen ist das völlig normal – hier gibt’s Idols wie Hyein von New Jeans (Foto), die mit 14 debütierte und da schon mehr Bühnenerfahrung hatte als ihre Bandkolleginnen.
Die ersten, ziemlich guten Kritiken der dreiteiligen Doku-Reihe «Boybands Forever», die Montag bei der BBC startet, betonen, dass vor allem «die dunkle Seiten» der Nineties Boybands ausgeleuchtet werden.
Die Filme, die von Louis Theroux’s mitproduziert wurden, rücken dabei vor allem die gecasteten Boybands der Neunziger und Nullerjahre in den Fokus – namentlich East 17, Boyzone, 911, Damage, Westlife, 5ive und Blue. Unter den zahlreichen Interviewten finden sich große Namen wie Robbie Williams und Simon Cowell.
«Sie waren 24/7 im Einsatz – es war unerbittlich»
Kaum war der Trailer draußen, diskutierte man in England auch und vor allem über die Tatsache, dass viele dieser jungen Männer noch minderjährig waren, als ihre Karrieren oder die Vorbereitungen dazu begannen. Der Druck war enorm – und auch das Arbeitspensum.
Regisseurin Nancy Strang sagte dem britischen «Guardian»: «Was mich überrascht hat, war, wie hart sie gearbeitet haben. Es war die Zeit vor den sozialen Medien, man musste physisch an Orte gehen, um gesehen zu werden, oder man musste physisch zu einem Interview gehen. Sie waren 24/7 im Einsatz – es war unerbittlich.»
In Korea beginnt eine K-Pop-Karriere in der Regel noch früher
In Korea wird man vielleicht eher verwundert auf diese Diskussion schauen. Das sogenannte Trainee-System der K-Pop-Produktionsfirmen setzt nämlich schon seit langem viel früher an. Rosé von Blackpink, die gerade mit ihrer Single «APT.» feat. Bruno Mars die Charts aufmischt, wurde zum Beispiel mit 14 von der Produktionsfirma YG Entertainment gecastet und zog mit 15 allein von Australien nach Südkorea.
Rosé, aber auch Bandkollegin Jennie sprechen immer wieder mal sehr ausgewählt in ihren Interviews über diese Zeit als Trainee – und sie tun das nicht unbedingt auf positive Art und Weise. Jennie nannte die Trainee-Zeit in der Netflix-Doku «Blackpink: Light Up The Sky» mal eine «harte, kalte Zeit», der sie als Teenagerin ausgeliefert war.
Ständig habe man Vortanzen und -Singen müssen und sei hart bewertet worden. Und man stand in permanenter Konkurrenz zu allen anderen Trainees. Auch die Arbeitswochen waren lang: Komplett freie Tage gab es nur alle zwei Wochen.
Trotzdem sagen all diese Idols auch: Idol zu werden, ist ein früher Lebenstraum. In Verbindung mit der Arbeitsdisziplin und dem Ehrgeiz, die in der südkoreanischen Gesellschaft als besonders erstrebenswert angesehen werden, kommt es zu diesen jung gestarteten, extrem erfolgreichen Karrieren. An denen viele Idols und Trainees auch zerbrechen.
Hyein, Taemin debütierte mit 14 bei New Jeans
Wie jung einige koreanische Idols sind, fällt immer dann auf, wenn man mal googlet, wie alt die Bandmitglieder einer neuen Band so sind. Als die Girlgroup New Jeans 2022 mit dem Song «Hype Boy» debütierte, war die Älteste, Minji, 19 und die jüngste, Hyein (Artikelfoto), gerade erst 14. Ironischerweise hatte sie trotzdem schon die meiste Bühnenerfahrung innerhalb der Band.
Die am 21. April 2008 geborene Hyein war schon Kinder-Model und lief zum Beispiel 2019 bei der Fashion Week in Moskau. Sie war in Kinder-TV-Sendungen und Werbespots zu sehen, war 2017 Teil der Kinderband U.sso Girl und 2019 bei Play With Me Club.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele: Solo-Artist BoA war 13, als ihre Debütsingle veröffentlicht wurde. Taemin wurde mit 14 Mitglied der immens populären Boyband Shinee, Jisung kam mit 14 zu NCT Dream und Sohee und HyunA waren ebenfalls 14, als sie Teil der Wonder Girls wurden. Man kann davon ausgehen, dass dem Debüt mindestens zwei Jahre Trainee-Ausbildung vorhergegangen sind.
Die Schattenseiten des Trainee-Systems
Das K-Pop-Ausbildungssystem ist oft zurecht kritisiert worden, weil es sehr junge Menschen in eine sehr harte Ausbildung schickt, die man wohl am ehesten mit der Nachwuchsarbeit im Profifussball vergleichen kann. Hinzu kommt, dass junge Menschen in der südkoreanischen Gesellschaft einem Leistungsdruck ausgesetzt sind, der bedeutend höher ist als hierzulande.
Wie «gut» die Ausbildung oberflächlich betrachtet funktioniert, sieht man allerdings in den Performances von BTS, Blackpink, Le Sserafim, Twice, Stray Kids und wie sie alle heißen. Die Kondition, der synchrone Tanz, die Vocal Performance, selbst die Mimik – all das ist bei den besten K-Pop-Acts auf einem Level, das wenige amerikanische oder britische Acts erreichen.
Mentale Probleme, ungesunde Körper-Ideale (die in der Vergangenheit oft mit dem Zwang verbunden waren, Schönheits-OPs durchzuführen) und das sicherlich oft zu harte Training sowie die Abhängigkeit der teuer ausgebildeten Idols zu ihrer Produktionsfirma – all das würde die K-Pop-Industrie am liebsten ausblenden.
Vieles davon wird in der Apple-TV-Doku «K-Pop Idols», der recht ungeschönt an der Seite einiger Idols hinter die Kulissen schaut. Aber auch die international vernetzten Fans sind wachsam – die Hoffnung, dass die Arbeitsbedingungen der jungen Idols fairer und transparenter werden, ist also angebracht.