Pubblicato il 23. settembre 2024

Der Fall Sean «Diddy» Combs I: Cassie Ventura

Am Montag, dem 16. September wurde Sean Combs in New York festgenommen. Die tags darauf verlesene Anklageschrift umfasst unter anderem verschwörerische Erpressung und Sexhandel. In dieser Reihe erzählen wir, was dem Produzenten und Rapper inwzischen so alles vorgeworfen wird – und beginnen bei Cassie Ventura, die mit ihrer Klage im November 2023 den Stein ins Rollen brachte.

Journalist
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Trigger-Warnung: Im folgenden Beitrag werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für die Betroffene geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.

Bevor man auf die aktuellen Anschuldigungen gegen Sean «Diddy» Combs schaut, sollte man noch einmal ein paar Monate zurück gehen. Zum Beispiel an den 17. Mai 2024: Da beschloss der amerikanische TV-Sender CNN, seinem Millionenpublikum einmal zu zeigen, wie das eigentlich aussieht, was die Sängerin Cassandra «Cassie» Ventura ihrem Ex-Freund Sean «Diddy» Combs in einer 35-seitigen Anklageschrift im November vergangenen Jahres vorgeworfen hatte – nämlich: Manipulation sowie psychische und physische Gewalt.

Combs hatte immer gesagt, er sei «nie gewalttätig» gewesen und liess über seine Anwälte verlauten: «Miss Ventura hat eine Klage eingereicht, die mit unbegründeten und unverschämten Lügen gespickt ist und darauf abzielt, den Ruf von Herrn Combs zu schädigen und daran Geld zu verdienen.» Combs Anwalt Ben Brafman sprach gar von «offensichtlicher Erpressung».

Der «Adult Survivors Act»

Die Zivilklage von Ventura war vor allem durch ein neues Gesetz im Bundesstaat New York möglich geworden. Der «Adult Survivors Act» gab Betroffenen sexueller Gewalt die Möglichkeit, in einem einjährigen Zeitfenster von November 2022 bis November 2023 auch in weiter zurückliegenden und eigentlich verjährten Fällen auf dem Zivilrechtsweg zu klagen.

Sean Combs und Cassie Ventura einigten sich jedoch innerhalb von 24 Stunden nach Einreichen der Klage auf einen Vergleich, so dass der Fall nicht zum Prozess wurde. Ventura teilte in einer Erklärung mit, sie habe beschlossen, diese Angelegenheit gütlich zu lösen, «und zwar zu Bedingungen, die mir ein gewisses Mass an Kontrolle ermöglichen». Auch Combs teilte mit: «Wir haben beschlossen, diese Angelegenheit gütlich zu lösen. Ich wünsche Cassie und ihrer Familie nur das Beste. In Liebe.»

Combs erste Taktik: aggressives Abstreiten

Ruhig wurde es danach für Combs aber mitnichten. Venturas Klage machte anderen Frauen Mut, ebenfalls gegen Combs vorzugehen. Klagen, die von Gewaltvorwürfen bis zur Vergewaltigung reichen (wie im Falle des Models Crystal McKinney, die Combs Ende Mai beschuldigte, sie im Jahr 2003 in seinem New Yorker Studio unter Drogeneinfluss gesetzt und dann zum Sex gezwungen zu haben). Combs Reaktion in den meisten Fällen: aggressives Abstreiten.

Nach der vierten Klage im Dezember letzten Jahres schrieb er zum Beispiel: «Genug ist genug. In den letzten Wochen habe ich stillschweigend zugesehen, wie Leute versucht haben, meinen Charakter zu zerstören und meinen Ruf und mein Vermächtnis zu beschädigen. Einzelne Personen, die auf das schnelle Geld aus sind, haben widerwärtige Anschuldigungen gegen mich erhoben. Lassen Sie mich ganz klar sagen: Ich habe nichts von den schrecklichen Dingen getan, die mir vorgeworfen werden. Ich werde für meinen Namen, meine Familie und für die Wahrheit kämpfen.»

Das brutale Video aus dem Jahr 2016

Die Wahrheit sah man nun aber am 17. Mai 2024. CNN war ein Überwachungskamera-Video zugespielt worden, das am 5. März 2016 im Flur eines Hotels gefilmt wurde, in dem Sean Combs und Ventura übernachtet hatten. Was man dort zu sehen bekommt, wird exakt so in Venturas Klageschrift beschrieben. In der Klage heisst es auch, Combs habe dem InterContinental Hotel in Los Angeles 50.000 Dollar gezahlt, um die Aufnahmen der Überwachungskamera zu bekommen. Wie CNN das Video bekam, verriet der Sender nicht, aber er zeigte es.

Nach diesen Bildern und dem berechtigten Aufschrei war klar: Diesmal wäre Combs nicht damit durchgekommen, die Opfer verbal zu attackieren und Fehlverhalten zu dementieren. In einem gefilmten Instagramm-Posting inszeniert er sich als geläutertes Opfer, verweist auf schwere Zeiten und sagt: «Es ist so schwierig, über die dunkelsten Zeiten in deinem Leben nachzudenken, aber manchmal muss man das tun.»

«Ich bitte nicht um Vergebung.»

Weiter heisst es: «Ich war damals angewidert, als ich es tat. Ich bin auch jetzt angewidert. Ich habe mir professionelle Hilfe gesucht. Ich habe eine Therapie gemacht, bin in die Reha gegangen. Ich musste Gott um seine Gnade und Barmherzigkeit bitten. Es tut mir so leid. Aber ich bin entschlossen, jeden Tag ein besserer Mensch zu werden. Ich bitte nicht um Vergebung. Es tut mir wirklich leid.»

Die Reaktionen darauf waren deutlich: Verständnis bekam er zwar von seinen Hardcore-Fans und von der Internetfraktion, die bei massiven Vorwürfen sexueller Gewalt zuerst «Cancel Culture!» brüllt, aber die meisten kauften Combs die Reue nicht ab. Was auch daran lag, dass der amerikanische «Rolling Stone» Sean Combs zur gleichen Zeit eine lange Investigativ-Reportage widmete, die viele – wenn auch nicht justiziable, so doch räudige – Geschichten seiner übergriffigen Verhaltens zusammentrug.

Cassie Venturas Anwältin Meredith Firetog postete als Reaktion auf das «Entschuldigungsvideo» von Combs:

Cassie Ventura selbst postete ein Statement auf Instagram, in dem sie vor allem ihre Dankbarkeit ausspricht für den Beistand, den sie zuletzt erfahren hatte. Ausserdem sagt sie: «Ich bitte nur darum, dass ALLE ihr Herz dafür öffnen, zuerst den Opfern zu glauben. Es braucht viel Mut, die Wahrheit über eine Situation auszusprechen, bei der man selbst hilflos war.»

Die «Freak-offs» als Ausgangspunkt der aktuellen Anklage

In den Anklageschriften von Cassie Ventura und zwei weiteren Frauen sowie in der «Rolling Stone»-Story stehen aber auch Dinge, die ein wichtiger Bauteil der aktuellen Anklage gewesen sein dürften. Man erfährt darin, dass Combs oft den Sex gefilmt und ohne Erlaubnis seiner Partnerin mit anderen geteilt habe.

Auch ein Mann hat übrigens Klage erhoben: Der Produzent Rodney «Lil Rod» Jones wirft Sean Combs vor, dieser habe ihm immer wieder ungefragt an die Genitalien gefasst, und ihn dazu gezwungen vor Combs Augen Sex mit Prostituierten zu haben. Sean Combs dementierte auch hier alle Vorwürfe.

In Cassie Venturas Klageschrift finden sich Beschreibungen solcher Szenen. Combs habe Ventura befohlen, sich mit Öl einzureiben, habe ihr Alkohol und Drogen aufgedrängt und sie dann gezwungen, mit männlichen Prostituierten Sex zu haben. Combs hätte sich dabei selbst befriedigt oder den Sex gefilmt. Er habe diese Aktionen «freak-offs» genannt.

«Es waren immer Mädchen da.»

Schon 2004 erzählte Usher in einem «Rolling Stone»-Interview, wie es in Sean Combs Haus in New York zuging. Usher hatte als junger Musiker und Protegé von Combs Label «Bad Boy» in den Neunzigern eine Weile bei ihm gewohnt. «Puff hat mich in eine ganz andere Welt eingeführt – vor allem in die des Sex. Es waren immer Mädchen da. Man öffnete eine Tür und sah jemanden, der es trieb, oder mehrere Leute in einem Raum, die eine Orgie feierten. Man wusste nie, was passieren würde.»

Selbst Sean Combs fühlte sich in seinem Treiben so sicher, dass er in der Late-Night-Talkshow von Conan O’Brian witzelte, man müsse die Leute einschliessen, ihnen Drogen geben und die Heizung aufdrehen, damit eine Party in seinem Sinne in Gang kommt.

Die konkreten Vorwürfe lösten dann auch die Razzien in Sean Combs Häusern auf, bei denen anscheinend Filmmaterial dieser «freak-offs» gefunden wurden. Ausserdem dürfte die Berichterstattung weiteren vermeintlichen Opfern die Kraft gegeben haben, sich zu äussern.

Die Playlist all jener Songs, an denen Sean Combs Geld verdient, ist leider lang

Warum wir all diesen Schmutz hier noch mal so ausführlich ausbreiten? Weil es wichtig ist zu wissen, dass es sich um sehr konkrete Vorwürfe handelt. Und weil auch hier wieder deutlich wird, dass wichtige Männer im Musikbusiness anscheinend in einem System arbeiten, das Grenzüberschreitungen begünstigt und die Aufklärung solcher Vorfälle verdrängt oder behindert.

Niemand muss deshalb zwangsläufig aufhören, Sean Combs Musik zu hören, aber wenn man allein auf das Video und Combs Reaktion darauf schaut, fällt es einem schon schwer, zum Beispiel Musik zu streamen, an der Combs Geld verdienen würde, die er dann seinen aggressiv arbeitenden Anwälten geben könnte – was leider eine ziemlich lange Playlist ergeben würde, denn Sean Combs ist ja nicht nur selbst Rapper, sondern auch ein viel gebuchter Produzent, Texter, Komponist und Songwriter.

Deshalb werden wie in naher Zukunft darauf verzichten, Songs wie «Mo Money, Mo Problems» oder «Hypnotize» von The Notorious B.I.G, «My Life» von Mary J. Blige, «Love Like This» von Faith Evans, «Think Of You» von Usher und natürlich «I’ll Be Missing You» von P. Diddy zu hören.

Was Sean Combs aktuell vorgeworfen wird und was seine Anklage so alles ausgelöst hat, erörtern wir in der nächsten Folge.

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